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Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester. II. Band.

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nach langer verdienstvoller Wirksamkeit selig verschieden, und sein
Nachfolger ist glücklicher Weise ein Ehrenmann, der nicht in die Fußtapfen
des Herrn F... getreten ist. Im Ganzen ist seit der Anwesenheit
des Erzherzogs Stephan mehr Decenz in unsere Bureaukratie gefah¬
ren. Man tritt etwas schüchterner und vorsichtiger auf. Die Hinter-
thüre ist mit einer Tapete überzogen worden, damit sie nicht allzusehr
in's Auge fällt. Aber der geheime Drücker existirt darum doch nach
wie zuvor.

Die Thätigkeit der Czechen für Belebung aller Elemente, die
ihrer Nationalität Vorschub leisten können, ist unermüdlich. Eine mit
vielen Unterschriften versehene Petition macht den Vorschlag, die Stände
möchten das czechische Theater ganz von dem deutschen trennen und
den Czechen das Recht einräumen, ein eigenes Theater zu erbauen.
Die Kosten dieses Baus werden auf 200,000 si. C.-M. veranschlagt,
und sollen mittelst Actien, -r 1V0 si. C.-M. gedeckt werden. Die
Gebrüder Klein, (die, nebenbei gesagt, an dem Bau der Staatseisen¬
bahnen über eine Million Gulden gewonnen haben sollen), haben sich
allein anheischig gemacht, für 40,000 si. Actien zu übernehmen. Man
kann, -- auch wenn man sonst nicht czcchisch gesinnt ist, -- diesem
Unternehmen nur Beifall schenken und Förderung wünschen. Unser
ständisches Theater, wenn seine Kräfte und Leistungen auch dem Ge¬
schmack der höheren Bildung nicht genügen, ist darum dennoch kein
Institut, wo die untern Stande Unterhaltung finden können. Es ist
ein Aerstreuungsplatz für die mittlern und obern Classen. Ein Volks¬


würden, bis ich endlich mich fügte wie Tausend Ändere. Im Grunde harten
die Eltern Recht. Sie mußten'vier Mal des Jahres, Behufs unserer Pässe,
an jenen Mann sich wenden, und dies, wäre für die Schwachen, Gesetzesun¬
kundigen gewiß peinlich gewesen. Vielleicht, daß kräftigere, minder scheue
Personen anders .auftraten? Aber wie kommt es, daß dieser Beamte,
gegen den, wenn man ihn in Untersuchung gezogen hätte, namentlich in
Eon scriptionsa n g clegenhcitrn, ein Fünftheil der prager Bewohner
als Zeugen hätten auftreten können, ruhig und unangetastet in Amt und
Würden gestorben ist ! Es scheint also, daß auch Andere lieber fünf gerade sein
ließen, als mit einem Beamten sich in einen Prozeß einzulassen. Und dieses
ist die Stimmung des größten Theils der in Bcamtenfurcht erzogenen mittlern
und untern Stände. Kann ein solch zurückgedrängtes Schweigen irgend einer
Regierung zum Vortheil gereichen? Selbst wo sie die besten und redlichsten
Absichten hat, wird immer ein Stück von dem Schatten unwürdiger Unter-
beamten auf sie selbst zurückfallen. Wahrlich, das freie Wort kömmt den Re¬
gierenden nicht minder zu Statten als den Regierten. Der König von Würt¬
temberg sagte ein Mal: die beste geheime Polizei in meinem Lande ist der
Stuttgarter Beobachter (ein scharfes Oppositionsblatt)! Das freiere Wort
würde der österreichischen Negierung Geheimnisse verrathen, die laut genug
sind, um durch die Bevölkerung zu laufen und doch zu leise, um zu ihren
Ohren zu gelangen. Nicht bloß in unserem, in ihrem eigenen Vortheile läge
Ku---da. es, den Zwang der Presse zu lösen. --

nach langer verdienstvoller Wirksamkeit selig verschieden, und sein
Nachfolger ist glücklicher Weise ein Ehrenmann, der nicht in die Fußtapfen
des Herrn F... getreten ist. Im Ganzen ist seit der Anwesenheit
des Erzherzogs Stephan mehr Decenz in unsere Bureaukratie gefah¬
ren. Man tritt etwas schüchterner und vorsichtiger auf. Die Hinter-
thüre ist mit einer Tapete überzogen worden, damit sie nicht allzusehr
in's Auge fällt. Aber der geheime Drücker existirt darum doch nach
wie zuvor.

Die Thätigkeit der Czechen für Belebung aller Elemente, die
ihrer Nationalität Vorschub leisten können, ist unermüdlich. Eine mit
vielen Unterschriften versehene Petition macht den Vorschlag, die Stände
möchten das czechische Theater ganz von dem deutschen trennen und
den Czechen das Recht einräumen, ein eigenes Theater zu erbauen.
Die Kosten dieses Baus werden auf 200,000 si. C.-M. veranschlagt,
und sollen mittelst Actien, -r 1V0 si. C.-M. gedeckt werden. Die
Gebrüder Klein, (die, nebenbei gesagt, an dem Bau der Staatseisen¬
bahnen über eine Million Gulden gewonnen haben sollen), haben sich
allein anheischig gemacht, für 40,000 si. Actien zu übernehmen. Man
kann, — auch wenn man sonst nicht czcchisch gesinnt ist, — diesem
Unternehmen nur Beifall schenken und Förderung wünschen. Unser
ständisches Theater, wenn seine Kräfte und Leistungen auch dem Ge¬
schmack der höheren Bildung nicht genügen, ist darum dennoch kein
Institut, wo die untern Stande Unterhaltung finden können. Es ist
ein Aerstreuungsplatz für die mittlern und obern Classen. Ein Volks¬


würden, bis ich endlich mich fügte wie Tausend Ändere. Im Grunde harten
die Eltern Recht. Sie mußten'vier Mal des Jahres, Behufs unserer Pässe,
an jenen Mann sich wenden, und dies, wäre für die Schwachen, Gesetzesun¬
kundigen gewiß peinlich gewesen. Vielleicht, daß kräftigere, minder scheue
Personen anders .auftraten? Aber wie kommt es, daß dieser Beamte,
gegen den, wenn man ihn in Untersuchung gezogen hätte, namentlich in
Eon scriptionsa n g clegenhcitrn, ein Fünftheil der prager Bewohner
als Zeugen hätten auftreten können, ruhig und unangetastet in Amt und
Würden gestorben ist ! Es scheint also, daß auch Andere lieber fünf gerade sein
ließen, als mit einem Beamten sich in einen Prozeß einzulassen. Und dieses
ist die Stimmung des größten Theils der in Bcamtenfurcht erzogenen mittlern
und untern Stände. Kann ein solch zurückgedrängtes Schweigen irgend einer
Regierung zum Vortheil gereichen? Selbst wo sie die besten und redlichsten
Absichten hat, wird immer ein Stück von dem Schatten unwürdiger Unter-
beamten auf sie selbst zurückfallen. Wahrlich, das freie Wort kömmt den Re¬
gierenden nicht minder zu Statten als den Regierten. Der König von Würt¬
temberg sagte ein Mal: die beste geheime Polizei in meinem Lande ist der
Stuttgarter Beobachter (ein scharfes Oppositionsblatt)! Das freiere Wort
würde der österreichischen Negierung Geheimnisse verrathen, die laut genug
sind, um durch die Bevölkerung zu laufen und doch zu leise, um zu ihren
Ohren zu gelangen. Nicht bloß in unserem, in ihrem eigenen Vortheile läge
Ku-—da. es, den Zwang der Presse zu lösen. —
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[0086] nach langer verdienstvoller Wirksamkeit selig verschieden, und sein Nachfolger ist glücklicher Weise ein Ehrenmann, der nicht in die Fußtapfen des Herrn F... getreten ist. Im Ganzen ist seit der Anwesenheit des Erzherzogs Stephan mehr Decenz in unsere Bureaukratie gefah¬ ren. Man tritt etwas schüchterner und vorsichtiger auf. Die Hinter- thüre ist mit einer Tapete überzogen worden, damit sie nicht allzusehr in's Auge fällt. Aber der geheime Drücker existirt darum doch nach wie zuvor. Die Thätigkeit der Czechen für Belebung aller Elemente, die ihrer Nationalität Vorschub leisten können, ist unermüdlich. Eine mit vielen Unterschriften versehene Petition macht den Vorschlag, die Stände möchten das czechische Theater ganz von dem deutschen trennen und den Czechen das Recht einräumen, ein eigenes Theater zu erbauen. Die Kosten dieses Baus werden auf 200,000 si. C.-M. veranschlagt, und sollen mittelst Actien, -r 1V0 si. C.-M. gedeckt werden. Die Gebrüder Klein, (die, nebenbei gesagt, an dem Bau der Staatseisen¬ bahnen über eine Million Gulden gewonnen haben sollen), haben sich allein anheischig gemacht, für 40,000 si. Actien zu übernehmen. Man kann, — auch wenn man sonst nicht czcchisch gesinnt ist, — diesem Unternehmen nur Beifall schenken und Förderung wünschen. Unser ständisches Theater, wenn seine Kräfte und Leistungen auch dem Ge¬ schmack der höheren Bildung nicht genügen, ist darum dennoch kein Institut, wo die untern Stande Unterhaltung finden können. Es ist ein Aerstreuungsplatz für die mittlern und obern Classen. Ein Volks¬ würden, bis ich endlich mich fügte wie Tausend Ändere. Im Grunde harten die Eltern Recht. Sie mußten'vier Mal des Jahres, Behufs unserer Pässe, an jenen Mann sich wenden, und dies, wäre für die Schwachen, Gesetzesun¬ kundigen gewiß peinlich gewesen. Vielleicht, daß kräftigere, minder scheue Personen anders .auftraten? Aber wie kommt es, daß dieser Beamte, gegen den, wenn man ihn in Untersuchung gezogen hätte, namentlich in Eon scriptionsa n g clegenhcitrn, ein Fünftheil der prager Bewohner als Zeugen hätten auftreten können, ruhig und unangetastet in Amt und Würden gestorben ist ! Es scheint also, daß auch Andere lieber fünf gerade sein ließen, als mit einem Beamten sich in einen Prozeß einzulassen. Und dieses ist die Stimmung des größten Theils der in Bcamtenfurcht erzogenen mittlern und untern Stände. Kann ein solch zurückgedrängtes Schweigen irgend einer Regierung zum Vortheil gereichen? Selbst wo sie die besten und redlichsten Absichten hat, wird immer ein Stück von dem Schatten unwürdiger Unter- beamten auf sie selbst zurückfallen. Wahrlich, das freie Wort kömmt den Re¬ gierenden nicht minder zu Statten als den Regierten. Der König von Würt¬ temberg sagte ein Mal: die beste geheime Polizei in meinem Lande ist der Stuttgarter Beobachter (ein scharfes Oppositionsblatt)! Das freiere Wort würde der österreichischen Negierung Geheimnisse verrathen, die laut genug sind, um durch die Bevölkerung zu laufen und doch zu leise, um zu ihren Ohren zu gelangen. Nicht bloß in unserem, in ihrem eigenen Vortheile läge Ku-—da. es, den Zwang der Presse zu lösen. —

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_270058/86>, abgerufen am 19.05.2024.