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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. I. Band.

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die Vielschreiberei und Fabrication der Pariser Autoren durch alle
Journale gelaufen, so erregt die Erwartung eines unangekündigten
Romans desselben Sue einen Aufruhr, der die unglücklichen August¬
tage in Leipzig vergessen machen wird. Die sündhafte Pariser Lite¬
ratur wird sich trösten über den sittlichen Abscheu, den wir in
der Regel vor ihr bekennen, wenn sie sieht, wie man sich in
den Werkstätten der deutschen Literatur um ihre Todsünden balgt.
Herr Philipp! in Grimma ruft: Mein Leib - und Hausdichter,
mein Lubojatzki, der so eben den Deutschkatholicismus als Ro¬
man verarbeitet hat, ist so glücklich, der deutschen Nation den er¬
sten Band von "sieben Todsünden" nach Eugene Sue zu bieten
Ungeheure Thätigkeit! Ewige Sorge für den Ruhm des deutschen
Geistes! Pünktliche Bedienung! Fort mit Schaden! -- Dagegen er¬
hebt die Firma Kollmann, in tiefster Entrüstung, ihre Stimme:
Ich allein, ich bin der Herold des unsterblichen Mvsteriendichtcrs,
denn ich habe dafür gezahlt. Sue ist Sue und Weschv ist sein Pro.
ybel. Er ist sein Schatten, sein Wächter und Trabant. Er ist das
einzige privilegirte Sprachrohr Sue'scher Ideen, er ist mein Telegraph
zwischen Paris und Leipzig. Wie kann Grimma Leipzig zuvorkom¬
men, da wir durch Couriere erfahren haben, daß der König der Ro¬
mane noch keine einzige seiner köstlichen Todsünden begangen hat,
sondern harmlos und ritterlich auf seinen Gütern bei Orleans bis in
den lauen Märzmonat jagen will? Warte Deutschland, bis er auf¬
gejagt hat, dann wird mein Weschv dich mit den wahren Todsün¬
den in den Himmel versetzen. -- Hurtig entgegnet darauf mit Witz
der kühne Philippi: Und dennoch ist mein Held, mein Lubojatzki,
mit Recht des ersten Bandes Uebersetzer. Vorausgeeilt dem kommen¬
den Ereigniß, hat er die Gräuel und Verbrechen alle, auf eigne
Faust vollführt. Sei Deutschland, stolz! Ermanne Dich und tern'
Dich selber achten. Die Sünden, die der stolze Franzmann that: ein
Deutscher that sie ihm voraus. . . . Und wahrend so in der Deut¬
schen Allgemeinen Zeitung Kollmann und Philippi streiten, tritt in
derselben Nummer der Herr des Hauses, nämlich Firma Brockhaus
selbst, lächelnd zu den beiden und verkündigt, während der Pariser
Correspondent im Hauptblatte tiefsinnig ,,das Greisenantlitz" der
französischen Cultur demonstrirt, nicht nur eine Uebersetzung derselben
künstigen "sieben Todsünden" von dem ewig jungen Genius Sue,
sondern vorher noch die eines andern Sue'schen Romans in 4 Bän¬
den: "Martin oder Memoiren eines Kammerdieners." Nun raufe
deine Locken, Firma Kollmann, steige herunter von der Höhe deines
Privilegiums, von dem Gipfel deines Comptoirstuhls, du, der da
gesagt hat: Ich will meinen Verlagsthron erhöhen über die Verlags¬
stühle aller Verleger von Deutschland. Wo war das Auge deines
Wehes6, wo war dein untrüglicher Telegraph? Hat ihn der Nebel
geblendet, als er sagte, der König der Romane jage in den Wäldern


die Vielschreiberei und Fabrication der Pariser Autoren durch alle
Journale gelaufen, so erregt die Erwartung eines unangekündigten
Romans desselben Sue einen Aufruhr, der die unglücklichen August¬
tage in Leipzig vergessen machen wird. Die sündhafte Pariser Lite¬
ratur wird sich trösten über den sittlichen Abscheu, den wir in
der Regel vor ihr bekennen, wenn sie sieht, wie man sich in
den Werkstätten der deutschen Literatur um ihre Todsünden balgt.
Herr Philipp! in Grimma ruft: Mein Leib - und Hausdichter,
mein Lubojatzki, der so eben den Deutschkatholicismus als Ro¬
man verarbeitet hat, ist so glücklich, der deutschen Nation den er¬
sten Band von „sieben Todsünden" nach Eugene Sue zu bieten
Ungeheure Thätigkeit! Ewige Sorge für den Ruhm des deutschen
Geistes! Pünktliche Bedienung! Fort mit Schaden! — Dagegen er¬
hebt die Firma Kollmann, in tiefster Entrüstung, ihre Stimme:
Ich allein, ich bin der Herold des unsterblichen Mvsteriendichtcrs,
denn ich habe dafür gezahlt. Sue ist Sue und Weschv ist sein Pro.
ybel. Er ist sein Schatten, sein Wächter und Trabant. Er ist das
einzige privilegirte Sprachrohr Sue'scher Ideen, er ist mein Telegraph
zwischen Paris und Leipzig. Wie kann Grimma Leipzig zuvorkom¬
men, da wir durch Couriere erfahren haben, daß der König der Ro¬
mane noch keine einzige seiner köstlichen Todsünden begangen hat,
sondern harmlos und ritterlich auf seinen Gütern bei Orleans bis in
den lauen Märzmonat jagen will? Warte Deutschland, bis er auf¬
gejagt hat, dann wird mein Weschv dich mit den wahren Todsün¬
den in den Himmel versetzen. — Hurtig entgegnet darauf mit Witz
der kühne Philippi: Und dennoch ist mein Held, mein Lubojatzki,
mit Recht des ersten Bandes Uebersetzer. Vorausgeeilt dem kommen¬
den Ereigniß, hat er die Gräuel und Verbrechen alle, auf eigne
Faust vollführt. Sei Deutschland, stolz! Ermanne Dich und tern'
Dich selber achten. Die Sünden, die der stolze Franzmann that: ein
Deutscher that sie ihm voraus. . . . Und wahrend so in der Deut¬
schen Allgemeinen Zeitung Kollmann und Philippi streiten, tritt in
derselben Nummer der Herr des Hauses, nämlich Firma Brockhaus
selbst, lächelnd zu den beiden und verkündigt, während der Pariser
Correspondent im Hauptblatte tiefsinnig ,,das Greisenantlitz" der
französischen Cultur demonstrirt, nicht nur eine Uebersetzung derselben
künstigen „sieben Todsünden" von dem ewig jungen Genius Sue,
sondern vorher noch die eines andern Sue'schen Romans in 4 Bän¬
den: „Martin oder Memoiren eines Kammerdieners." Nun raufe
deine Locken, Firma Kollmann, steige herunter von der Höhe deines
Privilegiums, von dem Gipfel deines Comptoirstuhls, du, der da
gesagt hat: Ich will meinen Verlagsthron erhöhen über die Verlags¬
stühle aller Verleger von Deutschland. Wo war das Auge deines
Wehes6, wo war dein untrüglicher Telegraph? Hat ihn der Nebel
geblendet, als er sagte, der König der Romane jage in den Wäldern


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_181809/103>, abgerufen am 29.05.2024.