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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. I. Band.

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sich seine muckernden Gegner auch die Gelbsucht an den Hals, weil
es ihnen ein Gräuel, wenn sich die Menschen auf ein Paar Tage
die grämliche Alltäglichkeit zu vergessen Mühe geben, und sich
einmal so recht gründlich nach Herzenslust freuen; die aber doch da¬
bei der Kummerzähren ihrer Mitmenschen auch gedenken und sie
trocknen, wie sie nur immer können.

Wer sein Glück in der Führung eines Theaters versuchen will,
hat Gelegenheit, hier in Cöln sein Vermögen los zu werden, denn
die Concession für unser Stadttheater ist zu erlangen, und zwar
durch eine öffentliche Concurrenz, bei welcher die Direktion wahrschein¬
lich dem anheimfällt, welcher das Meiste verspricht -- um später
Nichts zu halten. Wir können nicht begreifen, daß sich schon Ver¬
schiedene zu dem Unternehmen gemeldet haben, da bei den mit je¬
dem Tage gesteigerten Anfoderungen an das Theater von Sei¬
ten des Publicums, von diesem im Verhältniß zur Seelenzahl wenig
für dasselbe geschieht, und es zudem noch unter einer Last von 6 -- 7veli)
Thalern an Miethe und Armenabgaben seufzt, welche der Unternehmer
zu tragen genöthigt ist. Unser Director Spielberger^ der in einem
Circular an seine Abonnenten öffentlich erklärte, daß er sein und sei¬
ner Frau Vermögen zugesetzt bei seiner Vühnenführung, also offen¬
baren Schaden gelitten hat, ist unter dem ersten October des vori¬
gen Jahres wieder beim Oberpräsidium um die Concession auf v
resp. 10 Jahre eingekommen. Wie laßt sich das zusammenreimen?
Das mag sich ein Anderer zu erklären suchen. Das Oberpräsidium
wird aber zweifelsohne solche Opfer von Seiten eines Directors, aus
reiner Liebe zur Kunst gebracht, nicht fordern,, und die Cölner wer¬
den auch gewiß den Untergang eines Familienvaters nicht wollen; --
das wäre unchristlich, und unchristlich sind die Cölner nicht. Auf
das Ende von diesem Liede sind wir begierig, und wollen hoffen,
daß es mit unsern Bühnen-Verhältnissen im Allgemeinen sich besser
gestalten werde, doch muß vor Allem bedacht werden, daß die Stadt
von einem Theaterunternehmer nur etwas fordern kann, wenn sie
ihm auch etwas bietet. Mühe und Arbeit heischen Lohn, und
Bühnendirector zu sein, mag seinen eigenthümlichen Reiz haben,
gehört aber wahrlich nicht zu den angenehmsten Lebensloosen.

In unserer musikalischen Welt geht es jetzt sehr wüst her, denn
alle Parteien laboriren an Fetialen David's Wüste, von unserem
Familienconcerte schon zur Aufführung gebracht, und noch von der
philharmonischen Gesellschaft und selbst vom Theater erwartet. Mit
der Aufführung unter der Leitung des städtischen Capellmeisters Dorn
hätte der Componist wohl zufrieden sein dürfen. Daß sich Classiker
und Romantiker über den Werth dieser Composition pflichtschuldigst
in den Haaren liegen, versteht sich von selbst; es sind die Herren in
Cöln von keinem andern Stoffe, als in Paris, Wien, Pesth u. s. w.


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sich seine muckernden Gegner auch die Gelbsucht an den Hals, weil
es ihnen ein Gräuel, wenn sich die Menschen auf ein Paar Tage
die grämliche Alltäglichkeit zu vergessen Mühe geben, und sich
einmal so recht gründlich nach Herzenslust freuen; die aber doch da¬
bei der Kummerzähren ihrer Mitmenschen auch gedenken und sie
trocknen, wie sie nur immer können.

Wer sein Glück in der Führung eines Theaters versuchen will,
hat Gelegenheit, hier in Cöln sein Vermögen los zu werden, denn
die Concession für unser Stadttheater ist zu erlangen, und zwar
durch eine öffentliche Concurrenz, bei welcher die Direktion wahrschein¬
lich dem anheimfällt, welcher das Meiste verspricht — um später
Nichts zu halten. Wir können nicht begreifen, daß sich schon Ver¬
schiedene zu dem Unternehmen gemeldet haben, da bei den mit je¬
dem Tage gesteigerten Anfoderungen an das Theater von Sei¬
ten des Publicums, von diesem im Verhältniß zur Seelenzahl wenig
für dasselbe geschieht, und es zudem noch unter einer Last von 6 — 7veli)
Thalern an Miethe und Armenabgaben seufzt, welche der Unternehmer
zu tragen genöthigt ist. Unser Director Spielberger^ der in einem
Circular an seine Abonnenten öffentlich erklärte, daß er sein und sei¬
ner Frau Vermögen zugesetzt bei seiner Vühnenführung, also offen¬
baren Schaden gelitten hat, ist unter dem ersten October des vori¬
gen Jahres wieder beim Oberpräsidium um die Concession auf v
resp. 10 Jahre eingekommen. Wie laßt sich das zusammenreimen?
Das mag sich ein Anderer zu erklären suchen. Das Oberpräsidium
wird aber zweifelsohne solche Opfer von Seiten eines Directors, aus
reiner Liebe zur Kunst gebracht, nicht fordern,, und die Cölner wer¬
den auch gewiß den Untergang eines Familienvaters nicht wollen; —
das wäre unchristlich, und unchristlich sind die Cölner nicht. Auf
das Ende von diesem Liede sind wir begierig, und wollen hoffen,
daß es mit unsern Bühnen-Verhältnissen im Allgemeinen sich besser
gestalten werde, doch muß vor Allem bedacht werden, daß die Stadt
von einem Theaterunternehmer nur etwas fordern kann, wenn sie
ihm auch etwas bietet. Mühe und Arbeit heischen Lohn, und
Bühnendirector zu sein, mag seinen eigenthümlichen Reiz haben,
gehört aber wahrlich nicht zu den angenehmsten Lebensloosen.

In unserer musikalischen Welt geht es jetzt sehr wüst her, denn
alle Parteien laboriren an Fetialen David's Wüste, von unserem
Familienconcerte schon zur Aufführung gebracht, und noch von der
philharmonischen Gesellschaft und selbst vom Theater erwartet. Mit
der Aufführung unter der Leitung des städtischen Capellmeisters Dorn
hätte der Componist wohl zufrieden sein dürfen. Daß sich Classiker
und Romantiker über den Werth dieser Composition pflichtschuldigst
in den Haaren liegen, versteht sich von selbst; es sind die Herren in
Cöln von keinem andern Stoffe, als in Paris, Wien, Pesth u. s. w.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_181809/145>, abgerufen am 14.05.2024.