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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. I. Band.

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Belesenheit in alten und neuen Klassikern, die', bei so viel Leichtig¬
keit und Leichtfertigkeit, an unsern Wieland erinnert. Es macht
einen seltsamen Eindruck, wenn man sieht, wie unter einem necki¬
schen Liebesliedchen von zehn Zeilen oft alle griechischen Gnostiker
und Philosophen commentirt, mit ihren Varianten citirt und manch¬
mal noch in fließenden englischen Versen und Reimen übersetzt sind.
Vielleicht sollten diese classischen Gesichterschncidereicn von unten
den Uebermuth von oben ein wenig vergessen machen, und gleich¬
sam als Bollwerke und Kanonen der Gelehrsamkeit den englischen
Kritikern und ihrer bulldugartiger Grobheit Respect einflößen.

Jeffrey aber, der damalige Müllner oder Menzel des Edin¬
burgh Review, ließ sich weder imponiren, noch seinen Ingrimm be¬
sänftigen. Er nergelte so lange an dem kleinen Jrländer, der den
Anakreon schminkte, und in der Sprache Milton's seine unnationale
Frivolität zum Besten gab, daß ein tiostile- meetinA daraus erfolgte,
oder vielmehr bald erfolgt wäre; denn die beiden Todfeinde kamen
nur zusammen, um Freunde bis in den Tod zu werden, und statt
sich zu schießen, tranken sie Brüderschaft. Man machte sich da¬
mals sehr lustig über den friedlichen Ausgang dieses Duells, und
erzählte, ein Friedensrichter, der es verhindern wollte, und die Pi¬
stolen in Beschlag nahm, habe dieselben blind geladen gefunden.
Darauf hätten die Secundärem erklärt, beim Hinausfahren auf den
Kampfplatz sei im Wagen die eine Kugel aus dem Laufe gefallen,
so daß sie es für rathsam gehalten, die Kugel aus der andern Pi¬
stole herauszuziehen, um k-ur pi-^, d. h. um die Waffen gleich zu
machen. Dem sei wie ihm wolle, es spricht jedenfalls für Moore's
persönliche Liebenswürdigkeit, daß Niemand ihm auf die Dauer
gram sein konnte, und daß Leute, die ihm den Hals brechen woll¬
ten, bei näherer Bekanntschaft seine besten Freunde wurden. Wie
mit Jeffrey, so ging es ihm später mit Byron.

Noch vor seinem Abenteuer mit Jeffrey, welches 1806 statt¬
fand, hatte Moore, während eines Whigministeriums, die einträg¬
liche Stelle eines Admiralitätsbeamten auf den Bermudas bekom¬
men, aber nachdem er diese Koralleninseln gehörig besehen, und die
Scenerie ihre Neuheit für ihn verloren hatte, wurden ihm die Ge¬
schäfte lästig, und er übergab dieselben, für die Hälfte seines Ein¬
kommens, einem entweder unfähigen oder treulosen Stellvertreter,


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Belesenheit in alten und neuen Klassikern, die', bei so viel Leichtig¬
keit und Leichtfertigkeit, an unsern Wieland erinnert. Es macht
einen seltsamen Eindruck, wenn man sieht, wie unter einem necki¬
schen Liebesliedchen von zehn Zeilen oft alle griechischen Gnostiker
und Philosophen commentirt, mit ihren Varianten citirt und manch¬
mal noch in fließenden englischen Versen und Reimen übersetzt sind.
Vielleicht sollten diese classischen Gesichterschncidereicn von unten
den Uebermuth von oben ein wenig vergessen machen, und gleich¬
sam als Bollwerke und Kanonen der Gelehrsamkeit den englischen
Kritikern und ihrer bulldugartiger Grobheit Respect einflößen.

Jeffrey aber, der damalige Müllner oder Menzel des Edin¬
burgh Review, ließ sich weder imponiren, noch seinen Ingrimm be¬
sänftigen. Er nergelte so lange an dem kleinen Jrländer, der den
Anakreon schminkte, und in der Sprache Milton's seine unnationale
Frivolität zum Besten gab, daß ein tiostile- meetinA daraus erfolgte,
oder vielmehr bald erfolgt wäre; denn die beiden Todfeinde kamen
nur zusammen, um Freunde bis in den Tod zu werden, und statt
sich zu schießen, tranken sie Brüderschaft. Man machte sich da¬
mals sehr lustig über den friedlichen Ausgang dieses Duells, und
erzählte, ein Friedensrichter, der es verhindern wollte, und die Pi¬
stolen in Beschlag nahm, habe dieselben blind geladen gefunden.
Darauf hätten die Secundärem erklärt, beim Hinausfahren auf den
Kampfplatz sei im Wagen die eine Kugel aus dem Laufe gefallen,
so daß sie es für rathsam gehalten, die Kugel aus der andern Pi¬
stole herauszuziehen, um k-ur pi-^, d. h. um die Waffen gleich zu
machen. Dem sei wie ihm wolle, es spricht jedenfalls für Moore's
persönliche Liebenswürdigkeit, daß Niemand ihm auf die Dauer
gram sein konnte, und daß Leute, die ihm den Hals brechen woll¬
ten, bei näherer Bekanntschaft seine besten Freunde wurden. Wie
mit Jeffrey, so ging es ihm später mit Byron.

Noch vor seinem Abenteuer mit Jeffrey, welches 1806 statt¬
fand, hatte Moore, während eines Whigministeriums, die einträg¬
liche Stelle eines Admiralitätsbeamten auf den Bermudas bekom¬
men, aber nachdem er diese Koralleninseln gehörig besehen, und die
Scenerie ihre Neuheit für ihn verloren hatte, wurden ihm die Ge¬
schäfte lästig, und er übergab dieselben, für die Hälfte seines Ein¬
kommens, einem entweder unfähigen oder treulosen Stellvertreter,


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[0211] Belesenheit in alten und neuen Klassikern, die', bei so viel Leichtig¬ keit und Leichtfertigkeit, an unsern Wieland erinnert. Es macht einen seltsamen Eindruck, wenn man sieht, wie unter einem necki¬ schen Liebesliedchen von zehn Zeilen oft alle griechischen Gnostiker und Philosophen commentirt, mit ihren Varianten citirt und manch¬ mal noch in fließenden englischen Versen und Reimen übersetzt sind. Vielleicht sollten diese classischen Gesichterschncidereicn von unten den Uebermuth von oben ein wenig vergessen machen, und gleich¬ sam als Bollwerke und Kanonen der Gelehrsamkeit den englischen Kritikern und ihrer bulldugartiger Grobheit Respect einflößen. Jeffrey aber, der damalige Müllner oder Menzel des Edin¬ burgh Review, ließ sich weder imponiren, noch seinen Ingrimm be¬ sänftigen. Er nergelte so lange an dem kleinen Jrländer, der den Anakreon schminkte, und in der Sprache Milton's seine unnationale Frivolität zum Besten gab, daß ein tiostile- meetinA daraus erfolgte, oder vielmehr bald erfolgt wäre; denn die beiden Todfeinde kamen nur zusammen, um Freunde bis in den Tod zu werden, und statt sich zu schießen, tranken sie Brüderschaft. Man machte sich da¬ mals sehr lustig über den friedlichen Ausgang dieses Duells, und erzählte, ein Friedensrichter, der es verhindern wollte, und die Pi¬ stolen in Beschlag nahm, habe dieselben blind geladen gefunden. Darauf hätten die Secundärem erklärt, beim Hinausfahren auf den Kampfplatz sei im Wagen die eine Kugel aus dem Laufe gefallen, so daß sie es für rathsam gehalten, die Kugel aus der andern Pi¬ stole herauszuziehen, um k-ur pi-^, d. h. um die Waffen gleich zu machen. Dem sei wie ihm wolle, es spricht jedenfalls für Moore's persönliche Liebenswürdigkeit, daß Niemand ihm auf die Dauer gram sein konnte, und daß Leute, die ihm den Hals brechen woll¬ ten, bei näherer Bekanntschaft seine besten Freunde wurden. Wie mit Jeffrey, so ging es ihm später mit Byron. Noch vor seinem Abenteuer mit Jeffrey, welches 1806 statt¬ fand, hatte Moore, während eines Whigministeriums, die einträg¬ liche Stelle eines Admiralitätsbeamten auf den Bermudas bekom¬ men, aber nachdem er diese Koralleninseln gehörig besehen, und die Scenerie ihre Neuheit für ihn verloren hatte, wurden ihm die Ge¬ schäfte lästig, und er übergab dieselben, für die Hälfte seines Ein¬ kommens, einem entweder unfähigen oder treulosen Stellvertreter, 26*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_181809/211>, abgerufen am 29.05.2024.