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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. I. Band.

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Wegen der Memoiren Byron's, die er nach dem Tode des
Dichters herausgeben sollte und statt dessen, im Einverständnis; mit
der Familie des Verstorbenen, unterdrückte, haben sich bekanntlich
zahlreiche Stimmen gegen Moore erhoben. Wir glauben indessen,
die Neugier und Scandalsucht waren bei diesem Geschrei eben so
mächtig, wo nicht mächtiger als ein edleres Interesse an den
Schicksalen des Dichters von Childe Harold und Don Juan, der
sich ja ohnedies am schönsten und besten in seinen Werken studiren läßt.
Uebrigens hat man Briefe Byron's, Gespräche mit Byron, und endlich
authentische Memoiren Byron's, denen die bei Moore hinterlegten
nur als Ergänzung dienen sollten. Man behauptete, Moore habe,
im Interesse von Byron's Familie, diese Supplemente unterdrückt,
während Moore versichert, er habe es eben so sehr im Interesse
ses Dichters gethan. Wie es scheint, waren diese Memoiren für
etwas über 2VVV Pfund an den Buchhändler Murray verkauft.
Moore gab im Jahre 1831 diese 2000 Pfund an Murray zurück,
und weigerte sich, die Rückzahlung der Summe von der Familie
deö Lords anzunehmen.

Thomas Moore lebt jetzt friedlich und als frisch blühender
Greis auf seinem Gute Sloperton, in Wiltshire, seit 40 Jah¬
ren. In der Jugend anakreontisch, ist er im Alter ein fleißiger
Bibelleser geworden. Sei es nun englischer Einfluß oder die
natürliche Verwandlung, welche die Jahre mit sich bringen; diese
Richtung hatte sich schon vor dem Tode Byron's bei Moore ge¬
zeigt, sowohl in seiner "Liebe der Engel", wie in den "Sacred
songs" und in den "Legendary Ballads". Wir wissen nicht ein¬
mal, ob Moore in den Schoß der anglikanischen Kirche getreten
ist, doch konnte es so scheinen, nach der vorwaltenden biblischen
Färbung seiner Frömmigkeit. Daß er aber nicht gerade ein Bet¬
bruder geworden, zeigen seine häufigen satyrischen Momente, von
denen die englischen Zeitungen manchmal Proben liefern, bald
in derben Kniitclrcimen, bald in hüpfenden, daktylischen Strophen,
die immer seine besonderen Lieblinge waren.




Grcnjl'oder, Is46. I.27

Wegen der Memoiren Byron's, die er nach dem Tode des
Dichters herausgeben sollte und statt dessen, im Einverständnis; mit
der Familie des Verstorbenen, unterdrückte, haben sich bekanntlich
zahlreiche Stimmen gegen Moore erhoben. Wir glauben indessen,
die Neugier und Scandalsucht waren bei diesem Geschrei eben so
mächtig, wo nicht mächtiger als ein edleres Interesse an den
Schicksalen des Dichters von Childe Harold und Don Juan, der
sich ja ohnedies am schönsten und besten in seinen Werken studiren läßt.
Uebrigens hat man Briefe Byron's, Gespräche mit Byron, und endlich
authentische Memoiren Byron's, denen die bei Moore hinterlegten
nur als Ergänzung dienen sollten. Man behauptete, Moore habe,
im Interesse von Byron's Familie, diese Supplemente unterdrückt,
während Moore versichert, er habe es eben so sehr im Interesse
ses Dichters gethan. Wie es scheint, waren diese Memoiren für
etwas über 2VVV Pfund an den Buchhändler Murray verkauft.
Moore gab im Jahre 1831 diese 2000 Pfund an Murray zurück,
und weigerte sich, die Rückzahlung der Summe von der Familie
deö Lords anzunehmen.

Thomas Moore lebt jetzt friedlich und als frisch blühender
Greis auf seinem Gute Sloperton, in Wiltshire, seit 40 Jah¬
ren. In der Jugend anakreontisch, ist er im Alter ein fleißiger
Bibelleser geworden. Sei es nun englischer Einfluß oder die
natürliche Verwandlung, welche die Jahre mit sich bringen; diese
Richtung hatte sich schon vor dem Tode Byron's bei Moore ge¬
zeigt, sowohl in seiner „Liebe der Engel", wie in den „Sacred
songs" und in den „Legendary Ballads". Wir wissen nicht ein¬
mal, ob Moore in den Schoß der anglikanischen Kirche getreten
ist, doch konnte es so scheinen, nach der vorwaltenden biblischen
Färbung seiner Frömmigkeit. Daß er aber nicht gerade ein Bet¬
bruder geworden, zeigen seine häufigen satyrischen Momente, von
denen die englischen Zeitungen manchmal Proben liefern, bald
in derben Kniitclrcimen, bald in hüpfenden, daktylischen Strophen,
die immer seine besonderen Lieblinge waren.




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[0217] Wegen der Memoiren Byron's, die er nach dem Tode des Dichters herausgeben sollte und statt dessen, im Einverständnis; mit der Familie des Verstorbenen, unterdrückte, haben sich bekanntlich zahlreiche Stimmen gegen Moore erhoben. Wir glauben indessen, die Neugier und Scandalsucht waren bei diesem Geschrei eben so mächtig, wo nicht mächtiger als ein edleres Interesse an den Schicksalen des Dichters von Childe Harold und Don Juan, der sich ja ohnedies am schönsten und besten in seinen Werken studiren läßt. Uebrigens hat man Briefe Byron's, Gespräche mit Byron, und endlich authentische Memoiren Byron's, denen die bei Moore hinterlegten nur als Ergänzung dienen sollten. Man behauptete, Moore habe, im Interesse von Byron's Familie, diese Supplemente unterdrückt, während Moore versichert, er habe es eben so sehr im Interesse ses Dichters gethan. Wie es scheint, waren diese Memoiren für etwas über 2VVV Pfund an den Buchhändler Murray verkauft. Moore gab im Jahre 1831 diese 2000 Pfund an Murray zurück, und weigerte sich, die Rückzahlung der Summe von der Familie deö Lords anzunehmen. Thomas Moore lebt jetzt friedlich und als frisch blühender Greis auf seinem Gute Sloperton, in Wiltshire, seit 40 Jah¬ ren. In der Jugend anakreontisch, ist er im Alter ein fleißiger Bibelleser geworden. Sei es nun englischer Einfluß oder die natürliche Verwandlung, welche die Jahre mit sich bringen; diese Richtung hatte sich schon vor dem Tode Byron's bei Moore ge¬ zeigt, sowohl in seiner „Liebe der Engel", wie in den „Sacred songs" und in den „Legendary Ballads". Wir wissen nicht ein¬ mal, ob Moore in den Schoß der anglikanischen Kirche getreten ist, doch konnte es so scheinen, nach der vorwaltenden biblischen Färbung seiner Frömmigkeit. Daß er aber nicht gerade ein Bet¬ bruder geworden, zeigen seine häufigen satyrischen Momente, von denen die englischen Zeitungen manchmal Proben liefern, bald in derben Kniitclrcimen, bald in hüpfenden, daktylischen Strophen, die immer seine besonderen Lieblinge waren. Grcnjl'oder, Is46. I.27

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_181809/217>, abgerufen am 15.05.2024.