Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

sich versah, machte die feincombinirten Pläne alle mitsammt schei¬
tern- es war dies die Ankunft der Basilianerinnen in Rion, jener
unglücklichen Nonnen, deren Folter und Martyrthum an die ersten
Zeiten deö Cristcnthumö erinnern. Der Anblick solcher Grausam¬
keit, in einem Augenblicke wo das Haupt der griechischen Kirche
in Italien sich befand, änderte die ganze Stimmung der Kirchen-
fürsten und machte einen Querstrich durch die moöeovitische Berech¬
nung, die freilich auf einen solchen Zwischenfall nicht vorbereitet
war. Es wird behauptet, daß wenn der Czar von der Wirkung,
welche die gefolterten Nonnen in Rom hervorbrachten, im Voraus
Kenntniß gehabt hätte, sein Römerzug vollständig unterblieben wäre.
Aber erst während seines Aufenthalts in Palermo, wurde er von
dieser, der russischen Diplomatie so fatalen Incidenz unterrichtet,
und auch das nur in homöopathischer vorsichtiger Weise. Noch
hoffte man Alles von der siegenden Gewalt seiner Persönlichkeit; aber
nach der ersten Unterredung mit dem greisen Kirchenobcrhaupte ward
dem Kaiser die ganze Situation klar, und die Anstalten zur Abreise
wurden rasch gemacht. Einmal in Kenntniß von der Lage der
Dinge, behauptete der Czar seine Würde und suchte nicht durch
Concessionen seiner Politik ein Dementi zu geben. Der Cardinal
Lambruschini soll so wohl an den hiesigen Nuntius wie an andere
diplomatische Agenten geschrieben haben: it-l ne^An molto, pro
messo poco e s",a null", (er hat viel verweigert, wenig verspro¬
chen und wird gar nichts halten.) Diese römischen Scenen hatten,
mit Ausnahme ihrer Wirkung auf die öffentliche Meinung im All¬
gemeinen, keinen Einfluß auf die Politik des Wiener Hoff in der
erwähnten Heiratsfrage, und es war namentlich lächerlich, wenn
die englischen und deutschen Zeitungen stets aus die religiösen Ur¬
sachen hinwiesen und bald das Verlangen der kaiserlichen Familie,
die Prinzessin Olga solle katholisch werden, bald (was kaum ein
größerer Unsinn ist) der Erzherzog Stephan solle zur griechischen
Kirche übergehen und ein ganzes Dutzend ähnlicher Albernheiten
in den Vordergrund schoben. Als ob die politischen Motive, die
einer solchen Verbindung entgegenstunden, nicht ausreichend, nicht
hundert Mal wichtiger sind, als alle die religiösen, ohnehin nur
chimärischen Widerstände. Die Tochter deö Czaren am österrei¬
chischen Hofe wäre für alle Zukunft ein Banner für alle Intriguen


sich versah, machte die feincombinirten Pläne alle mitsammt schei¬
tern- es war dies die Ankunft der Basilianerinnen in Rion, jener
unglücklichen Nonnen, deren Folter und Martyrthum an die ersten
Zeiten deö Cristcnthumö erinnern. Der Anblick solcher Grausam¬
keit, in einem Augenblicke wo das Haupt der griechischen Kirche
in Italien sich befand, änderte die ganze Stimmung der Kirchen-
fürsten und machte einen Querstrich durch die moöeovitische Berech¬
nung, die freilich auf einen solchen Zwischenfall nicht vorbereitet
war. Es wird behauptet, daß wenn der Czar von der Wirkung,
welche die gefolterten Nonnen in Rom hervorbrachten, im Voraus
Kenntniß gehabt hätte, sein Römerzug vollständig unterblieben wäre.
Aber erst während seines Aufenthalts in Palermo, wurde er von
dieser, der russischen Diplomatie so fatalen Incidenz unterrichtet,
und auch das nur in homöopathischer vorsichtiger Weise. Noch
hoffte man Alles von der siegenden Gewalt seiner Persönlichkeit; aber
nach der ersten Unterredung mit dem greisen Kirchenobcrhaupte ward
dem Kaiser die ganze Situation klar, und die Anstalten zur Abreise
wurden rasch gemacht. Einmal in Kenntniß von der Lage der
Dinge, behauptete der Czar seine Würde und suchte nicht durch
Concessionen seiner Politik ein Dementi zu geben. Der Cardinal
Lambruschini soll so wohl an den hiesigen Nuntius wie an andere
diplomatische Agenten geschrieben haben: it-l ne^An molto, pro
messo poco e s»,a null», (er hat viel verweigert, wenig verspro¬
chen und wird gar nichts halten.) Diese römischen Scenen hatten,
mit Ausnahme ihrer Wirkung auf die öffentliche Meinung im All¬
gemeinen, keinen Einfluß auf die Politik des Wiener Hoff in der
erwähnten Heiratsfrage, und es war namentlich lächerlich, wenn
die englischen und deutschen Zeitungen stets aus die religiösen Ur¬
sachen hinwiesen und bald das Verlangen der kaiserlichen Familie,
die Prinzessin Olga solle katholisch werden, bald (was kaum ein
größerer Unsinn ist) der Erzherzog Stephan solle zur griechischen
Kirche übergehen und ein ganzes Dutzend ähnlicher Albernheiten
in den Vordergrund schoben. Als ob die politischen Motive, die
einer solchen Verbindung entgegenstunden, nicht ausreichend, nicht
hundert Mal wichtiger sind, als alle die religiösen, ohnehin nur
chimärischen Widerstände. Die Tochter deö Czaren am österrei¬
chischen Hofe wäre für alle Zukunft ein Banner für alle Intriguen


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0274" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/182084"/>
          <p xml:id="ID_610" prev="#ID_609" next="#ID_611"> sich versah, machte die feincombinirten Pläne alle mitsammt schei¬<lb/>
tern- es war dies die Ankunft der Basilianerinnen in Rion, jener<lb/>
unglücklichen Nonnen, deren Folter und Martyrthum an die ersten<lb/>
Zeiten deö Cristcnthumö erinnern. Der Anblick solcher Grausam¬<lb/>
keit, in einem Augenblicke wo das Haupt der griechischen Kirche<lb/>
in Italien sich befand, änderte die ganze Stimmung der Kirchen-<lb/>
fürsten und machte einen Querstrich durch die moöeovitische Berech¬<lb/>
nung, die freilich auf einen solchen Zwischenfall nicht vorbereitet<lb/>
war. Es wird behauptet, daß wenn der Czar von der Wirkung,<lb/>
welche die gefolterten Nonnen in Rom hervorbrachten, im Voraus<lb/>
Kenntniß gehabt hätte, sein Römerzug vollständig unterblieben wäre.<lb/>
Aber erst während seines Aufenthalts in Palermo, wurde er von<lb/>
dieser, der russischen Diplomatie so fatalen Incidenz unterrichtet,<lb/>
und auch das nur in homöopathischer vorsichtiger Weise. Noch<lb/>
hoffte man Alles von der siegenden Gewalt seiner Persönlichkeit; aber<lb/>
nach der ersten Unterredung mit dem greisen Kirchenobcrhaupte ward<lb/>
dem Kaiser die ganze Situation klar, und die Anstalten zur Abreise<lb/>
wurden rasch gemacht. Einmal in Kenntniß von der Lage der<lb/>
Dinge, behauptete der Czar seine Würde und suchte nicht durch<lb/>
Concessionen seiner Politik ein Dementi zu geben. Der Cardinal<lb/>
Lambruschini soll so wohl an den hiesigen Nuntius wie an andere<lb/>
diplomatische Agenten geschrieben haben: it-l ne^An molto, pro<lb/>
messo poco e s»,a null», (er hat viel verweigert, wenig verspro¬<lb/>
chen und wird gar nichts halten.) Diese römischen Scenen hatten,<lb/>
mit Ausnahme ihrer Wirkung auf die öffentliche Meinung im All¬<lb/>
gemeinen, keinen Einfluß auf die Politik des Wiener Hoff in der<lb/>
erwähnten Heiratsfrage, und es war namentlich lächerlich, wenn<lb/>
die englischen und deutschen Zeitungen stets aus die religiösen Ur¬<lb/>
sachen hinwiesen und bald das Verlangen der kaiserlichen Familie,<lb/>
die Prinzessin Olga solle katholisch werden, bald (was kaum ein<lb/>
größerer Unsinn ist) der Erzherzog Stephan solle zur griechischen<lb/>
Kirche übergehen und ein ganzes Dutzend ähnlicher Albernheiten<lb/>
in den Vordergrund schoben. Als ob die politischen Motive, die<lb/>
einer solchen Verbindung entgegenstunden, nicht ausreichend, nicht<lb/>
hundert Mal wichtiger sind, als alle die religiösen, ohnehin nur<lb/>
chimärischen Widerstände. Die Tochter deö Czaren am österrei¬<lb/>
chischen Hofe wäre für alle Zukunft ein Banner für alle Intriguen</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0274] sich versah, machte die feincombinirten Pläne alle mitsammt schei¬ tern- es war dies die Ankunft der Basilianerinnen in Rion, jener unglücklichen Nonnen, deren Folter und Martyrthum an die ersten Zeiten deö Cristcnthumö erinnern. Der Anblick solcher Grausam¬ keit, in einem Augenblicke wo das Haupt der griechischen Kirche in Italien sich befand, änderte die ganze Stimmung der Kirchen- fürsten und machte einen Querstrich durch die moöeovitische Berech¬ nung, die freilich auf einen solchen Zwischenfall nicht vorbereitet war. Es wird behauptet, daß wenn der Czar von der Wirkung, welche die gefolterten Nonnen in Rom hervorbrachten, im Voraus Kenntniß gehabt hätte, sein Römerzug vollständig unterblieben wäre. Aber erst während seines Aufenthalts in Palermo, wurde er von dieser, der russischen Diplomatie so fatalen Incidenz unterrichtet, und auch das nur in homöopathischer vorsichtiger Weise. Noch hoffte man Alles von der siegenden Gewalt seiner Persönlichkeit; aber nach der ersten Unterredung mit dem greisen Kirchenobcrhaupte ward dem Kaiser die ganze Situation klar, und die Anstalten zur Abreise wurden rasch gemacht. Einmal in Kenntniß von der Lage der Dinge, behauptete der Czar seine Würde und suchte nicht durch Concessionen seiner Politik ein Dementi zu geben. Der Cardinal Lambruschini soll so wohl an den hiesigen Nuntius wie an andere diplomatische Agenten geschrieben haben: it-l ne^An molto, pro messo poco e s»,a null», (er hat viel verweigert, wenig verspro¬ chen und wird gar nichts halten.) Diese römischen Scenen hatten, mit Ausnahme ihrer Wirkung auf die öffentliche Meinung im All¬ gemeinen, keinen Einfluß auf die Politik des Wiener Hoff in der erwähnten Heiratsfrage, und es war namentlich lächerlich, wenn die englischen und deutschen Zeitungen stets aus die religiösen Ur¬ sachen hinwiesen und bald das Verlangen der kaiserlichen Familie, die Prinzessin Olga solle katholisch werden, bald (was kaum ein größerer Unsinn ist) der Erzherzog Stephan solle zur griechischen Kirche übergehen und ein ganzes Dutzend ähnlicher Albernheiten in den Vordergrund schoben. Als ob die politischen Motive, die einer solchen Verbindung entgegenstunden, nicht ausreichend, nicht hundert Mal wichtiger sind, als alle die religiösen, ohnehin nur chimärischen Widerstände. Die Tochter deö Czaren am österrei¬ chischen Hofe wäre für alle Zukunft ein Banner für alle Intriguen

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_181809
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_181809/274
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_181809/274>, abgerufen am 15.05.2024.