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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. I. Band.

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ser Herr Eiragne ist tlluliui-l; in Carlsruhe, und eS wird ihm daher
dort in der Person des Herrn von Langendorf ein ini">rimiiu>iro ge¬
stellt. Und dieß Alles, damit die Personen, die von der Nation be¬
zahlt werden, um in diesem oder jenem Lande ihre Interessen zu ver¬
treten, hier in Paris dem Minister ihr Votum geben, von dem sie
abhängen! Muß man nun aber schon von derlei Mummereien und
närrischen Maskeraden sprechen -- dann ist der l'"j>"!ri>, und
der h-ü Oili":"nI mit seinen Debardeurs und Polichinellen doch we¬
nigstens amüsanter. Da erzählt man sich z. B. heute ein treffliches
Wort von der rvinv i^omilr", jener famosen Venuspriesterin, die
seit einem Jahre die Modegöttin unsererer Dandies ist. Es war näm¬
lich vorgestern Armenball im ersten Arrondissemcnr. In Mitte der
züchtigen Bürgerstochter, die von den Augen getreuer Mütter bewacht,
ihre schüchternen Quadrillen tanzten, sah man auch ein junges schlan¬
kes Weib in blauem Kleide mit schwarzen Locken, die durch die fröh¬
liche Wuth, mit der sie alle Cotillons, Mazurkas, Walzer, Polkas
mittanzte, auffiel. Wer ist die junge Frau? fragte man leise. --
Wie, Sie kennen Sie nicht? Das ist . . . Alle Heiligen! Da darf
ja eine ehrliche Frau nicht dableiben -- da kann man ja seine Tochter
nicht weiter tanzen lassen. In solcher Gesellschaft! -- Davon muß
man den Polizeicommissar unterrichten ... Als der Cotillon zu
Ende war, trat der Eommissär in der That zu der blauen Tänzerin
und kündigte ihr in höflichen Worten das Ultimatum der Damen an.
Pomarv verneigt sich mit einem graciösen Lächeln: Dieser Ball ist
zu Gunsten der Armen veranstaltet, sind etwa nicht alle Gaben gleich
der Armuth gegenüber? -- Heute berichten alle Journale diese Ant¬
wort, als wäre es ein politisches Ereignis).

Also von Ballen. Ich habe Ihnen vorige Woche von einer
Soiree bei Jules Janin geschrieben; ein viel glänzenderes Seitenstück
sah ich einige Tage darauf mit eigenen Augen: es war der erste Ball
bei Leon Pittae, dem Director der großen Oper. Arme deutsche Thea¬
terintendanten! Dieser gute Herr von Küstner auf dem Gensdarmen-
markt in Berlin, feine kleinen Diners sind gar nicht übel, dieser kluge
Herr von Holbein in Wien, der Niemand einladet, selbst Se. Excel¬
lenz der Herr Graf Dietrichstein, Seine Excellenz der Herr von Lüt-
tichau in Dresden und wie ihre Namen alle sind von dem geizigen
Schneider - Jenen-essin-lo Balloisini in Wien bis zu dem honetten Aes-
culap- Director Dr. Schmidt in Leipzig -- Hieher müssen Sie kom¬
men, meine Herrschaften, um die Macht und die Herrlichkeit eines
Theaterdirectors kennen zu lernen! Eine solche Gesellschaft wie bei
Leon Pillet, ist in der That nur in Paris zusammen zu finden, denn
ein Viertheil dieser Personen hat europäische Celebrität. Ich spreche
nicht von den singenden und tanzenden Theatergöttern, von der feuri¬
gen Stoltz (der Gebieterin des Hausherrn), von der graciösen Car-


ser Herr Eiragne ist tlluliui-l; in Carlsruhe, und eS wird ihm daher
dort in der Person des Herrn von Langendorf ein ini«>rimiiu>iro ge¬
stellt. Und dieß Alles, damit die Personen, die von der Nation be¬
zahlt werden, um in diesem oder jenem Lande ihre Interessen zu ver¬
treten, hier in Paris dem Minister ihr Votum geben, von dem sie
abhängen! Muß man nun aber schon von derlei Mummereien und
närrischen Maskeraden sprechen — dann ist der l'»j>«!ri>, und
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nigstens amüsanter. Da erzählt man sich z. B. heute ein treffliches
Wort von der rvinv i^omilr«, jener famosen Venuspriesterin, die
seit einem Jahre die Modegöttin unsererer Dandies ist. Es war näm¬
lich vorgestern Armenball im ersten Arrondissemcnr. In Mitte der
züchtigen Bürgerstochter, die von den Augen getreuer Mütter bewacht,
ihre schüchternen Quadrillen tanzten, sah man auch ein junges schlan¬
kes Weib in blauem Kleide mit schwarzen Locken, die durch die fröh¬
liche Wuth, mit der sie alle Cotillons, Mazurkas, Walzer, Polkas
mittanzte, auffiel. Wer ist die junge Frau? fragte man leise. —
Wie, Sie kennen Sie nicht? Das ist . . . Alle Heiligen! Da darf
ja eine ehrliche Frau nicht dableiben — da kann man ja seine Tochter
nicht weiter tanzen lassen. In solcher Gesellschaft! — Davon muß
man den Polizeicommissar unterrichten ... Als der Cotillon zu
Ende war, trat der Eommissär in der That zu der blauen Tänzerin
und kündigte ihr in höflichen Worten das Ultimatum der Damen an.
Pomarv verneigt sich mit einem graciösen Lächeln: Dieser Ball ist
zu Gunsten der Armen veranstaltet, sind etwa nicht alle Gaben gleich
der Armuth gegenüber? — Heute berichten alle Journale diese Ant¬
wort, als wäre es ein politisches Ereignis).

Also von Ballen. Ich habe Ihnen vorige Woche von einer
Soiree bei Jules Janin geschrieben; ein viel glänzenderes Seitenstück
sah ich einige Tage darauf mit eigenen Augen: es war der erste Ball
bei Leon Pittae, dem Director der großen Oper. Arme deutsche Thea¬
terintendanten! Dieser gute Herr von Küstner auf dem Gensdarmen-
markt in Berlin, feine kleinen Diners sind gar nicht übel, dieser kluge
Herr von Holbein in Wien, der Niemand einladet, selbst Se. Excel¬
lenz der Herr Graf Dietrichstein, Seine Excellenz der Herr von Lüt-
tichau in Dresden und wie ihre Namen alle sind von dem geizigen
Schneider - Jenen-essin-lo Balloisini in Wien bis zu dem honetten Aes-
culap- Director Dr. Schmidt in Leipzig — Hieher müssen Sie kom¬
men, meine Herrschaften, um die Macht und die Herrlichkeit eines
Theaterdirectors kennen zu lernen! Eine solche Gesellschaft wie bei
Leon Pillet, ist in der That nur in Paris zusammen zu finden, denn
ein Viertheil dieser Personen hat europäische Celebrität. Ich spreche
nicht von den singenden und tanzenden Theatergöttern, von der feuri¬
gen Stoltz (der Gebieterin des Hausherrn), von der graciösen Car-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_181809/279>, abgerufen am 31.05.2024.