Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

in keiner Weise Vorschub leisten können. Mehr als jemals stellt
sich jetzt das dringende Bedürfniß eines auf der Basis moralischen
Ernstes gegründeten, strengeren Schuldengesetzcs heraus, denn die jetzt
geltenden legislativen Normen gewahren der Gewissenlosigkeit und
dem Leichtsinn ein viel zu offenes Feld, indeß die Rechtschaffenheit
und kaufmännische Solidität in's Elend wandern muß; um solchen
Preis sind die commercielle Raschheit, die leichte Geldcirculation doch
jedenfalls zu theuer erkauft!

In Hinsicht der Wcbernoth im Gebirge geht Böhmen und Mäh¬
ren dem intelligenten Preußen, das seine Sprechlust nicht vor dem,
Stillstand bewahrt, auf beschämende Weise voran, denn während in
Schlesien es immer bei Anregungen und Vereinspläncn bleibt*), hat
sich hier unter dem Vorsitz des Erzherzogs schnell ein Verein zur Un¬
terstützung der Handspinner gebildet, der bereits IVMl) Mitglieder
zahlt, und über bedeutende Summen verfügen kann. Es werden von
ihm bei den unbeschäftigten Spinnern starke Bestellungen gemacht,
wozu ihnen der Flachs zum Ankaufspreise überlassen wird, so daß
den fleißigen Arbeitern stets ein angemessener Lohn gesichert ist. Das
Centralcomit", das hier seinen Sitz hat und von mehreren Filialco-
mitv'S unterstützt wird, die in den meisten Städten des Landes er¬
richtet wurden, entfaltet eine lobenswerthe Thätigkeit und er¬
wirbt sich damit kein geringes Verdienst um den Staat. Noch
umfassender und gründlicher will sich die Aufgabe darstellen,
die man in Mähren zu lösen sucht, wo der Gutsbesitzer Nad-
herny einen westphälischen Spinnmeister kommen ließ, der Spinnlch-
rer bildet, die dann wieder in den verschiedenen Ortschaften des Ge-
birgs Spinnschulen stiften, in welchen die heranwachsende Generation
sowohl als die älteren Leute ihr Handwerk veredeln und sich die Fort¬
schritte dieses Jndustriezweiges aneignen können. Um die inländische
Leinwandfabrication wieder zum Träger der Handspinnerei zu erheben,
sollen in Bälde strenge Bestimmungen von Seite der k. k. allgemei¬
nen Hofßammer zu erwarten sein, durch die die Leinwandfabrikanten an¬
gewiesen werden, ihre Producte mit Ursprungszeugnissen zu bekräfti¬
gen, damit in Zukunft Malchinengarn nicht mehr für Handgcspinnst
in den Verkehr gebracht werden könne und die Nachfrage um Letzte¬
res den armen Webern zu Statten komme.



*) Unser Prager Korrespondent befindet sich hinsichts dessen, was in Be¬
zug auf die schlesischen Weber preußischer Seits geschehen, im Irrthum. Die
schlesischen Zeitungen haben von Zeit zu Zeit Bericht über bedeutende Vorkeh¬
rungen zur Hebung der Spinnerei und Weberei gegeben. Wir ersuchen jetzt
unsern Berliner Korrespondenten um baldige Einlösung seines Versprechens
,
D. Red. uns Näheres über diese Angelegenheit mitzutheilen.

in keiner Weise Vorschub leisten können. Mehr als jemals stellt
sich jetzt das dringende Bedürfniß eines auf der Basis moralischen
Ernstes gegründeten, strengeren Schuldengesetzcs heraus, denn die jetzt
geltenden legislativen Normen gewahren der Gewissenlosigkeit und
dem Leichtsinn ein viel zu offenes Feld, indeß die Rechtschaffenheit
und kaufmännische Solidität in's Elend wandern muß; um solchen
Preis sind die commercielle Raschheit, die leichte Geldcirculation doch
jedenfalls zu theuer erkauft!

In Hinsicht der Wcbernoth im Gebirge geht Böhmen und Mäh¬
ren dem intelligenten Preußen, das seine Sprechlust nicht vor dem,
Stillstand bewahrt, auf beschämende Weise voran, denn während in
Schlesien es immer bei Anregungen und Vereinspläncn bleibt*), hat
sich hier unter dem Vorsitz des Erzherzogs schnell ein Verein zur Un¬
terstützung der Handspinner gebildet, der bereits IVMl) Mitglieder
zahlt, und über bedeutende Summen verfügen kann. Es werden von
ihm bei den unbeschäftigten Spinnern starke Bestellungen gemacht,
wozu ihnen der Flachs zum Ankaufspreise überlassen wird, so daß
den fleißigen Arbeitern stets ein angemessener Lohn gesichert ist. Das
Centralcomit«, das hier seinen Sitz hat und von mehreren Filialco-
mitv'S unterstützt wird, die in den meisten Städten des Landes er¬
richtet wurden, entfaltet eine lobenswerthe Thätigkeit und er¬
wirbt sich damit kein geringes Verdienst um den Staat. Noch
umfassender und gründlicher will sich die Aufgabe darstellen,
die man in Mähren zu lösen sucht, wo der Gutsbesitzer Nad-
herny einen westphälischen Spinnmeister kommen ließ, der Spinnlch-
rer bildet, die dann wieder in den verschiedenen Ortschaften des Ge-
birgs Spinnschulen stiften, in welchen die heranwachsende Generation
sowohl als die älteren Leute ihr Handwerk veredeln und sich die Fort¬
schritte dieses Jndustriezweiges aneignen können. Um die inländische
Leinwandfabrication wieder zum Träger der Handspinnerei zu erheben,
sollen in Bälde strenge Bestimmungen von Seite der k. k. allgemei¬
nen Hofßammer zu erwarten sein, durch die die Leinwandfabrikanten an¬
gewiesen werden, ihre Producte mit Ursprungszeugnissen zu bekräfti¬
gen, damit in Zukunft Malchinengarn nicht mehr für Handgcspinnst
in den Verkehr gebracht werden könne und die Nachfrage um Letzte¬
res den armen Webern zu Statten komme.



*) Unser Prager Korrespondent befindet sich hinsichts dessen, was in Be¬
zug auf die schlesischen Weber preußischer Seits geschehen, im Irrthum. Die
schlesischen Zeitungen haben von Zeit zu Zeit Bericht über bedeutende Vorkeh¬
rungen zur Hebung der Spinnerei und Weberei gegeben. Wir ersuchen jetzt
unsern Berliner Korrespondenten um baldige Einlösung seines Versprechens
,
D. Red. uns Näheres über diese Angelegenheit mitzutheilen.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0285" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/182095"/>
            <p xml:id="ID_630" prev="#ID_629"> in keiner Weise Vorschub leisten können. Mehr als jemals stellt<lb/>
sich jetzt das dringende Bedürfniß eines auf der Basis moralischen<lb/>
Ernstes gegründeten, strengeren Schuldengesetzcs heraus, denn die jetzt<lb/>
geltenden legislativen Normen gewahren der Gewissenlosigkeit und<lb/>
dem Leichtsinn ein viel zu offenes Feld, indeß die Rechtschaffenheit<lb/>
und kaufmännische Solidität in's Elend wandern muß; um solchen<lb/>
Preis sind die commercielle Raschheit, die leichte Geldcirculation doch<lb/>
jedenfalls zu theuer erkauft!</p><lb/>
            <p xml:id="ID_631"> In Hinsicht der Wcbernoth im Gebirge geht Böhmen und Mäh¬<lb/>
ren dem intelligenten Preußen, das seine Sprechlust nicht vor dem,<lb/>
Stillstand bewahrt, auf beschämende Weise voran, denn während in<lb/>
Schlesien es immer bei Anregungen und Vereinspläncn bleibt*), hat<lb/>
sich hier unter dem Vorsitz des Erzherzogs schnell ein Verein zur Un¬<lb/>
terstützung der Handspinner gebildet, der bereits IVMl) Mitglieder<lb/>
zahlt, und über bedeutende Summen verfügen kann. Es werden von<lb/>
ihm bei den unbeschäftigten Spinnern starke Bestellungen gemacht,<lb/>
wozu ihnen der Flachs zum Ankaufspreise überlassen wird, so daß<lb/>
den fleißigen Arbeitern stets ein angemessener Lohn gesichert ist. Das<lb/>
Centralcomit«, das hier seinen Sitz hat und von mehreren Filialco-<lb/>
mitv'S unterstützt wird, die in den meisten Städten des Landes er¬<lb/>
richtet wurden, entfaltet eine lobenswerthe Thätigkeit und er¬<lb/>
wirbt sich damit kein geringes Verdienst um den Staat. Noch<lb/>
umfassender und gründlicher will sich die Aufgabe darstellen,<lb/>
die man in Mähren zu lösen sucht, wo der Gutsbesitzer Nad-<lb/>
herny einen westphälischen Spinnmeister kommen ließ, der Spinnlch-<lb/>
rer bildet, die dann wieder in den verschiedenen Ortschaften des Ge-<lb/>
birgs Spinnschulen stiften, in welchen die heranwachsende Generation<lb/>
sowohl als die älteren Leute ihr Handwerk veredeln und sich die Fort¬<lb/>
schritte dieses Jndustriezweiges aneignen können. Um die inländische<lb/>
Leinwandfabrication wieder zum Träger der Handspinnerei zu erheben,<lb/>
sollen in Bälde strenge Bestimmungen von Seite der k. k. allgemei¬<lb/>
nen Hofßammer zu erwarten sein, durch die die Leinwandfabrikanten an¬<lb/>
gewiesen werden, ihre Producte mit Ursprungszeugnissen zu bekräfti¬<lb/>
gen, damit in Zukunft Malchinengarn nicht mehr für Handgcspinnst<lb/>
in den Verkehr gebracht werden könne und die Nachfrage um Letzte¬<lb/>
res den armen Webern zu Statten komme.</p><lb/>
            <note xml:id="FID_8" place="foot"> *) Unser Prager Korrespondent befindet sich hinsichts dessen, was in Be¬<lb/>
zug auf die schlesischen Weber preußischer Seits geschehen, im Irrthum. Die<lb/>
schlesischen Zeitungen haben von Zeit zu Zeit Bericht über bedeutende Vorkeh¬<lb/>
rungen zur Hebung der Spinnerei und Weberei gegeben. Wir ersuchen jetzt<lb/>
unsern Berliner Korrespondenten um baldige Einlösung seines Versprechens<lb/><note type="byline"> ,<lb/>
D. Red.</note> uns Näheres über diese Angelegenheit mitzutheilen. </note><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0285] in keiner Weise Vorschub leisten können. Mehr als jemals stellt sich jetzt das dringende Bedürfniß eines auf der Basis moralischen Ernstes gegründeten, strengeren Schuldengesetzcs heraus, denn die jetzt geltenden legislativen Normen gewahren der Gewissenlosigkeit und dem Leichtsinn ein viel zu offenes Feld, indeß die Rechtschaffenheit und kaufmännische Solidität in's Elend wandern muß; um solchen Preis sind die commercielle Raschheit, die leichte Geldcirculation doch jedenfalls zu theuer erkauft! In Hinsicht der Wcbernoth im Gebirge geht Böhmen und Mäh¬ ren dem intelligenten Preußen, das seine Sprechlust nicht vor dem, Stillstand bewahrt, auf beschämende Weise voran, denn während in Schlesien es immer bei Anregungen und Vereinspläncn bleibt*), hat sich hier unter dem Vorsitz des Erzherzogs schnell ein Verein zur Un¬ terstützung der Handspinner gebildet, der bereits IVMl) Mitglieder zahlt, und über bedeutende Summen verfügen kann. Es werden von ihm bei den unbeschäftigten Spinnern starke Bestellungen gemacht, wozu ihnen der Flachs zum Ankaufspreise überlassen wird, so daß den fleißigen Arbeitern stets ein angemessener Lohn gesichert ist. Das Centralcomit«, das hier seinen Sitz hat und von mehreren Filialco- mitv'S unterstützt wird, die in den meisten Städten des Landes er¬ richtet wurden, entfaltet eine lobenswerthe Thätigkeit und er¬ wirbt sich damit kein geringes Verdienst um den Staat. Noch umfassender und gründlicher will sich die Aufgabe darstellen, die man in Mähren zu lösen sucht, wo der Gutsbesitzer Nad- herny einen westphälischen Spinnmeister kommen ließ, der Spinnlch- rer bildet, die dann wieder in den verschiedenen Ortschaften des Ge- birgs Spinnschulen stiften, in welchen die heranwachsende Generation sowohl als die älteren Leute ihr Handwerk veredeln und sich die Fort¬ schritte dieses Jndustriezweiges aneignen können. Um die inländische Leinwandfabrication wieder zum Träger der Handspinnerei zu erheben, sollen in Bälde strenge Bestimmungen von Seite der k. k. allgemei¬ nen Hofßammer zu erwarten sein, durch die die Leinwandfabrikanten an¬ gewiesen werden, ihre Producte mit Ursprungszeugnissen zu bekräfti¬ gen, damit in Zukunft Malchinengarn nicht mehr für Handgcspinnst in den Verkehr gebracht werden könne und die Nachfrage um Letzte¬ res den armen Webern zu Statten komme. *) Unser Prager Korrespondent befindet sich hinsichts dessen, was in Be¬ zug auf die schlesischen Weber preußischer Seits geschehen, im Irrthum. Die schlesischen Zeitungen haben von Zeit zu Zeit Bericht über bedeutende Vorkeh¬ rungen zur Hebung der Spinnerei und Weberei gegeben. Wir ersuchen jetzt unsern Berliner Korrespondenten um baldige Einlösung seines Versprechens , D. Red. uns Näheres über diese Angelegenheit mitzutheilen.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_181809
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_181809/285
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_181809/285>, abgerufen am 15.05.2024.