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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. I. Band.

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eben und will nicht weiter rücken von diesem Standpunkte des Ge¬
müthes auf den höheren der geistigen Kritik. Er will acht, sage
ich; daß er es könnte, braucht man nicht lange zu beweisen, man
braucht sich nur an eine Strophe seines Gedichtes an Wien zu
erinnern:


Schön bist du, doch gefährlich auch,
Dem Schüler wie dem Meister;
Enrnervend weht dein Sommcrhciuch,
Du Capua der Geister.

Aber die glänzende Lobrede des schönen Oesterreicher Landes,
die er ven Ottokar von Hornet in den Mund gelegt, hat er ge¬
wiß lieber niedergeschrieben.

Daß sich in neuerer und neuester Zeit Viele über diesen Grillpar-
zerischen Standpunkt hinausschwangen, darf nicht wundern; es war
eben in der neueren und neuesten Zeit, und diese Vielen endlich sind
weniger eigentliche Oesterreicher, als vielmehr entweder feurige Ungarn
oder skeptische Böhmen. Der eigentliche Oesterreicher wird noch lange
zu den Füßen seiner Großmutter kindlich und kindisch tändeln. Komisch
sind nur die Nachbeter Grillparzer's, die ohne dieses poetische
Gefühl, ohne diese Pietät für die Heimat und ihre Schwächen,
jedes politische Aufstreben, jede Lust nach einer Reformation verach¬
ten, selbst an Jahren jung auf die weiterstrebende Jugend stolz her¬
absehen, und nichts als träge oder bornirt sind, eben so wi<sie als
Nachahmer Grillparzers ohne seine tiefe classische Bildung, ohne
seine große Conception, ohne seine Romantik äußerlich glänzend,
innerlich hohl und lächerlich sind. Unter ihnen steht Grillparzer
wie ein gefesselter Held da, während sie selbst ärmlichen Arrestan¬
ten ähnlich sind, oder wie ein Sohn, der am Krankenlager seiner
Mutter wacht, während sie nichts als besoldete, gedankenlose Wär¬
ter sind.




eben und will nicht weiter rücken von diesem Standpunkte des Ge¬
müthes auf den höheren der geistigen Kritik. Er will acht, sage
ich; daß er es könnte, braucht man nicht lange zu beweisen, man
braucht sich nur an eine Strophe seines Gedichtes an Wien zu
erinnern:


Schön bist du, doch gefährlich auch,
Dem Schüler wie dem Meister;
Enrnervend weht dein Sommcrhciuch,
Du Capua der Geister.

Aber die glänzende Lobrede des schönen Oesterreicher Landes,
die er ven Ottokar von Hornet in den Mund gelegt, hat er ge¬
wiß lieber niedergeschrieben.

Daß sich in neuerer und neuester Zeit Viele über diesen Grillpar-
zerischen Standpunkt hinausschwangen, darf nicht wundern; es war
eben in der neueren und neuesten Zeit, und diese Vielen endlich sind
weniger eigentliche Oesterreicher, als vielmehr entweder feurige Ungarn
oder skeptische Böhmen. Der eigentliche Oesterreicher wird noch lange
zu den Füßen seiner Großmutter kindlich und kindisch tändeln. Komisch
sind nur die Nachbeter Grillparzer's, die ohne dieses poetische
Gefühl, ohne diese Pietät für die Heimat und ihre Schwächen,
jedes politische Aufstreben, jede Lust nach einer Reformation verach¬
ten, selbst an Jahren jung auf die weiterstrebende Jugend stolz her¬
absehen, und nichts als träge oder bornirt sind, eben so wi<sie als
Nachahmer Grillparzers ohne seine tiefe classische Bildung, ohne
seine große Conception, ohne seine Romantik äußerlich glänzend,
innerlich hohl und lächerlich sind. Unter ihnen steht Grillparzer
wie ein gefesselter Held da, während sie selbst ärmlichen Arrestan¬
ten ähnlich sind, oder wie ein Sohn, der am Krankenlager seiner
Mutter wacht, während sie nichts als besoldete, gedankenlose Wär¬
ter sind.




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[0326] eben und will nicht weiter rücken von diesem Standpunkte des Ge¬ müthes auf den höheren der geistigen Kritik. Er will acht, sage ich; daß er es könnte, braucht man nicht lange zu beweisen, man braucht sich nur an eine Strophe seines Gedichtes an Wien zu erinnern: Schön bist du, doch gefährlich auch, Dem Schüler wie dem Meister; Enrnervend weht dein Sommcrhciuch, Du Capua der Geister. Aber die glänzende Lobrede des schönen Oesterreicher Landes, die er ven Ottokar von Hornet in den Mund gelegt, hat er ge¬ wiß lieber niedergeschrieben. Daß sich in neuerer und neuester Zeit Viele über diesen Grillpar- zerischen Standpunkt hinausschwangen, darf nicht wundern; es war eben in der neueren und neuesten Zeit, und diese Vielen endlich sind weniger eigentliche Oesterreicher, als vielmehr entweder feurige Ungarn oder skeptische Böhmen. Der eigentliche Oesterreicher wird noch lange zu den Füßen seiner Großmutter kindlich und kindisch tändeln. Komisch sind nur die Nachbeter Grillparzer's, die ohne dieses poetische Gefühl, ohne diese Pietät für die Heimat und ihre Schwächen, jedes politische Aufstreben, jede Lust nach einer Reformation verach¬ ten, selbst an Jahren jung auf die weiterstrebende Jugend stolz her¬ absehen, und nichts als träge oder bornirt sind, eben so wi<sie als Nachahmer Grillparzers ohne seine tiefe classische Bildung, ohne seine große Conception, ohne seine Romantik äußerlich glänzend, innerlich hohl und lächerlich sind. Unter ihnen steht Grillparzer wie ein gefesselter Held da, während sie selbst ärmlichen Arrestan¬ ten ähnlich sind, oder wie ein Sohn, der am Krankenlager seiner Mutter wacht, während sie nichts als besoldete, gedankenlose Wär¬ ter sind.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_181809/326>, abgerufen am 14.05.2024.