Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

andern wälschen Süßigkeiten versetzt, selten von reinem Feuer ausge¬
kocht und schlechter als ihr Ruf sind, geht es heut zu Tage selbst
im protestantischen Deutschland nicht mehr. O, glaube mir, der
Schmerzliches erfahren, selbst unser berühmter Zccherkönig von Thule,
dem nichts über den Becher ging, und der als Gothischer König
einen classischer" Geschmack haben sollte, liebt diese in.er)'",-"." mehr
als gut ist für sein nüchternes, nordländisches Reich.

Da du aber doch so ehrgeizig bist, und noch jetzt, wie zu
Anfang meiner Rede, genial weiter tobst, so will ich dir einen Rath
geben und dir den Weg zeigen, auf welchem du zu deinem Ziele
und zu glänzendem Ruhme gelangen kannst. Die Geologie, wie die
Menschen unsere Psychologie und Physiologie nennen, sagt, daß wir
eigentlich mit der ganzen Erde zusammenhangen, und es nur Anfall
ist, wenn wir uns eben da oder dort offenbaren. Wie wäre es,
wenn du deinen einsamen Standpunkt auf dieser öden Insel ver¬
ließest, und irgendwo mitten in der civilisirten Welt zum Vorschein
kämest, z. B. auf dem Kreuzberge bei Berlin? -- Es wird dich
wenig Mühe kosten, den mit Noth dort zusammengehäuften Sand
zu durchbrechen. Dann wirf deine Steine und deine Lava "über
Alles hinaus," und du bist gerettet; dein Name wird ewig fort¬
glänzen in der Geschichte, wie der Name eines Hegelianers. Da
wir glücklicher Weise, trotz unserer germanischen Wurzeln, nicht zur
deutschen Einheit gehören, wird man dich als isländischen Deputa¬
ten nicht so leicht fortschaffen können, wie etwa einen badischen.
Man wird dich also zu gewinnen suchen, du kannst noch Hofdemagog
oder Hofrall) werden. Förster wird dich besingen und der Rheinische
Beobachter wird dich als einen, der den rechten Weg gefunden, loben
und preisen. O Freund, unsere Zeit hat zwar keine Mausoleen
oder olympische Lorbeerkränze, aber sie hat noch Professoren, die
solche negative Verdienste zu loben wissen. Ja! Negation hat die
Stelle der alten Tugenden, der Wirksamkeit, der Aufopferungslust
abgelöst. Bist du ein Eonscrvativer und guter Unterthan, so brauchst du
nur Nichts zu thun, um einen edlen wohlmeinenden Staatsbürger
vorzustellen! bist du ein Liberaler, so hast du dieses Nichtsthun, das
wirklich nichts ist als ein (Ittlco t^r niento, nur zu negiren, um
ein Held, ein, zweiter Curtius und Brutus zu werden. Verachtest
du aber beides, -- was ich, offenherzig gesagt, deiner edlen Seele
zutraue, -- so schweige, schreie mir nicht die Ohren voll, und mache
dich nicht lächerlich, wie Lamartine in seiner "erhabenen" Einsam¬
keit, oder wie ein auf preußische Verfassungen Hossender, oder wie
Einer, der in Deutschland vom Selfgouvernement spricht. Ziehe dich
schweigend in dich selbst zurück, wie es in unserer Zeit auch andere
feuerspeiende Berge, z. B. Börne und Hütten thun würden, und
wie ick) eS selbst thue, ich dein wohlmeinender Freund Krabla.


andern wälschen Süßigkeiten versetzt, selten von reinem Feuer ausge¬
kocht und schlechter als ihr Ruf sind, geht es heut zu Tage selbst
im protestantischen Deutschland nicht mehr. O, glaube mir, der
Schmerzliches erfahren, selbst unser berühmter Zccherkönig von Thule,
dem nichts über den Becher ging, und der als Gothischer König
einen classischer» Geschmack haben sollte, liebt diese in.er)'»,-«.» mehr
als gut ist für sein nüchternes, nordländisches Reich.

Da du aber doch so ehrgeizig bist, und noch jetzt, wie zu
Anfang meiner Rede, genial weiter tobst, so will ich dir einen Rath
geben und dir den Weg zeigen, auf welchem du zu deinem Ziele
und zu glänzendem Ruhme gelangen kannst. Die Geologie, wie die
Menschen unsere Psychologie und Physiologie nennen, sagt, daß wir
eigentlich mit der ganzen Erde zusammenhangen, und es nur Anfall
ist, wenn wir uns eben da oder dort offenbaren. Wie wäre es,
wenn du deinen einsamen Standpunkt auf dieser öden Insel ver¬
ließest, und irgendwo mitten in der civilisirten Welt zum Vorschein
kämest, z. B. auf dem Kreuzberge bei Berlin? — Es wird dich
wenig Mühe kosten, den mit Noth dort zusammengehäuften Sand
zu durchbrechen. Dann wirf deine Steine und deine Lava „über
Alles hinaus," und du bist gerettet; dein Name wird ewig fort¬
glänzen in der Geschichte, wie der Name eines Hegelianers. Da
wir glücklicher Weise, trotz unserer germanischen Wurzeln, nicht zur
deutschen Einheit gehören, wird man dich als isländischen Deputa¬
ten nicht so leicht fortschaffen können, wie etwa einen badischen.
Man wird dich also zu gewinnen suchen, du kannst noch Hofdemagog
oder Hofrall) werden. Förster wird dich besingen und der Rheinische
Beobachter wird dich als einen, der den rechten Weg gefunden, loben
und preisen. O Freund, unsere Zeit hat zwar keine Mausoleen
oder olympische Lorbeerkränze, aber sie hat noch Professoren, die
solche negative Verdienste zu loben wissen. Ja! Negation hat die
Stelle der alten Tugenden, der Wirksamkeit, der Aufopferungslust
abgelöst. Bist du ein Eonscrvativer und guter Unterthan, so brauchst du
nur Nichts zu thun, um einen edlen wohlmeinenden Staatsbürger
vorzustellen! bist du ein Liberaler, so hast du dieses Nichtsthun, das
wirklich nichts ist als ein (Ittlco t^r niento, nur zu negiren, um
ein Held, ein, zweiter Curtius und Brutus zu werden. Verachtest
du aber beides, — was ich, offenherzig gesagt, deiner edlen Seele
zutraue, — so schweige, schreie mir nicht die Ohren voll, und mache
dich nicht lächerlich, wie Lamartine in seiner „erhabenen" Einsam¬
keit, oder wie ein auf preußische Verfassungen Hossender, oder wie
Einer, der in Deutschland vom Selfgouvernement spricht. Ziehe dich
schweigend in dich selbst zurück, wie es in unserer Zeit auch andere
feuerspeiende Berge, z. B. Börne und Hütten thun würden, und
wie ick) eS selbst thue, ich dein wohlmeinender Freund Krabla.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0340" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/182150"/>
            <p xml:id="ID_765" prev="#ID_764"> andern wälschen Süßigkeiten versetzt, selten von reinem Feuer ausge¬<lb/>
kocht und schlechter als ihr Ruf sind, geht es heut zu Tage selbst<lb/>
im protestantischen Deutschland nicht mehr. O, glaube mir, der<lb/>
Schmerzliches erfahren, selbst unser berühmter Zccherkönig von Thule,<lb/>
dem nichts über den Becher ging, und der als Gothischer König<lb/>
einen classischer» Geschmack haben sollte, liebt diese in.er)'»,-«.» mehr<lb/>
als gut ist für sein nüchternes, nordländisches Reich.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_766"> Da du aber doch so ehrgeizig bist, und noch jetzt, wie zu<lb/>
Anfang meiner Rede, genial weiter tobst, so will ich dir einen Rath<lb/>
geben und dir den Weg zeigen, auf welchem du zu deinem Ziele<lb/>
und zu glänzendem Ruhme gelangen kannst. Die Geologie, wie die<lb/>
Menschen unsere Psychologie und Physiologie nennen, sagt, daß wir<lb/>
eigentlich mit der ganzen Erde zusammenhangen, und es nur Anfall<lb/>
ist, wenn wir uns eben da oder dort offenbaren. Wie wäre es,<lb/>
wenn du deinen einsamen Standpunkt auf dieser öden Insel ver¬<lb/>
ließest, und irgendwo mitten in der civilisirten Welt zum Vorschein<lb/>
kämest, z. B. auf dem Kreuzberge bei Berlin? &#x2014; Es wird dich<lb/>
wenig Mühe kosten, den mit Noth dort zusammengehäuften Sand<lb/>
zu durchbrechen. Dann wirf deine Steine und deine Lava &#x201E;über<lb/>
Alles hinaus," und du bist gerettet; dein Name wird ewig fort¬<lb/>
glänzen in der Geschichte, wie der Name eines Hegelianers. Da<lb/>
wir glücklicher Weise, trotz unserer germanischen Wurzeln, nicht zur<lb/>
deutschen Einheit gehören, wird man dich als isländischen Deputa¬<lb/>
ten nicht so leicht fortschaffen können, wie etwa einen badischen.<lb/>
Man wird dich also zu gewinnen suchen, du kannst noch Hofdemagog<lb/>
oder Hofrall) werden. Förster wird dich besingen und der Rheinische<lb/>
Beobachter wird dich als einen, der den rechten Weg gefunden, loben<lb/>
und preisen. O Freund, unsere Zeit hat zwar keine Mausoleen<lb/>
oder olympische Lorbeerkränze, aber sie hat noch Professoren, die<lb/>
solche negative Verdienste zu loben wissen. Ja! Negation hat die<lb/>
Stelle der alten Tugenden, der Wirksamkeit, der Aufopferungslust<lb/>
abgelöst. Bist du ein Eonscrvativer und guter Unterthan, so brauchst du<lb/>
nur Nichts zu thun, um einen edlen wohlmeinenden Staatsbürger<lb/>
vorzustellen! bist du ein Liberaler, so hast du dieses Nichtsthun, das<lb/>
wirklich nichts ist als ein (Ittlco t^r niento, nur zu negiren, um<lb/>
ein Held, ein, zweiter Curtius und Brutus zu werden. Verachtest<lb/>
du aber beides, &#x2014; was ich, offenherzig gesagt, deiner edlen Seele<lb/>
zutraue, &#x2014; so schweige, schreie mir nicht die Ohren voll, und mache<lb/>
dich nicht lächerlich, wie Lamartine in seiner &#x201E;erhabenen" Einsam¬<lb/>
keit, oder wie ein auf preußische Verfassungen Hossender, oder wie<lb/>
Einer, der in Deutschland vom Selfgouvernement spricht. Ziehe dich<lb/>
schweigend in dich selbst zurück, wie es in unserer Zeit auch andere<lb/>
feuerspeiende Berge, z. B. Börne und Hütten thun würden, und<lb/>
wie ick) eS selbst thue, ich dein wohlmeinender Freund Krabla.</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0340] andern wälschen Süßigkeiten versetzt, selten von reinem Feuer ausge¬ kocht und schlechter als ihr Ruf sind, geht es heut zu Tage selbst im protestantischen Deutschland nicht mehr. O, glaube mir, der Schmerzliches erfahren, selbst unser berühmter Zccherkönig von Thule, dem nichts über den Becher ging, und der als Gothischer König einen classischer» Geschmack haben sollte, liebt diese in.er)'»,-«.» mehr als gut ist für sein nüchternes, nordländisches Reich. Da du aber doch so ehrgeizig bist, und noch jetzt, wie zu Anfang meiner Rede, genial weiter tobst, so will ich dir einen Rath geben und dir den Weg zeigen, auf welchem du zu deinem Ziele und zu glänzendem Ruhme gelangen kannst. Die Geologie, wie die Menschen unsere Psychologie und Physiologie nennen, sagt, daß wir eigentlich mit der ganzen Erde zusammenhangen, und es nur Anfall ist, wenn wir uns eben da oder dort offenbaren. Wie wäre es, wenn du deinen einsamen Standpunkt auf dieser öden Insel ver¬ ließest, und irgendwo mitten in der civilisirten Welt zum Vorschein kämest, z. B. auf dem Kreuzberge bei Berlin? — Es wird dich wenig Mühe kosten, den mit Noth dort zusammengehäuften Sand zu durchbrechen. Dann wirf deine Steine und deine Lava „über Alles hinaus," und du bist gerettet; dein Name wird ewig fort¬ glänzen in der Geschichte, wie der Name eines Hegelianers. Da wir glücklicher Weise, trotz unserer germanischen Wurzeln, nicht zur deutschen Einheit gehören, wird man dich als isländischen Deputa¬ ten nicht so leicht fortschaffen können, wie etwa einen badischen. Man wird dich also zu gewinnen suchen, du kannst noch Hofdemagog oder Hofrall) werden. Förster wird dich besingen und der Rheinische Beobachter wird dich als einen, der den rechten Weg gefunden, loben und preisen. O Freund, unsere Zeit hat zwar keine Mausoleen oder olympische Lorbeerkränze, aber sie hat noch Professoren, die solche negative Verdienste zu loben wissen. Ja! Negation hat die Stelle der alten Tugenden, der Wirksamkeit, der Aufopferungslust abgelöst. Bist du ein Eonscrvativer und guter Unterthan, so brauchst du nur Nichts zu thun, um einen edlen wohlmeinenden Staatsbürger vorzustellen! bist du ein Liberaler, so hast du dieses Nichtsthun, das wirklich nichts ist als ein (Ittlco t^r niento, nur zu negiren, um ein Held, ein, zweiter Curtius und Brutus zu werden. Verachtest du aber beides, — was ich, offenherzig gesagt, deiner edlen Seele zutraue, — so schweige, schreie mir nicht die Ohren voll, und mache dich nicht lächerlich, wie Lamartine in seiner „erhabenen" Einsam¬ keit, oder wie ein auf preußische Verfassungen Hossender, oder wie Einer, der in Deutschland vom Selfgouvernement spricht. Ziehe dich schweigend in dich selbst zurück, wie es in unserer Zeit auch andere feuerspeiende Berge, z. B. Börne und Hütten thun würden, und wie ick) eS selbst thue, ich dein wohlmeinender Freund Krabla.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_181809
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_181809/340
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_181809/340>, abgerufen am 16.05.2024.