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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. I. Band.

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reichen Kirchensachen und einer Reihe werthvoller Oratorien besitzt man
von ihm noch 24 Opern, worunter "Die Schweizerfamilie," "Das
Waisenhaus" und "Adrian von Ostade" seine bekanntesten sind und
die Runde über sämmtliche Bühnen Deutschlands gemacht, ja selbst
auf ausländischen Theatern vielfach Eingang gefunden haben. Dieser
einst so gefeierte Tondichter, welcher seit 1813 in tiefer Zurückgezogen¬
heit lebte, ist nun in den ersten Tagen Februars, achtzig Jahre alt,
gestorben und ruht auf dem bekannten Währinger Gottesacker', neben
Beethoven, Schubert und Seyfried, wo ihm seine Familie einen pracht¬
vollen Leichenstein setzen lassen will. -- Es lebt hier noch ein andrer
alter Tonmeister, Gvrowetz, der eben damit beschäftigt ist, seine Denk¬
würdigkeiten niederzuschreiben, und wir wollen hoffen, daß der Tod
ihm die Muße gönnen werde, dieselben zu vollenden; jedenfalls dürf¬
ten diese Denkblätter einen Lebensinhalt umfassen wie wenige und
einen bleibenden Platz in der Memoirenlitcratur einnehmen. Haydn,
Mozart, Beethoven, Gluck, Kanne, Hoffmann, Paganini, die Lata-
lani und noch viele andere Notabilitäten der Kunst und Literatur,
der Diplomatie und des Staates treten darin in unmittelbarer, leben¬
diger Betheiligung auf, abgesehen von dem artistischen Werth einer kriti¬
schen Revue über eine achtzigjährige Periode, deren Endpunkte eine der
größten Revolutionen im socialen wie ästhetischen Leben umfassen.

In der Nacht des 5. Februar verschied plötzlich, drei Stunden
nach der Nachhausefahrt aus einer Gesellschaft, der Marquis von
Sambuy, k. Sardinischer Gesandter am hiesigen Hofe, 54 Jahre alt,
an einer heftigen Kolik, die eine Entartung der Eingeweide zur Folge
hatte, nachdem ihm erst vor einigen Monaten sein ältester Sohn er¬
trunken war. Er wurde mit allen seiner militairischen Würde als
Generallieurenant angemessenen Ehren auf den Friedhof geleitet, wo¬
hin der Sarg geschafft werden mußte, da einem bestehenden Gesetze
gemäß, keine Leiche über die bestimmte Frist innerhalb der Stadt¬
mauern bleiben darf, und erst aus der Capelle des Kirchhofs, wo Tag
und Nacht einige Priester beteten, wurde der Leichnam nach Italien
abgeführt, um in der Familiengruft beigesetzt zu werden.

Sie haben ohne Zweifel aus den hiesigen Blättern die unerfreu¬
liche Polemik ersehen, welche sich zwischen Saphir und Herrn Po-
korny entsponnen hat. Wie man auch sonst von dem Redacteur des
Humoristen denken möge, das muß Jedermann gestehen, daß die in
der Theaterzeitung abgedruckte Erklärung Pokorny's, weit entfernt eine
Anklage Saphir's zu enthalten, eine glänzende Rechtfertigung des
geistreichen Journalisten darbietet, indem sie ihm das Zeugniß ausstellt,
seine Privatverbindlichkeiten gegen den Theaterunternehmer niemals mit
seinen Pflichten als Journalist vermengt und trotz der hohen Ach¬
tung, die er für den ehrenhaften Charakter und die menschenfreund¬
liche Gesinnung des Directors hegte, die Anforderungen des Puhu-


reichen Kirchensachen und einer Reihe werthvoller Oratorien besitzt man
von ihm noch 24 Opern, worunter „Die Schweizerfamilie," „Das
Waisenhaus" und „Adrian von Ostade" seine bekanntesten sind und
die Runde über sämmtliche Bühnen Deutschlands gemacht, ja selbst
auf ausländischen Theatern vielfach Eingang gefunden haben. Dieser
einst so gefeierte Tondichter, welcher seit 1813 in tiefer Zurückgezogen¬
heit lebte, ist nun in den ersten Tagen Februars, achtzig Jahre alt,
gestorben und ruht auf dem bekannten Währinger Gottesacker', neben
Beethoven, Schubert und Seyfried, wo ihm seine Familie einen pracht¬
vollen Leichenstein setzen lassen will. — Es lebt hier noch ein andrer
alter Tonmeister, Gvrowetz, der eben damit beschäftigt ist, seine Denk¬
würdigkeiten niederzuschreiben, und wir wollen hoffen, daß der Tod
ihm die Muße gönnen werde, dieselben zu vollenden; jedenfalls dürf¬
ten diese Denkblätter einen Lebensinhalt umfassen wie wenige und
einen bleibenden Platz in der Memoirenlitcratur einnehmen. Haydn,
Mozart, Beethoven, Gluck, Kanne, Hoffmann, Paganini, die Lata-
lani und noch viele andere Notabilitäten der Kunst und Literatur,
der Diplomatie und des Staates treten darin in unmittelbarer, leben¬
diger Betheiligung auf, abgesehen von dem artistischen Werth einer kriti¬
schen Revue über eine achtzigjährige Periode, deren Endpunkte eine der
größten Revolutionen im socialen wie ästhetischen Leben umfassen.

In der Nacht des 5. Februar verschied plötzlich, drei Stunden
nach der Nachhausefahrt aus einer Gesellschaft, der Marquis von
Sambuy, k. Sardinischer Gesandter am hiesigen Hofe, 54 Jahre alt,
an einer heftigen Kolik, die eine Entartung der Eingeweide zur Folge
hatte, nachdem ihm erst vor einigen Monaten sein ältester Sohn er¬
trunken war. Er wurde mit allen seiner militairischen Würde als
Generallieurenant angemessenen Ehren auf den Friedhof geleitet, wo¬
hin der Sarg geschafft werden mußte, da einem bestehenden Gesetze
gemäß, keine Leiche über die bestimmte Frist innerhalb der Stadt¬
mauern bleiben darf, und erst aus der Capelle des Kirchhofs, wo Tag
und Nacht einige Priester beteten, wurde der Leichnam nach Italien
abgeführt, um in der Familiengruft beigesetzt zu werden.

Sie haben ohne Zweifel aus den hiesigen Blättern die unerfreu¬
liche Polemik ersehen, welche sich zwischen Saphir und Herrn Po-
korny entsponnen hat. Wie man auch sonst von dem Redacteur des
Humoristen denken möge, das muß Jedermann gestehen, daß die in
der Theaterzeitung abgedruckte Erklärung Pokorny's, weit entfernt eine
Anklage Saphir's zu enthalten, eine glänzende Rechtfertigung des
geistreichen Journalisten darbietet, indem sie ihm das Zeugniß ausstellt,
seine Privatverbindlichkeiten gegen den Theaterunternehmer niemals mit
seinen Pflichten als Journalist vermengt und trotz der hohen Ach¬
tung, die er für den ehrenhaften Charakter und die menschenfreund¬
liche Gesinnung des Directors hegte, die Anforderungen des Puhu-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_181809/373>, abgerufen am 14.05.2024.