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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. I. Band.

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das für sich allein thäte, daß er dem herrschenden Princip das Recht
vergiebt, hoch erhaben über alle Angriffe und unverletzbar dazustehen,
so würde er höchstens nur sich lächerlich machen; so aber wird er mit
der Negierung identificirt, und jede Schlappe die er davon trägt,
dient dazu, das Ansehen der Staatsgewalt zu verkümmern. Die con-
stitutionelle Partei in Deutschland hat lange in der Täuschung ge¬
lebt, deren Opfer z. B. Sylvester Jordan geworden ist, in der Täu¬
schung, welche dieser Professor -- denn etwas anderes war er im
Grunde nie -- durch den Prunknamen eines "Systems der Reformen"
verherrlichte, der Täuschung nämlich, daß sich ein dem herrschenden
Princip entgegengesetztes Princip auf dem Wege organischer Umbildung
und gleichsam natürlicher Metamorphose herausarbeiten ließe. Selt¬
sam, wenn nun dieselbe Täuschung auch auf der andern Seite, der des
herrschenden Princips selber, den Blick der Lenker umnebelt und sie
glauben macht, daß sich ein feindliches Princip hinwegdocircn und hin¬
weglisten lasse. Nein! so weit die Geschichte reicht, ist der Kampf
der Principien überall und immer nur durch Gewalt entschieden wor¬
den. In einer mit den preußischen Landtagsabschieden veröffentlichten
Denkschrift der Minister des Innern und der Justiz heißt es am
Schlüsse: "Es steht zu hoffen, daß der schon jetzt schwindende Reiz
an den Erzeugnissen einer die Literatur herabwürdigenden Schriftstelle¬
rn seine Kraft immer mehr und in fo weit verlieren wird, daß der¬
gleichen Producte die verdiente Nichtachtung finden. Das höher ge
bildete Publicum hat dazu selbst das Mittel in der Hand, von denn
weniger gebildeten Theile der Gesellschaft aber muß der Staat wenig¬
stens versuchen, das Gift fern zu halten." Dagegen wäre gewiß nichts
einzuwenden, wenn nur die Unterscheidung zwischen den gesunden Ge¬
wächsen und dem geistigen Unkraut einen festen Canon hätte, wenn
man nur immer gleich wüßte, was in Gift aufschicssen und was noch
zur schönen Aierblume oder zum heilsamen Kraute werden wird, und
wenn sich eben die Presse sowie ein Gartenbeet jäten ließe, oder wenn
man Mittel hätte, zu bewirken, daß das was den "Gebildeten" nicht
schadet, die "weniger Gebildeten" nicht erreiche. Aber ist denn über¬
haupt eine "die Literatur herabwürdigende Schriftstellern" so. staats¬
gefährlich? Gewiß nicht. Gefährlich ist nur die Schriftstellern, der
das entgegengesetzte Princip die Feder spitzt und die Hand führt.
Dies finde ich in einem der Landtagsabschiede auch richtig aner¬
kannt. Es heißt da: "Wir verkennen nicht, daß der gegenwär¬
tige Zustand der Presse insofern noch einer Verbesserung bedarf, als
von einem Theile der Presse fortgesetzt Versuche gemacht werden, die
ihr zum Schutze der öffentlichen Ordnung gesetzten Schranken zu durch¬
brechen und diesen Versuchen nicht stets rechtzeitig begegnet werden
kann." Das ist eben das feindliche Princip. "Sollte dieser Uebel¬
stand," heißt es weiter, "dahin führen, die Nothwendigkeit einer durch-


das für sich allein thäte, daß er dem herrschenden Princip das Recht
vergiebt, hoch erhaben über alle Angriffe und unverletzbar dazustehen,
so würde er höchstens nur sich lächerlich machen; so aber wird er mit
der Negierung identificirt, und jede Schlappe die er davon trägt,
dient dazu, das Ansehen der Staatsgewalt zu verkümmern. Die con-
stitutionelle Partei in Deutschland hat lange in der Täuschung ge¬
lebt, deren Opfer z. B. Sylvester Jordan geworden ist, in der Täu¬
schung, welche dieser Professor — denn etwas anderes war er im
Grunde nie — durch den Prunknamen eines „Systems der Reformen"
verherrlichte, der Täuschung nämlich, daß sich ein dem herrschenden
Princip entgegengesetztes Princip auf dem Wege organischer Umbildung
und gleichsam natürlicher Metamorphose herausarbeiten ließe. Selt¬
sam, wenn nun dieselbe Täuschung auch auf der andern Seite, der des
herrschenden Princips selber, den Blick der Lenker umnebelt und sie
glauben macht, daß sich ein feindliches Princip hinwegdocircn und hin¬
weglisten lasse. Nein! so weit die Geschichte reicht, ist der Kampf
der Principien überall und immer nur durch Gewalt entschieden wor¬
den. In einer mit den preußischen Landtagsabschieden veröffentlichten
Denkschrift der Minister des Innern und der Justiz heißt es am
Schlüsse: „Es steht zu hoffen, daß der schon jetzt schwindende Reiz
an den Erzeugnissen einer die Literatur herabwürdigenden Schriftstelle¬
rn seine Kraft immer mehr und in fo weit verlieren wird, daß der¬
gleichen Producte die verdiente Nichtachtung finden. Das höher ge
bildete Publicum hat dazu selbst das Mittel in der Hand, von denn
weniger gebildeten Theile der Gesellschaft aber muß der Staat wenig¬
stens versuchen, das Gift fern zu halten." Dagegen wäre gewiß nichts
einzuwenden, wenn nur die Unterscheidung zwischen den gesunden Ge¬
wächsen und dem geistigen Unkraut einen festen Canon hätte, wenn
man nur immer gleich wüßte, was in Gift aufschicssen und was noch
zur schönen Aierblume oder zum heilsamen Kraute werden wird, und
wenn sich eben die Presse sowie ein Gartenbeet jäten ließe, oder wenn
man Mittel hätte, zu bewirken, daß das was den „Gebildeten" nicht
schadet, die „weniger Gebildeten" nicht erreiche. Aber ist denn über¬
haupt eine „die Literatur herabwürdigende Schriftstellern" so. staats¬
gefährlich? Gewiß nicht. Gefährlich ist nur die Schriftstellern, der
das entgegengesetzte Princip die Feder spitzt und die Hand führt.
Dies finde ich in einem der Landtagsabschiede auch richtig aner¬
kannt. Es heißt da: „Wir verkennen nicht, daß der gegenwär¬
tige Zustand der Presse insofern noch einer Verbesserung bedarf, als
von einem Theile der Presse fortgesetzt Versuche gemacht werden, die
ihr zum Schutze der öffentlichen Ordnung gesetzten Schranken zu durch¬
brechen und diesen Versuchen nicht stets rechtzeitig begegnet werden
kann." Das ist eben das feindliche Princip. „Sollte dieser Uebel¬
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_181809/382>, abgerufen am 13.05.2024.