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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. I. Band.

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Frau ist, nimmt den eifersüchtigen Blicken der beiden Nationen viel
von ihrer lauernden Scharfe und erleichtert diese Art, der I^utero
<'.ol<Iialo Vortheil bringende Besuche. Zum Empfang der Königin
wird das große Trianon -- das Palais welches Ludwig XVI. und
Maria Antoinette bewohnten -- als Absteigequartier eingerichtet, und
eine Menge Arbeiter sind bereits jetzt beschäftigt es auf das pracht¬
vollste Herzurichren. Louis Philipp selbst leitet diese Vorbereitungen,
und es ist charakteristisch, daß er sich bereits vorige Woche das Open.
repertoire vorlegen ließ, aus welchem eine Oper auszuwählen wäre
für eine außerordentliche Vorstellung im Opernsaale von Versailles,
welche ganz in dem prächtigen Style Ludwigs XIV gehalten werden
soll. Die Wahl des Königs siel zuerst auf eine altere, in Deutsch¬
land ganz unbekannte Oper: die Caravanne von Caire, weil der
Tert dazu von Ludwig XVIIl selbst gedichtet wurde (auf dem Thea¬
terzettel stand immer der Pseudonym Morel). Allein man machte den
König aufmerksam, daß in der großen Arie, welche den Glanzpunkt
und die Schlußentwickclung dieser Oper bildet, zu wiederholten Malen
die Worte: "I^>i>, vivtoiru ohr ä nous!" vorkommen, und es schien
unschicklich, in Gegenwart einer fremden Königin eine derartige Fanfa-
ronade zu singen. Der König, der einen feinen Tact für den Spott
der kleinen Blatter hat, machte lachend die Bemerkung, daß der
Charivari und Punch nicht unterlassen werden das la victoire est
K lions zu commentiren, da ja die Königin selbst Victvii o heißt. Nach
kurzem Hin - und Hersuchen wurde endlich die Armide von Gluck
gewählt; Ander hat sich anheischig gemacht, diese Oper von Neuem
durchzusehen und zu retouchiren, so wie auch die Hauptpartie für
die Sängerin Stoltz zu transponiren. Ander und Gluck sind zwei
etwas starke Gegensätze! Die modernen Komponisten sollen überhaupt
brummen, daß man sie übergangen; nun, wenn nicht andere
Leute mittlerweile hineinbrummen, von den Tactirstäben der Kapell¬
meister ist keine Störung der Harmonie zu fürchten.

Die Legitimisten haben folgendes Gerücht ausgesprengt: der
Herzog von Luna habe nach allgemeinem europäischen Hosbrauch, seine
Heirath mit Mademoiselle (der Schwester des Herzogs von
Bordeaux und Enkelin Karls X) auch Louis Philipp notificirt.
Diese Notifikation soll eine sehr lebhafte Ministerdebatte zur Folge
gehabt haben, und endlich sei beschlossen worden, sie nicht -- im Mo-
niteur zu veröffentlichen. Auch werde der Brief des Herzogs von Luna
unbeantwortet bleiben. Eins ist so unglaublich wie das andere, denn
es wäre unpolitisch, grob und plump.

In der Literatur ist ziemlicher Stillstand. Ponsard hat eine
neue Tragödie geschrieben ^nes tlo Aloiantv. Ein satyrischer Ro¬
man von Souvestre: die Welt wie sie sein wird, ist im Style
Swifts, und spielt im Jahre 3N00!


Frau ist, nimmt den eifersüchtigen Blicken der beiden Nationen viel
von ihrer lauernden Scharfe und erleichtert diese Art, der I^utero
<'.ol<Iialo Vortheil bringende Besuche. Zum Empfang der Königin
wird das große Trianon — das Palais welches Ludwig XVI. und
Maria Antoinette bewohnten — als Absteigequartier eingerichtet, und
eine Menge Arbeiter sind bereits jetzt beschäftigt es auf das pracht¬
vollste Herzurichren. Louis Philipp selbst leitet diese Vorbereitungen,
und es ist charakteristisch, daß er sich bereits vorige Woche das Open.
repertoire vorlegen ließ, aus welchem eine Oper auszuwählen wäre
für eine außerordentliche Vorstellung im Opernsaale von Versailles,
welche ganz in dem prächtigen Style Ludwigs XIV gehalten werden
soll. Die Wahl des Königs siel zuerst auf eine altere, in Deutsch¬
land ganz unbekannte Oper: die Caravanne von Caire, weil der
Tert dazu von Ludwig XVIIl selbst gedichtet wurde (auf dem Thea¬
terzettel stand immer der Pseudonym Morel). Allein man machte den
König aufmerksam, daß in der großen Arie, welche den Glanzpunkt
und die Schlußentwickclung dieser Oper bildet, zu wiederholten Malen
die Worte: „I^>i>, vivtoiru ohr ä nous!" vorkommen, und es schien
unschicklich, in Gegenwart einer fremden Königin eine derartige Fanfa-
ronade zu singen. Der König, der einen feinen Tact für den Spott
der kleinen Blatter hat, machte lachend die Bemerkung, daß der
Charivari und Punch nicht unterlassen werden das la victoire est
K lions zu commentiren, da ja die Königin selbst Victvii o heißt. Nach
kurzem Hin - und Hersuchen wurde endlich die Armide von Gluck
gewählt; Ander hat sich anheischig gemacht, diese Oper von Neuem
durchzusehen und zu retouchiren, so wie auch die Hauptpartie für
die Sängerin Stoltz zu transponiren. Ander und Gluck sind zwei
etwas starke Gegensätze! Die modernen Komponisten sollen überhaupt
brummen, daß man sie übergangen; nun, wenn nicht andere
Leute mittlerweile hineinbrummen, von den Tactirstäben der Kapell¬
meister ist keine Störung der Harmonie zu fürchten.

Die Legitimisten haben folgendes Gerücht ausgesprengt: der
Herzog von Luna habe nach allgemeinem europäischen Hosbrauch, seine
Heirath mit Mademoiselle (der Schwester des Herzogs von
Bordeaux und Enkelin Karls X) auch Louis Philipp notificirt.
Diese Notifikation soll eine sehr lebhafte Ministerdebatte zur Folge
gehabt haben, und endlich sei beschlossen worden, sie nicht — im Mo-
niteur zu veröffentlichen. Auch werde der Brief des Herzogs von Luna
unbeantwortet bleiben. Eins ist so unglaublich wie das andere, denn
es wäre unpolitisch, grob und plump.

In der Literatur ist ziemlicher Stillstand. Ponsard hat eine
neue Tragödie geschrieben ^nes tlo Aloiantv. Ein satyrischer Ro¬
man von Souvestre: die Welt wie sie sein wird, ist im Style
Swifts, und spielt im Jahre 3N00!


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[0039] Frau ist, nimmt den eifersüchtigen Blicken der beiden Nationen viel von ihrer lauernden Scharfe und erleichtert diese Art, der I^utero <'.ol<Iialo Vortheil bringende Besuche. Zum Empfang der Königin wird das große Trianon — das Palais welches Ludwig XVI. und Maria Antoinette bewohnten — als Absteigequartier eingerichtet, und eine Menge Arbeiter sind bereits jetzt beschäftigt es auf das pracht¬ vollste Herzurichren. Louis Philipp selbst leitet diese Vorbereitungen, und es ist charakteristisch, daß er sich bereits vorige Woche das Open. repertoire vorlegen ließ, aus welchem eine Oper auszuwählen wäre für eine außerordentliche Vorstellung im Opernsaale von Versailles, welche ganz in dem prächtigen Style Ludwigs XIV gehalten werden soll. Die Wahl des Königs siel zuerst auf eine altere, in Deutsch¬ land ganz unbekannte Oper: die Caravanne von Caire, weil der Tert dazu von Ludwig XVIIl selbst gedichtet wurde (auf dem Thea¬ terzettel stand immer der Pseudonym Morel). Allein man machte den König aufmerksam, daß in der großen Arie, welche den Glanzpunkt und die Schlußentwickclung dieser Oper bildet, zu wiederholten Malen die Worte: „I^>i>, vivtoiru ohr ä nous!" vorkommen, und es schien unschicklich, in Gegenwart einer fremden Königin eine derartige Fanfa- ronade zu singen. Der König, der einen feinen Tact für den Spott der kleinen Blatter hat, machte lachend die Bemerkung, daß der Charivari und Punch nicht unterlassen werden das la victoire est K lions zu commentiren, da ja die Königin selbst Victvii o heißt. Nach kurzem Hin - und Hersuchen wurde endlich die Armide von Gluck gewählt; Ander hat sich anheischig gemacht, diese Oper von Neuem durchzusehen und zu retouchiren, so wie auch die Hauptpartie für die Sängerin Stoltz zu transponiren. Ander und Gluck sind zwei etwas starke Gegensätze! Die modernen Komponisten sollen überhaupt brummen, daß man sie übergangen; nun, wenn nicht andere Leute mittlerweile hineinbrummen, von den Tactirstäben der Kapell¬ meister ist keine Störung der Harmonie zu fürchten. Die Legitimisten haben folgendes Gerücht ausgesprengt: der Herzog von Luna habe nach allgemeinem europäischen Hosbrauch, seine Heirath mit Mademoiselle (der Schwester des Herzogs von Bordeaux und Enkelin Karls X) auch Louis Philipp notificirt. Diese Notifikation soll eine sehr lebhafte Ministerdebatte zur Folge gehabt haben, und endlich sei beschlossen worden, sie nicht — im Mo- niteur zu veröffentlichen. Auch werde der Brief des Herzogs von Luna unbeantwortet bleiben. Eins ist so unglaublich wie das andere, denn es wäre unpolitisch, grob und plump. In der Literatur ist ziemlicher Stillstand. Ponsard hat eine neue Tragödie geschrieben ^nes tlo Aloiantv. Ein satyrischer Ro¬ man von Souvestre: die Welt wie sie sein wird, ist im Style Swifts, und spielt im Jahre 3N00!

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_181809/39>, abgerufen am 14.05.2024.