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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. I. Band.

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diese List des Feindes aufdeckt, giebt sie sich die imposanteste Stellung,
welche sie einnehmen kann, und macht sich in der That unangreifbar.

Weil ich von der List rede, zu deren Anwendung die dem Prin¬
zip nach oppositionelle Presse nothwendig verurtheilt ist, so will ich
hier gleich der vier Monatsschriften gedenken, die zusammen eine Wo-
chtnschrifr bilden sollten, und von denen ich schon in einem früheren
Briefe gesprochen habe. Die Hindernisse, die ich schon damals vor¬
aussah, sind alsbald eingetreten. Bon derjenigen Zeitschrift, welche
unter Nauwercks Redaction zu erscheinen anfing, stieß gleich das erste
Heft auf betrachtliche Censurhindernisse und die vom Censor demselben
entzogenen Aufsätze fanden auch vor dem Obercensurgerichte, welches
den das Ganze durchwehenden Geist prinzipieller Auflehnung würdigte,
keine Gnade. Nun aber hat, wie es scheint, die Censur das ganze
Unternehmen ins Stocken gebracht, und zwar dem Vernehmen nach
deshalb, weil erst zu ermitteln wäre, ob nicht der voraussetzliche Zu¬
sammenhang der vier verschiedenen Zeitschriften unter einander, wegen
der darin liegenden Umgehung des Gesetzes, deren Erscheinen ümm^
lässig mache. Wenn sich Alles so verhält, wie hier angegeben, so
läßt sich vermuthen, daß die Herausgeber sich auf den Buchstaben des
Gesetzes berufen werden, eben so sehr aber, daß sich die Negierung an
den Geist desselben halten werde. Die vier Zeitschriften werden un¬
tergehen; indessen -- es war doch immer wieder ein Versuch; ein
Versuch, auf dessen Gelingen die Unternehmer selber wohl nicht recht
zählen durften. Es geht der nach Befreiung ringenden Presse, wie
diesen armen Polen, deren Schicksal jetzt wieder alle Gemüther, auch
hier in der Stadt, aufs tiefste erschüttert; möge für das Scheitern
des Befreiungsversuchs die Wahrscheinlichkeit auch noch so überwiegend
sein, der Gefangene unterläßt es dennoch nicht, den gefährlichen Ver¬
such zu wagen.

Was für Geständnisse von der liberalen Seite her! wird der
Rheinische Beobachter sagen. Ueber einen meiner früheren Aufsätze,
in welchem ich daran erinnerte, daß der unabhängige Forscher und
Wahrheitsfreund noch immer und überall verfolgt worden, und daß eine
wirklich freie (ich meine hiermit gar nicht eine ungezogene, sondern
nur eine von dem rücksichtslosen Ernst der Forschung zeugende) freie
Presse zu den utopischen Träumen zu zählen sei, und worin ich, mit
Resignation für unsere bestimmten Verhältnisse eine sogenannte Preß-
freiheit, ohne hinzutretende, oder vielmehr vorausgehende Umgestal¬
tung des Gerichtswesens für nichts weniger als wünschenswert!) er¬
klärte, über diesen Aufsatz schlug der Rheinische Beobachter ein- helle
Lache auf. "Also die Herren," rief er, "wollen keine Preßfreiheit?"
Die Herren? Wer sind denn "die Herren?" Ich -- ich sage nur
meine Meinung, und kann nur für diese einstehen; ebenso sind die
Andern, welche der Rheinische Beobachter vielleicht mit mir zu einer


diese List des Feindes aufdeckt, giebt sie sich die imposanteste Stellung,
welche sie einnehmen kann, und macht sich in der That unangreifbar.

Weil ich von der List rede, zu deren Anwendung die dem Prin¬
zip nach oppositionelle Presse nothwendig verurtheilt ist, so will ich
hier gleich der vier Monatsschriften gedenken, die zusammen eine Wo-
chtnschrifr bilden sollten, und von denen ich schon in einem früheren
Briefe gesprochen habe. Die Hindernisse, die ich schon damals vor¬
aussah, sind alsbald eingetreten. Bon derjenigen Zeitschrift, welche
unter Nauwercks Redaction zu erscheinen anfing, stieß gleich das erste
Heft auf betrachtliche Censurhindernisse und die vom Censor demselben
entzogenen Aufsätze fanden auch vor dem Obercensurgerichte, welches
den das Ganze durchwehenden Geist prinzipieller Auflehnung würdigte,
keine Gnade. Nun aber hat, wie es scheint, die Censur das ganze
Unternehmen ins Stocken gebracht, und zwar dem Vernehmen nach
deshalb, weil erst zu ermitteln wäre, ob nicht der voraussetzliche Zu¬
sammenhang der vier verschiedenen Zeitschriften unter einander, wegen
der darin liegenden Umgehung des Gesetzes, deren Erscheinen ümm^
lässig mache. Wenn sich Alles so verhält, wie hier angegeben, so
läßt sich vermuthen, daß die Herausgeber sich auf den Buchstaben des
Gesetzes berufen werden, eben so sehr aber, daß sich die Negierung an
den Geist desselben halten werde. Die vier Zeitschriften werden un¬
tergehen; indessen — es war doch immer wieder ein Versuch; ein
Versuch, auf dessen Gelingen die Unternehmer selber wohl nicht recht
zählen durften. Es geht der nach Befreiung ringenden Presse, wie
diesen armen Polen, deren Schicksal jetzt wieder alle Gemüther, auch
hier in der Stadt, aufs tiefste erschüttert; möge für das Scheitern
des Befreiungsversuchs die Wahrscheinlichkeit auch noch so überwiegend
sein, der Gefangene unterläßt es dennoch nicht, den gefährlichen Ver¬
such zu wagen.

Was für Geständnisse von der liberalen Seite her! wird der
Rheinische Beobachter sagen. Ueber einen meiner früheren Aufsätze,
in welchem ich daran erinnerte, daß der unabhängige Forscher und
Wahrheitsfreund noch immer und überall verfolgt worden, und daß eine
wirklich freie (ich meine hiermit gar nicht eine ungezogene, sondern
nur eine von dem rücksichtslosen Ernst der Forschung zeugende) freie
Presse zu den utopischen Träumen zu zählen sei, und worin ich, mit
Resignation für unsere bestimmten Verhältnisse eine sogenannte Preß-
freiheit, ohne hinzutretende, oder vielmehr vorausgehende Umgestal¬
tung des Gerichtswesens für nichts weniger als wünschenswert!) er¬
klärte, über diesen Aufsatz schlug der Rheinische Beobachter ein- helle
Lache auf. „Also die Herren," rief er, „wollen keine Preßfreiheit?"
Die Herren? Wer sind denn „die Herren?" Ich — ich sage nur
meine Meinung, und kann nur für diese einstehen; ebenso sind die
Andern, welche der Rheinische Beobachter vielleicht mit mir zu einer


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_181809/468>, abgerufen am 04.06.2024.