Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

sondern er nimmt uns unter seine Ob-Acht, d. h, Aufsicht, ist gleich¬
sam der literarische Polizeiinspector, und in diesem Sinne Beobach¬
ter, Beaufsichtiger, Inspector, Superintendent.

Scherz bei Seite, ich finde es empörend, daß Anlaß gegeben ist,
die Misere solcher Blatter, welche in jeder Nummer durch Taktlosig¬
keiten, Rohheiten und Erbärmlichkeiten unsere Verachtung oder unsern
Spott herausfordern, mit der Sache der Regierung zu identificiren.
Niemand kann geneigter sein, als ich es bin, wohlbedachte Maßregeln
der Regierung gegen den Unverstand der einsichtlosen, leidenschaftlichen,
wankelmüthigen Menge in Schutz zu nehmen, und in Anerkennung
der unsäglichen Schwierigkeiten, von denen jedes Verwaltungswesen
auf allen Seiten umringt ist, selbst offenbare Irthümer und Fehler
der Behörden nur mit Nachsicht und Schonung zu berühren. Aber
den Fehler, welchen man durch Unterstützung dieser elenden halb-
officiellen oder officiösen Organe begangen hat, kann man, glaube
ich, im Interesse der Regierung selbst, nicht scharf genug her¬
vorheben. Der Gedanke, daß man der Presse nur dann eine grö¬
ßere Freiheit verstatten kann, wenn man sich erst eine Anzahl von
Organen, welche die Sache der Regierung führen, verschafft habe,
scheint ein Kind des Ministeriums Arnim zu sein, und ich vermuthe
stark, ein Geisteserzeugniß dieses vormaligen Ministers, des Herrn
von Arnim selbst. Herr von Arnim ist, so viel ich weiß, kein streng
und formell gebildeter Bureaukrat; er hat nicht so eigentlich von der
Pike auf gedient, sondern immer in den Verwaltungszweigen, in de¬
nen er arbeitete, eine Art exceptioneller Stellung gehabt: er faßte die
Büreaugeschäfte, so zu sagen, und ich glaube sogar, nicht blos so zu
sagen, sondern wirklich, mit Glacehandschuhen an, nahm mehr Notiz
von den Einrichtungen, als daß er sich von ihnen wie in Rad in der Ma¬
schine treiben ließ; und so mag es gekommen sein, daß das Wesen des
Verwaltungsmechanismus mit seiner Person nicht verwuchs. Er blieb
Ideen zugänglich, konnte sich die jetzt in Preußen zur Herrschaft ge¬
langte Intention recht gut assimiliren, daß die Dinge sich organisch
gestalten müßten, aber natürlich unter der Hand Derer welche die
Macht haben, dem was sich gestalten soll, die Form zu geben; und
wirklich zeigten sich, sobald Herr v. Arnim das Ministerium über¬
nommen hatte, Versuche, allerlei Ideen zu realisiren, und auch diese,
daß in der Presse die verschiedenen Richtungen, die der Regierung und
die einer gewissen berechtigten Opposition, gewissermaaßen Fleisch und
Blut gewinnen sollten. Man glaubte, wenn ich mir die an den
Tag gekommenen Verwaltungsmaßregeln und die gelegentlich in Ver¬
fügungen ausgesprochenen Maximen richtig deute, daß die zu hastig
und auswüchsig emporgeschossene oppositionelle Presse erst wieder ein
wenig gedampft werden müßte, theils damit sie sich in den Bahnen


sondern er nimmt uns unter seine Ob-Acht, d. h, Aufsicht, ist gleich¬
sam der literarische Polizeiinspector, und in diesem Sinne Beobach¬
ter, Beaufsichtiger, Inspector, Superintendent.

Scherz bei Seite, ich finde es empörend, daß Anlaß gegeben ist,
die Misere solcher Blatter, welche in jeder Nummer durch Taktlosig¬
keiten, Rohheiten und Erbärmlichkeiten unsere Verachtung oder unsern
Spott herausfordern, mit der Sache der Regierung zu identificiren.
Niemand kann geneigter sein, als ich es bin, wohlbedachte Maßregeln
der Regierung gegen den Unverstand der einsichtlosen, leidenschaftlichen,
wankelmüthigen Menge in Schutz zu nehmen, und in Anerkennung
der unsäglichen Schwierigkeiten, von denen jedes Verwaltungswesen
auf allen Seiten umringt ist, selbst offenbare Irthümer und Fehler
der Behörden nur mit Nachsicht und Schonung zu berühren. Aber
den Fehler, welchen man durch Unterstützung dieser elenden halb-
officiellen oder officiösen Organe begangen hat, kann man, glaube
ich, im Interesse der Regierung selbst, nicht scharf genug her¬
vorheben. Der Gedanke, daß man der Presse nur dann eine grö¬
ßere Freiheit verstatten kann, wenn man sich erst eine Anzahl von
Organen, welche die Sache der Regierung führen, verschafft habe,
scheint ein Kind des Ministeriums Arnim zu sein, und ich vermuthe
stark, ein Geisteserzeugniß dieses vormaligen Ministers, des Herrn
von Arnim selbst. Herr von Arnim ist, so viel ich weiß, kein streng
und formell gebildeter Bureaukrat; er hat nicht so eigentlich von der
Pike auf gedient, sondern immer in den Verwaltungszweigen, in de¬
nen er arbeitete, eine Art exceptioneller Stellung gehabt: er faßte die
Büreaugeschäfte, so zu sagen, und ich glaube sogar, nicht blos so zu
sagen, sondern wirklich, mit Glacehandschuhen an, nahm mehr Notiz
von den Einrichtungen, als daß er sich von ihnen wie in Rad in der Ma¬
schine treiben ließ; und so mag es gekommen sein, daß das Wesen des
Verwaltungsmechanismus mit seiner Person nicht verwuchs. Er blieb
Ideen zugänglich, konnte sich die jetzt in Preußen zur Herrschaft ge¬
langte Intention recht gut assimiliren, daß die Dinge sich organisch
gestalten müßten, aber natürlich unter der Hand Derer welche die
Macht haben, dem was sich gestalten soll, die Form zu geben; und
wirklich zeigten sich, sobald Herr v. Arnim das Ministerium über¬
nommen hatte, Versuche, allerlei Ideen zu realisiren, und auch diese,
daß in der Presse die verschiedenen Richtungen, die der Regierung und
die einer gewissen berechtigten Opposition, gewissermaaßen Fleisch und
Blut gewinnen sollten. Man glaubte, wenn ich mir die an den
Tag gekommenen Verwaltungsmaßregeln und die gelegentlich in Ver¬
fügungen ausgesprochenen Maximen richtig deute, daß die zu hastig
und auswüchsig emporgeschossene oppositionelle Presse erst wieder ein
wenig gedampft werden müßte, theils damit sie sich in den Bahnen


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0050" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/181860"/>
            <p xml:id="ID_93" prev="#ID_92"> sondern er nimmt uns unter seine Ob-Acht, d. h, Aufsicht, ist gleich¬<lb/>
sam der literarische Polizeiinspector, und in diesem Sinne Beobach¬<lb/>
ter, Beaufsichtiger, Inspector, Superintendent.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_94" next="#ID_95"> Scherz bei Seite, ich finde es empörend, daß Anlaß gegeben ist,<lb/>
die Misere solcher Blatter, welche in jeder Nummer durch Taktlosig¬<lb/>
keiten, Rohheiten und Erbärmlichkeiten unsere Verachtung oder unsern<lb/>
Spott herausfordern, mit der Sache der Regierung zu identificiren.<lb/>
Niemand kann geneigter sein, als ich es bin, wohlbedachte Maßregeln<lb/>
der Regierung gegen den Unverstand der einsichtlosen, leidenschaftlichen,<lb/>
wankelmüthigen Menge in Schutz zu nehmen, und in Anerkennung<lb/>
der unsäglichen Schwierigkeiten, von denen jedes Verwaltungswesen<lb/>
auf allen Seiten umringt ist, selbst offenbare Irthümer und Fehler<lb/>
der Behörden nur mit Nachsicht und Schonung zu berühren. Aber<lb/>
den Fehler, welchen man durch Unterstützung dieser elenden halb-<lb/>
officiellen oder officiösen Organe begangen hat, kann man, glaube<lb/>
ich, im Interesse der Regierung selbst, nicht scharf genug her¬<lb/>
vorheben. Der Gedanke, daß man der Presse nur dann eine grö¬<lb/>
ßere Freiheit verstatten kann, wenn man sich erst eine Anzahl von<lb/>
Organen, welche die Sache der Regierung führen, verschafft habe,<lb/>
scheint ein Kind des Ministeriums Arnim zu sein, und ich vermuthe<lb/>
stark, ein Geisteserzeugniß dieses vormaligen Ministers, des Herrn<lb/>
von Arnim selbst. Herr von Arnim ist, so viel ich weiß, kein streng<lb/>
und formell gebildeter Bureaukrat; er hat nicht so eigentlich von der<lb/>
Pike auf gedient, sondern immer in den Verwaltungszweigen, in de¬<lb/>
nen er arbeitete, eine Art exceptioneller Stellung gehabt: er faßte die<lb/>
Büreaugeschäfte, so zu sagen, und ich glaube sogar, nicht blos so zu<lb/>
sagen, sondern wirklich, mit Glacehandschuhen an, nahm mehr Notiz<lb/>
von den Einrichtungen, als daß er sich von ihnen wie in Rad in der Ma¬<lb/>
schine treiben ließ; und so mag es gekommen sein, daß das Wesen des<lb/>
Verwaltungsmechanismus mit seiner Person nicht verwuchs. Er blieb<lb/>
Ideen zugänglich, konnte sich die jetzt in Preußen zur Herrschaft ge¬<lb/>
langte Intention recht gut assimiliren, daß die Dinge sich organisch<lb/>
gestalten müßten, aber natürlich unter der Hand Derer welche die<lb/>
Macht haben, dem was sich gestalten soll, die Form zu geben; und<lb/>
wirklich zeigten sich, sobald Herr v. Arnim das Ministerium über¬<lb/>
nommen hatte, Versuche, allerlei Ideen zu realisiren, und auch diese,<lb/>
daß in der Presse die verschiedenen Richtungen, die der Regierung und<lb/>
die einer gewissen berechtigten Opposition, gewissermaaßen Fleisch und<lb/>
Blut gewinnen sollten. Man glaubte, wenn ich mir die an den<lb/>
Tag gekommenen Verwaltungsmaßregeln und die gelegentlich in Ver¬<lb/>
fügungen ausgesprochenen Maximen richtig deute, daß die zu hastig<lb/>
und auswüchsig emporgeschossene oppositionelle Presse erst wieder ein<lb/>
wenig gedampft werden müßte, theils damit sie sich in den Bahnen</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0050] sondern er nimmt uns unter seine Ob-Acht, d. h, Aufsicht, ist gleich¬ sam der literarische Polizeiinspector, und in diesem Sinne Beobach¬ ter, Beaufsichtiger, Inspector, Superintendent. Scherz bei Seite, ich finde es empörend, daß Anlaß gegeben ist, die Misere solcher Blatter, welche in jeder Nummer durch Taktlosig¬ keiten, Rohheiten und Erbärmlichkeiten unsere Verachtung oder unsern Spott herausfordern, mit der Sache der Regierung zu identificiren. Niemand kann geneigter sein, als ich es bin, wohlbedachte Maßregeln der Regierung gegen den Unverstand der einsichtlosen, leidenschaftlichen, wankelmüthigen Menge in Schutz zu nehmen, und in Anerkennung der unsäglichen Schwierigkeiten, von denen jedes Verwaltungswesen auf allen Seiten umringt ist, selbst offenbare Irthümer und Fehler der Behörden nur mit Nachsicht und Schonung zu berühren. Aber den Fehler, welchen man durch Unterstützung dieser elenden halb- officiellen oder officiösen Organe begangen hat, kann man, glaube ich, im Interesse der Regierung selbst, nicht scharf genug her¬ vorheben. Der Gedanke, daß man der Presse nur dann eine grö¬ ßere Freiheit verstatten kann, wenn man sich erst eine Anzahl von Organen, welche die Sache der Regierung führen, verschafft habe, scheint ein Kind des Ministeriums Arnim zu sein, und ich vermuthe stark, ein Geisteserzeugniß dieses vormaligen Ministers, des Herrn von Arnim selbst. Herr von Arnim ist, so viel ich weiß, kein streng und formell gebildeter Bureaukrat; er hat nicht so eigentlich von der Pike auf gedient, sondern immer in den Verwaltungszweigen, in de¬ nen er arbeitete, eine Art exceptioneller Stellung gehabt: er faßte die Büreaugeschäfte, so zu sagen, und ich glaube sogar, nicht blos so zu sagen, sondern wirklich, mit Glacehandschuhen an, nahm mehr Notiz von den Einrichtungen, als daß er sich von ihnen wie in Rad in der Ma¬ schine treiben ließ; und so mag es gekommen sein, daß das Wesen des Verwaltungsmechanismus mit seiner Person nicht verwuchs. Er blieb Ideen zugänglich, konnte sich die jetzt in Preußen zur Herrschaft ge¬ langte Intention recht gut assimiliren, daß die Dinge sich organisch gestalten müßten, aber natürlich unter der Hand Derer welche die Macht haben, dem was sich gestalten soll, die Form zu geben; und wirklich zeigten sich, sobald Herr v. Arnim das Ministerium über¬ nommen hatte, Versuche, allerlei Ideen zu realisiren, und auch diese, daß in der Presse die verschiedenen Richtungen, die der Regierung und die einer gewissen berechtigten Opposition, gewissermaaßen Fleisch und Blut gewinnen sollten. Man glaubte, wenn ich mir die an den Tag gekommenen Verwaltungsmaßregeln und die gelegentlich in Ver¬ fügungen ausgesprochenen Maximen richtig deute, daß die zu hastig und auswüchsig emporgeschossene oppositionelle Presse erst wieder ein wenig gedampft werden müßte, theils damit sie sich in den Bahnen

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_181809
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_181809/50
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_181809/50>, abgerufen am 15.05.2024.