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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. I. Band.

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UM Manuskript bedrängte. -- Gut, sagte Jsidor, geben Sie mir
einen Gegenstand. -- "Das Licht da oben im Thurme." --
Gut! --

So dachte Jstdor und er begann seine "Gänge durch
Prag" zu schreibe", die allen geheimen Zauber der alten
Stadt in fantastischen Bildern wiederspiegeln. -- Das "Licht im
Thurme" das "Observatorium" "Dalibor," "das Juden-
begräbniß" :c. sind im wunderbaren Halbdunkel fantastisch ge¬
malte Bilder. -- Schade um "die Kettenbrücke" und um
"Jenny Lutz er" die von der Censur gestrichen wurden. -- Er
konnte aus Allem poetische Funken schlagen, er verstand es, alles
Prosaische zu vergolden. Er sagt es selbst- Poesie eine Art al¬
chymistisch Treiben, wirft zwar wenig Gold ab, aber man vertieft
sich;--Eine Novelle von ihm "der-erste April"ist die tragischeste
von Humor sprühende Geschichte zweier Träumer. -- Seine eigene
Geschichte ist meist ebenso sonderbar, ebenso ein Gemisch von Tra¬
gik und Humor, wie seine Dichtungen. Im Jahre 1836, kaum 24
Jahre alt, ergreift er plötzlich den Wanderstab und läuft gen
Spanien um den Cristinos und der Freiheit zu helfen. Er kommt
aber blos bis Nancy; hier will ihn ein französischer Beamter, der
Spanien und seine Freiheit besser kannte als der deutsche Poet,
aus Mitleid für seine Jugend, aus Interesse an dem feurigen
Jünglingsherzcn nicht für die Fremdenlegion annehmen. -- Er will
weiter und in Lyon oder in Spanien selbst sein Glück versuchen. --
Aber ein schönes Abentheuer hält ihn in Nancy zurück. Immer will
er fort, immer bleibt er. -- So vergehen Monate. -- Da, eines Tages
findet er zufällig bei einem Handwerker ein Buch; er schlägt es auf, er liest.-
es ist Wallenstein! -- deutsche Verse; -- deutsche Worte; -- die
deutsche Sehnsucht erwacht, und mitten im schrecklichsten Winter
wandert Jstdor Heller durch Lothringen, Elsaß, Baden, Schwaben,
Baiern nach Wien. -- Es war das eine Fahrt so reich an Aben-
theuern und so mühevoll wie die Erpedition des Capitain Roß.
-- Karl Beck hat sich zu seinem Biographen gemacht; der eine


Grenzboten, 184"!. l. 9

UM Manuskript bedrängte. — Gut, sagte Jsidor, geben Sie mir
einen Gegenstand. — „Das Licht da oben im Thurme." —
Gut! —

So dachte Jstdor und er begann seine „Gänge durch
Prag" zu schreibe», die allen geheimen Zauber der alten
Stadt in fantastischen Bildern wiederspiegeln. — Das „Licht im
Thurme" das „Observatorium" „Dalibor," „das Juden-
begräbniß" :c. sind im wunderbaren Halbdunkel fantastisch ge¬
malte Bilder. — Schade um „die Kettenbrücke" und um
„Jenny Lutz er" die von der Censur gestrichen wurden. — Er
konnte aus Allem poetische Funken schlagen, er verstand es, alles
Prosaische zu vergolden. Er sagt es selbst- Poesie eine Art al¬
chymistisch Treiben, wirft zwar wenig Gold ab, aber man vertieft
sich;--Eine Novelle von ihm „der-erste April"ist die tragischeste
von Humor sprühende Geschichte zweier Träumer. — Seine eigene
Geschichte ist meist ebenso sonderbar, ebenso ein Gemisch von Tra¬
gik und Humor, wie seine Dichtungen. Im Jahre 1836, kaum 24
Jahre alt, ergreift er plötzlich den Wanderstab und läuft gen
Spanien um den Cristinos und der Freiheit zu helfen. Er kommt
aber blos bis Nancy; hier will ihn ein französischer Beamter, der
Spanien und seine Freiheit besser kannte als der deutsche Poet,
aus Mitleid für seine Jugend, aus Interesse an dem feurigen
Jünglingsherzcn nicht für die Fremdenlegion annehmen. — Er will
weiter und in Lyon oder in Spanien selbst sein Glück versuchen. —
Aber ein schönes Abentheuer hält ihn in Nancy zurück. Immer will
er fort, immer bleibt er. — So vergehen Monate. — Da, eines Tages
findet er zufällig bei einem Handwerker ein Buch; er schlägt es auf, er liest.-
es ist Wallenstein! — deutsche Verse; — deutsche Worte; — die
deutsche Sehnsucht erwacht, und mitten im schrecklichsten Winter
wandert Jstdor Heller durch Lothringen, Elsaß, Baden, Schwaben,
Baiern nach Wien. — Es war das eine Fahrt so reich an Aben-
theuern und so mühevoll wie die Erpedition des Capitain Roß.
— Karl Beck hat sich zu seinem Biographen gemacht; der eine


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[0073] UM Manuskript bedrängte. — Gut, sagte Jsidor, geben Sie mir einen Gegenstand. — „Das Licht da oben im Thurme." — Gut! — So dachte Jstdor und er begann seine „Gänge durch Prag" zu schreibe», die allen geheimen Zauber der alten Stadt in fantastischen Bildern wiederspiegeln. — Das „Licht im Thurme" das „Observatorium" „Dalibor," „das Juden- begräbniß" :c. sind im wunderbaren Halbdunkel fantastisch ge¬ malte Bilder. — Schade um „die Kettenbrücke" und um „Jenny Lutz er" die von der Censur gestrichen wurden. — Er konnte aus Allem poetische Funken schlagen, er verstand es, alles Prosaische zu vergolden. Er sagt es selbst- Poesie eine Art al¬ chymistisch Treiben, wirft zwar wenig Gold ab, aber man vertieft sich;--Eine Novelle von ihm „der-erste April"ist die tragischeste von Humor sprühende Geschichte zweier Träumer. — Seine eigene Geschichte ist meist ebenso sonderbar, ebenso ein Gemisch von Tra¬ gik und Humor, wie seine Dichtungen. Im Jahre 1836, kaum 24 Jahre alt, ergreift er plötzlich den Wanderstab und läuft gen Spanien um den Cristinos und der Freiheit zu helfen. Er kommt aber blos bis Nancy; hier will ihn ein französischer Beamter, der Spanien und seine Freiheit besser kannte als der deutsche Poet, aus Mitleid für seine Jugend, aus Interesse an dem feurigen Jünglingsherzcn nicht für die Fremdenlegion annehmen. — Er will weiter und in Lyon oder in Spanien selbst sein Glück versuchen. — Aber ein schönes Abentheuer hält ihn in Nancy zurück. Immer will er fort, immer bleibt er. — So vergehen Monate. — Da, eines Tages findet er zufällig bei einem Handwerker ein Buch; er schlägt es auf, er liest.- es ist Wallenstein! — deutsche Verse; — deutsche Worte; — die deutsche Sehnsucht erwacht, und mitten im schrecklichsten Winter wandert Jstdor Heller durch Lothringen, Elsaß, Baden, Schwaben, Baiern nach Wien. — Es war das eine Fahrt so reich an Aben- theuern und so mühevoll wie die Erpedition des Capitain Roß. — Karl Beck hat sich zu seinem Biographen gemacht; der eine Grenzboten, 184«!. l. 9

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_181809/73>, abgerufen am 31.05.2024.