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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. I. Band.

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wann er uns weniger als mit seinen Erzählungen von alten Dich¬
tern aus allen Sprachen. -- .Er ist der Sohn einer englischen
Mutter, und die Sprache und Literatur Altenglands sind ihm eben
so geläufig wie die Sprache und Literatur des alten und des jun¬
gen Deutschlands. -- Er singt uralte schottische Beladen und
Volkslieder, als wäre er in der Nähe der Fingalöhöhle und nicht
in'der Nähe des Ziökabcrges aufgewachsen. -- Durch ihn erfuh¬
ren wir zuerst vom alten Faust-Marlow, von Gray, Chatterton,
Savage, Shelley, Elliot, KeatS -- und von all den Poeten, die
durch den großen Schatten Shakspeares und Byrons bedeckt wer¬
den und unbekannt bleiben. -- Hartmann kümmerte sich mehr um
das Buch des Lebens als um "alten Pergamentcswust und gothi¬
sches Geschmiere." Er war ewig von Abentheuern umgeben und
führte ein stets bewegtes Leben, wie sehr es auch äußere Umstände
und seine Hofmeistcrei zu beschränken suchten. -- Man las da¬
mals in gewissen Kreisen Laubes junges Europa und nannte ihn
nach einem der Helden Hyppolit. -- Man glaubte ihn damit zu
ärgern, aber es war ihm vollkommen recht. -- Hartmann war
damals Student, Hofmeister, Poet und Lebemann zugleich; am
wenigsten von allem war der Hofmeister an ihm zu spüren. --
Der arme, ich glaube Wilhelm hieß er, -- sein Schüler! -- Ost
bedauerte ich ihn, wenn er in unserer Gesellschaft an Hartmann'ö
Arme daher lief und immer von Trauerspielhelden und Heldinnen
hören mußte. -- Entweder er hat sich sehr gelangweilt, oder er
schrieb selbst schon Trauerspiele.

Eine Scene, einen gewissen Rothen - Thurm - Abend ver¬
gesse ich hoffentlich nie. JMus Mosen hatte seinen Ahasver
auf Subscription herausgegeben. -- Wir liebten ihn seines Ritter
Wahn wegen und subscribirten. -- Ahasver war angekommen,
und beim rothen Thurm wurden die schönsten Stellen vorgelesen.

Durch die pompösen Verse, durch starke Cigarren und guten
Kaffee waren wir bald alle in einem gewissen Zustande gelinden
Rausches. -- Mosen spielte eine Hauptrolle. Von seinen schönen


wann er uns weniger als mit seinen Erzählungen von alten Dich¬
tern aus allen Sprachen. — .Er ist der Sohn einer englischen
Mutter, und die Sprache und Literatur Altenglands sind ihm eben
so geläufig wie die Sprache und Literatur des alten und des jun¬
gen Deutschlands. — Er singt uralte schottische Beladen und
Volkslieder, als wäre er in der Nähe der Fingalöhöhle und nicht
in'der Nähe des Ziökabcrges aufgewachsen. — Durch ihn erfuh¬
ren wir zuerst vom alten Faust-Marlow, von Gray, Chatterton,
Savage, Shelley, Elliot, KeatS — und von all den Poeten, die
durch den großen Schatten Shakspeares und Byrons bedeckt wer¬
den und unbekannt bleiben. — Hartmann kümmerte sich mehr um
das Buch des Lebens als um „alten Pergamentcswust und gothi¬
sches Geschmiere." Er war ewig von Abentheuern umgeben und
führte ein stets bewegtes Leben, wie sehr es auch äußere Umstände
und seine Hofmeistcrei zu beschränken suchten. — Man las da¬
mals in gewissen Kreisen Laubes junges Europa und nannte ihn
nach einem der Helden Hyppolit. — Man glaubte ihn damit zu
ärgern, aber es war ihm vollkommen recht. — Hartmann war
damals Student, Hofmeister, Poet und Lebemann zugleich; am
wenigsten von allem war der Hofmeister an ihm zu spüren. —
Der arme, ich glaube Wilhelm hieß er, — sein Schüler! — Ost
bedauerte ich ihn, wenn er in unserer Gesellschaft an Hartmann'ö
Arme daher lief und immer von Trauerspielhelden und Heldinnen
hören mußte. — Entweder er hat sich sehr gelangweilt, oder er
schrieb selbst schon Trauerspiele.

Eine Scene, einen gewissen Rothen - Thurm - Abend ver¬
gesse ich hoffentlich nie. JMus Mosen hatte seinen Ahasver
auf Subscription herausgegeben. — Wir liebten ihn seines Ritter
Wahn wegen und subscribirten. — Ahasver war angekommen,
und beim rothen Thurm wurden die schönsten Stellen vorgelesen.

Durch die pompösen Verse, durch starke Cigarren und guten
Kaffee waren wir bald alle in einem gewissen Zustande gelinden
Rausches. — Mosen spielte eine Hauptrolle. Von seinen schönen


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[0080] wann er uns weniger als mit seinen Erzählungen von alten Dich¬ tern aus allen Sprachen. — .Er ist der Sohn einer englischen Mutter, und die Sprache und Literatur Altenglands sind ihm eben so geläufig wie die Sprache und Literatur des alten und des jun¬ gen Deutschlands. — Er singt uralte schottische Beladen und Volkslieder, als wäre er in der Nähe der Fingalöhöhle und nicht in'der Nähe des Ziökabcrges aufgewachsen. — Durch ihn erfuh¬ ren wir zuerst vom alten Faust-Marlow, von Gray, Chatterton, Savage, Shelley, Elliot, KeatS — und von all den Poeten, die durch den großen Schatten Shakspeares und Byrons bedeckt wer¬ den und unbekannt bleiben. — Hartmann kümmerte sich mehr um das Buch des Lebens als um „alten Pergamentcswust und gothi¬ sches Geschmiere." Er war ewig von Abentheuern umgeben und führte ein stets bewegtes Leben, wie sehr es auch äußere Umstände und seine Hofmeistcrei zu beschränken suchten. — Man las da¬ mals in gewissen Kreisen Laubes junges Europa und nannte ihn nach einem der Helden Hyppolit. — Man glaubte ihn damit zu ärgern, aber es war ihm vollkommen recht. — Hartmann war damals Student, Hofmeister, Poet und Lebemann zugleich; am wenigsten von allem war der Hofmeister an ihm zu spüren. — Der arme, ich glaube Wilhelm hieß er, — sein Schüler! — Ost bedauerte ich ihn, wenn er in unserer Gesellschaft an Hartmann'ö Arme daher lief und immer von Trauerspielhelden und Heldinnen hören mußte. — Entweder er hat sich sehr gelangweilt, oder er schrieb selbst schon Trauerspiele. Eine Scene, einen gewissen Rothen - Thurm - Abend ver¬ gesse ich hoffentlich nie. JMus Mosen hatte seinen Ahasver auf Subscription herausgegeben. — Wir liebten ihn seines Ritter Wahn wegen und subscribirten. — Ahasver war angekommen, und beim rothen Thurm wurden die schönsten Stellen vorgelesen. Durch die pompösen Verse, durch starke Cigarren und guten Kaffee waren wir bald alle in einem gewissen Zustande gelinden Rausches. — Mosen spielte eine Hauptrolle. Von seinen schönen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_181809/80>, abgerufen am 31.05.2024.