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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. I. Band.

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mögliche Ehr- erwiesen, diese, es sei ihm KM begegnet worden, und
in Allem nur so viel geschehen, als durchaus nicht zu vermeiden war,
wenn man den nothdürftigen Anstand nicht verletzen wollte: nicht
einmal die Geschenke welche der Kaiser erhielt, seien ihm im Namen
des Papstes gemacht worden, sondern nur im Namen der Vorstande
verschiedener Kunstanstalten welche er besuchte; die römische No¬
blesse habe sich gar nicht um ihn gekümmert. Jene erzählen, wie
der Kaiser sich einen Gegenbesuch des heiligen Vaters aufs ernstlichste
verbeten habe; diese sagen: ja, weil er durch vorangegangene Unter¬
handlungen wußte, daß er ihn keinesfalls empfangen würde. Und
auf die Beleuchtung der Petcrskuppel, setzen sie hinzu, hat der CM-
sogar angespielt, aber keine Lampe hat man ihm angezündet. Ach,
das hat die und die Ursachen gehabt, sagen die Anderen; kein Miß-
wollen lag dem zu Grunde. Von der einen Seite wird versichert,
der Kaiser habe strenge Untersuchung und Abstellung aller Beschwer¬
den versprochen, von der anderen, er habe alles was nach Rom be¬
richtet worden sei, für Verleumdung erklärt und nicht die geringste
Hoffnung auf eine bessere Zukunft der römischen Kirche in seinem
Reiche gegeben.

Letzteres weiß ich sogar aus dem Munde eines Hochgestellten.
Indessen warum sollte der Kaiser nicht strenge Untersuchung und Ab¬
stellung "gerechter" Beschwerden versprochen haben? Das konnte er
ja thun, ohne sich im Geringsten zu binden. Bleibt ihm doch die
Entscheidung, was gerechte Beschwerden sind. Ist es richtig, was ich
derselben Quelle verdanke, daß Lambruschini, nachdem er den Czaren
gesprochen, geäußert habe, "von diesem Manne sei nichts zu erwar¬
ten", so deutet man sich diese Aeußerung doch wohl falsch, wenn man
weint, daß sie auf eine directe Zurückweisung der römischen Anliegen
zu beziehen sei; vielmehr möchte der Cardinal eher indirecter Weise
aus dem Eindrucke, welchen ihm der Czar machte, und aus dem
Mangel bestimmter Zusagen, auf die Hoffnungslosigkeit der römischen
Kirche in Rußland geschlossen haben. Es ist sehr wahrscheinlich, daß
beide Behauptungen richtig sind: der Kaiser kann ja doch und wird
auch wohl aufs Höflichste "alles Mögliche" versprochen, und somit
nichts versprochen haben. Wie sollten aber die klugen Handhab"
der römischen Gewalt nicht fühlen, daß als Folge dieses kaiserlichen
Besuches für die römische Sache nicht nur nichts zu hoffen, sondern
im Gegentheile mehr denn je zu fürchten ist? Welche Waffe giebt
nicht der russischen Regierung dem römisch-katholischen Theile ihrer
Unterthanen gegenüber die, wenn auch immer nur rücksichtsvolle, Be¬
gegnung in die Hand, welche der Czar in Rom gefunden hat, dieser
Handkuß, mit welchem er den Papst verehrte, diese Umarmung, mit
welcher der Papst die Verehrung bezahlte! Arme Polen! Die Träger
der beiden Gewalten, unter deren entgegengesetztem Federdruck euere Her¬
zen schlagen, haben sich geküßt. Vor der rauhen Hand der einen flüchte-


mögliche Ehr- erwiesen, diese, es sei ihm KM begegnet worden, und
in Allem nur so viel geschehen, als durchaus nicht zu vermeiden war,
wenn man den nothdürftigen Anstand nicht verletzen wollte: nicht
einmal die Geschenke welche der Kaiser erhielt, seien ihm im Namen
des Papstes gemacht worden, sondern nur im Namen der Vorstande
verschiedener Kunstanstalten welche er besuchte; die römische No¬
blesse habe sich gar nicht um ihn gekümmert. Jene erzählen, wie
der Kaiser sich einen Gegenbesuch des heiligen Vaters aufs ernstlichste
verbeten habe; diese sagen: ja, weil er durch vorangegangene Unter¬
handlungen wußte, daß er ihn keinesfalls empfangen würde. Und
auf die Beleuchtung der Petcrskuppel, setzen sie hinzu, hat der CM-
sogar angespielt, aber keine Lampe hat man ihm angezündet. Ach,
das hat die und die Ursachen gehabt, sagen die Anderen; kein Miß-
wollen lag dem zu Grunde. Von der einen Seite wird versichert,
der Kaiser habe strenge Untersuchung und Abstellung aller Beschwer¬
den versprochen, von der anderen, er habe alles was nach Rom be¬
richtet worden sei, für Verleumdung erklärt und nicht die geringste
Hoffnung auf eine bessere Zukunft der römischen Kirche in seinem
Reiche gegeben.

Letzteres weiß ich sogar aus dem Munde eines Hochgestellten.
Indessen warum sollte der Kaiser nicht strenge Untersuchung und Ab¬
stellung „gerechter" Beschwerden versprochen haben? Das konnte er
ja thun, ohne sich im Geringsten zu binden. Bleibt ihm doch die
Entscheidung, was gerechte Beschwerden sind. Ist es richtig, was ich
derselben Quelle verdanke, daß Lambruschini, nachdem er den Czaren
gesprochen, geäußert habe, „von diesem Manne sei nichts zu erwar¬
ten", so deutet man sich diese Aeußerung doch wohl falsch, wenn man
weint, daß sie auf eine directe Zurückweisung der römischen Anliegen
zu beziehen sei; vielmehr möchte der Cardinal eher indirecter Weise
aus dem Eindrucke, welchen ihm der Czar machte, und aus dem
Mangel bestimmter Zusagen, auf die Hoffnungslosigkeit der römischen
Kirche in Rußland geschlossen haben. Es ist sehr wahrscheinlich, daß
beide Behauptungen richtig sind: der Kaiser kann ja doch und wird
auch wohl aufs Höflichste „alles Mögliche" versprochen, und somit
nichts versprochen haben. Wie sollten aber die klugen Handhab»
der römischen Gewalt nicht fühlen, daß als Folge dieses kaiserlichen
Besuches für die römische Sache nicht nur nichts zu hoffen, sondern
im Gegentheile mehr denn je zu fürchten ist? Welche Waffe giebt
nicht der russischen Regierung dem römisch-katholischen Theile ihrer
Unterthanen gegenüber die, wenn auch immer nur rücksichtsvolle, Be¬
gegnung in die Hand, welche der Czar in Rom gefunden hat, dieser
Handkuß, mit welchem er den Papst verehrte, diese Umarmung, mit
welcher der Papst die Verehrung bezahlte! Arme Polen! Die Träger
der beiden Gewalten, unter deren entgegengesetztem Federdruck euere Her¬
zen schlagen, haben sich geküßt. Vor der rauhen Hand der einen flüchte-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_181809/96>, abgerufen am 15.05.2024.