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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. II. Band.

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Besonderes, mein Herr Baron," antwortete der Geistliche. "Sie mel¬
dete sich nochmals auf dem Postamte wegen des Packeis, das meine
Amalia Denenselben überreichte und Sie dann auf der Erpedition ab¬
gaben. Es hatte solches später Herr Masser an sich genommen, bei
selbigem sie es finaliter abgeholt." -- "Dieser Herr Masser schien mit
ihr nicht im besten Vernehmen zu stehen," bemerkte Mainhard. -- "Sie
soll ein sehr bösartiges Frauenzimmer sein, wie Herr Masser meiner
Amalia gesagt," erwiederte der Pfarrer. -- "Baron, Sie scheinen viel
Antheil an der Dame zu nehmen," sagte die älteste Comtesse lächelnd.
--- "Eine Dame war es nicht," entgegnete Mainhard, "nur eine arme,
alte Frau, welche in ihrem Auöwanderungsplan gescheitert ist. Es
muß ein trauriges Wiederanknüpfen sein, wenn man sich einmal los¬
gerissen hat, fast so, als wenn Einer, den man längst für todt erklärt
und dessen Rechte an Andere vergeben sind, wiederkehrt, wo kein Platz
mehr für ihn ist."

Der Graf wurde von der Tafel herausgerufen.

Mainhard erzählte unterdessen, von der Wendung des Gesprächs
darauf geführt, daß kürzlich ein alter Geschäftsfreund seines Hauses
aus Amerika zurückgekehrt sei, um auf deutscher Erde zu sterben, und
nun vergebens nach seinem letzten Verwandten umherforsche, den er
seit langer Zeit unterstützt habe, und von dein sich endlich herausge¬
stellt, daß er auf schändliche Weise um diese Unterstützung betrogen
worden sei. Der Agent, welcher ohne Zweifel die Gelder unterschla¬
gen, sei todt -- und vielleicht durch den Betrogenen selbst getödtet
worden. So weit gingen die Nachrichten, welche Mainhard mitzu¬
theilen hatte. Sein alter Geschäftsfreund war mit ihm hier verabredeter
Maßen zusammengetroffen und gleich nach der Gegend weiter gereist,
wo sich das Alles zugetragen hatte.

Eben trat der Graf wieder ein. Die Augen der Damm forschten
aus seinem Gesichte, der gute Ton wehrte zu fragen. Im Vorüber¬
gehen raunte er Mainhard zu : "Der Name des Erhängten ist ermit¬
telt. Seine Großmutter war hier."

(Die zweite und letzte Abtheilung folgt im nächste" Hest).




Besonderes, mein Herr Baron," antwortete der Geistliche. „Sie mel¬
dete sich nochmals auf dem Postamte wegen des Packeis, das meine
Amalia Denenselben überreichte und Sie dann auf der Erpedition ab¬
gaben. Es hatte solches später Herr Masser an sich genommen, bei
selbigem sie es finaliter abgeholt." — „Dieser Herr Masser schien mit
ihr nicht im besten Vernehmen zu stehen," bemerkte Mainhard. — „Sie
soll ein sehr bösartiges Frauenzimmer sein, wie Herr Masser meiner
Amalia gesagt," erwiederte der Pfarrer. — „Baron, Sie scheinen viel
Antheil an der Dame zu nehmen," sagte die älteste Comtesse lächelnd.
—- „Eine Dame war es nicht," entgegnete Mainhard, „nur eine arme,
alte Frau, welche in ihrem Auöwanderungsplan gescheitert ist. Es
muß ein trauriges Wiederanknüpfen sein, wenn man sich einmal los¬
gerissen hat, fast so, als wenn Einer, den man längst für todt erklärt
und dessen Rechte an Andere vergeben sind, wiederkehrt, wo kein Platz
mehr für ihn ist."

Der Graf wurde von der Tafel herausgerufen.

Mainhard erzählte unterdessen, von der Wendung des Gesprächs
darauf geführt, daß kürzlich ein alter Geschäftsfreund seines Hauses
aus Amerika zurückgekehrt sei, um auf deutscher Erde zu sterben, und
nun vergebens nach seinem letzten Verwandten umherforsche, den er
seit langer Zeit unterstützt habe, und von dein sich endlich herausge¬
stellt, daß er auf schändliche Weise um diese Unterstützung betrogen
worden sei. Der Agent, welcher ohne Zweifel die Gelder unterschla¬
gen, sei todt — und vielleicht durch den Betrogenen selbst getödtet
worden. So weit gingen die Nachrichten, welche Mainhard mitzu¬
theilen hatte. Sein alter Geschäftsfreund war mit ihm hier verabredeter
Maßen zusammengetroffen und gleich nach der Gegend weiter gereist,
wo sich das Alles zugetragen hatte.

Eben trat der Graf wieder ein. Die Augen der Damm forschten
aus seinem Gesichte, der gute Ton wehrte zu fragen. Im Vorüber¬
gehen raunte er Mainhard zu : „Der Name des Erhängten ist ermit¬
telt. Seine Großmutter war hier."

(Die zweite und letzte Abtheilung folgt im nächste» Hest).




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[0166] Besonderes, mein Herr Baron," antwortete der Geistliche. „Sie mel¬ dete sich nochmals auf dem Postamte wegen des Packeis, das meine Amalia Denenselben überreichte und Sie dann auf der Erpedition ab¬ gaben. Es hatte solches später Herr Masser an sich genommen, bei selbigem sie es finaliter abgeholt." — „Dieser Herr Masser schien mit ihr nicht im besten Vernehmen zu stehen," bemerkte Mainhard. — „Sie soll ein sehr bösartiges Frauenzimmer sein, wie Herr Masser meiner Amalia gesagt," erwiederte der Pfarrer. — „Baron, Sie scheinen viel Antheil an der Dame zu nehmen," sagte die älteste Comtesse lächelnd. —- „Eine Dame war es nicht," entgegnete Mainhard, „nur eine arme, alte Frau, welche in ihrem Auöwanderungsplan gescheitert ist. Es muß ein trauriges Wiederanknüpfen sein, wenn man sich einmal los¬ gerissen hat, fast so, als wenn Einer, den man längst für todt erklärt und dessen Rechte an Andere vergeben sind, wiederkehrt, wo kein Platz mehr für ihn ist." Der Graf wurde von der Tafel herausgerufen. Mainhard erzählte unterdessen, von der Wendung des Gesprächs darauf geführt, daß kürzlich ein alter Geschäftsfreund seines Hauses aus Amerika zurückgekehrt sei, um auf deutscher Erde zu sterben, und nun vergebens nach seinem letzten Verwandten umherforsche, den er seit langer Zeit unterstützt habe, und von dein sich endlich herausge¬ stellt, daß er auf schändliche Weise um diese Unterstützung betrogen worden sei. Der Agent, welcher ohne Zweifel die Gelder unterschla¬ gen, sei todt — und vielleicht durch den Betrogenen selbst getödtet worden. So weit gingen die Nachrichten, welche Mainhard mitzu¬ theilen hatte. Sein alter Geschäftsfreund war mit ihm hier verabredeter Maßen zusammengetroffen und gleich nach der Gegend weiter gereist, wo sich das Alles zugetragen hatte. Eben trat der Graf wieder ein. Die Augen der Damm forschten aus seinem Gesichte, der gute Ton wehrte zu fragen. Im Vorüber¬ gehen raunte er Mainhard zu : „Der Name des Erhängten ist ermit¬ telt. Seine Großmutter war hier." (Die zweite und letzte Abtheilung folgt im nächste» Hest).

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_365120/166>, abgerufen am 28.04.2024.