Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite
Mit dummen Augen glotzet den Genossen
An der Baschkir-: "Warum auf unsern Rossen
Nicht dürfen hinüber in das Land --
Mein Pfeil ist scharf, mein Bogen ist gespannt.
"Viel Städte seh' ich dort -- o reiche Beute,
O gelbes Gold! -- ein guter Tag wär heute! --
Hinüber sprengen möcht' ich gern, fürwahr!
Gehört nicht alle Welt dem weißen Ezar?" --
"Noch nicht!" -- mit schlauem Lächeln der Kosacke --
"Ganz todt muß sein die tückische Pollacke,
Zerstampfen mit den Hufen müssen wir
Erst dieses ganze Land -- dann erst, Baschkir!" --
Doch stilles Sinnen fesselt den Tscherkessen --
Denkt er der fernen freien Berg' indessen?
Fragt er, von Seufzern eines Volkes umweht,
Ob Nicolai, ob Schamyl der Prophet? --
Er lenkt sein Roß -- von Nebeldammerungen
Ist er mit den Gefährten bald verschlungen:
Wär' nicht zu hören noch der Hufe Schlag
Man dacht', es war' ein Traum bei Hellem Tag.
Die blauen Augen, die sie sahen halten
An deutscher Grenze, glaubten Spukgestalten
Zu schauen aus einem bösen Zukunststraum --
Den wagt ein deutsches Herz zu deuten kaum! --

Moritz Hartmann.


Mit dummen Augen glotzet den Genossen
An der Baschkir-: „Warum auf unsern Rossen
Nicht dürfen hinüber in das Land —
Mein Pfeil ist scharf, mein Bogen ist gespannt.
„Viel Städte seh' ich dort — o reiche Beute,
O gelbes Gold! — ein guter Tag wär heute! —
Hinüber sprengen möcht' ich gern, fürwahr!
Gehört nicht alle Welt dem weißen Ezar?" —
„Noch nicht!" — mit schlauem Lächeln der Kosacke —
„Ganz todt muß sein die tückische Pollacke,
Zerstampfen mit den Hufen müssen wir
Erst dieses ganze Land — dann erst, Baschkir!" —
Doch stilles Sinnen fesselt den Tscherkessen —
Denkt er der fernen freien Berg' indessen?
Fragt er, von Seufzern eines Volkes umweht,
Ob Nicolai, ob Schamyl der Prophet? —
Er lenkt sein Roß — von Nebeldammerungen
Ist er mit den Gefährten bald verschlungen:
Wär' nicht zu hören noch der Hufe Schlag
Man dacht', es war' ein Traum bei Hellem Tag.
Die blauen Augen, die sie sahen halten
An deutscher Grenze, glaubten Spukgestalten
Zu schauen aus einem bösen Zukunststraum —
Den wagt ein deutsches Herz zu deuten kaum! —

Moritz Hartmann.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0028" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/182451"/>
          <lg xml:id="POEMID_2" type="poem">
            <l> Mit dummen Augen glotzet den Genossen<lb/>
An der Baschkir-: &#x201E;Warum auf unsern Rossen<lb/>
Nicht dürfen hinüber in das Land &#x2014;<lb/>
Mein Pfeil ist scharf, mein Bogen ist gespannt.</l>
            <l> &#x201E;Viel Städte seh' ich dort &#x2014; o reiche Beute,<lb/>
O gelbes Gold! &#x2014; ein guter Tag wär heute! &#x2014;<lb/>
Hinüber sprengen möcht' ich gern, fürwahr!<lb/>
Gehört nicht alle Welt dem weißen Ezar?" &#x2014;</l>
            <l> &#x201E;Noch nicht!" &#x2014; mit schlauem Lächeln der Kosacke &#x2014;<lb/>
&#x201E;Ganz todt muß sein die tückische Pollacke,<lb/>
Zerstampfen mit den Hufen müssen wir<lb/>
Erst dieses ganze Land &#x2014; dann erst, Baschkir!" &#x2014;</l>
            <l> Doch stilles Sinnen fesselt den Tscherkessen &#x2014;<lb/>
Denkt er der fernen freien Berg' indessen?<lb/>
Fragt er, von Seufzern eines Volkes umweht,<lb/>
Ob Nicolai, ob Schamyl der Prophet? &#x2014;</l>
            <l> Er lenkt sein Roß &#x2014; von Nebeldammerungen<lb/>
Ist er mit den Gefährten bald verschlungen:<lb/>
Wär' nicht zu hören noch der Hufe Schlag<lb/>
Man dacht', es war' ein Traum bei Hellem Tag.</l>
            <l> Die blauen Augen, die sie sahen halten<lb/>
An deutscher Grenze, glaubten Spukgestalten<lb/>
Zu schauen aus einem bösen Zukunststraum &#x2014;<lb/>
Den wagt ein deutsches Herz zu deuten kaum! &#x2014;</l>
          </lg><lb/>
          <note type="byline"> Moritz Hartmann.</note><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0028] Mit dummen Augen glotzet den Genossen An der Baschkir-: „Warum auf unsern Rossen Nicht dürfen hinüber in das Land — Mein Pfeil ist scharf, mein Bogen ist gespannt. „Viel Städte seh' ich dort — o reiche Beute, O gelbes Gold! — ein guter Tag wär heute! — Hinüber sprengen möcht' ich gern, fürwahr! Gehört nicht alle Welt dem weißen Ezar?" — „Noch nicht!" — mit schlauem Lächeln der Kosacke — „Ganz todt muß sein die tückische Pollacke, Zerstampfen mit den Hufen müssen wir Erst dieses ganze Land — dann erst, Baschkir!" — Doch stilles Sinnen fesselt den Tscherkessen — Denkt er der fernen freien Berg' indessen? Fragt er, von Seufzern eines Volkes umweht, Ob Nicolai, ob Schamyl der Prophet? — Er lenkt sein Roß — von Nebeldammerungen Ist er mit den Gefährten bald verschlungen: Wär' nicht zu hören noch der Hufe Schlag Man dacht', es war' ein Traum bei Hellem Tag. Die blauen Augen, die sie sahen halten An deutscher Grenze, glaubten Spukgestalten Zu schauen aus einem bösen Zukunststraum — Den wagt ein deutsches Herz zu deuten kaum! — Moritz Hartmann.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_365120
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_365120/28
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_365120/28>, abgerufen am 29.04.2024.