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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. II. Band.

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gen Oesterreich, als in andern deutschen Blätter". Daß die bremer Blät¬
ter in der Polenfragc radicaler austreten als z. B. die preußischen/ Hai
nicht in einem speciellen Haß gegen Oesterreich, sondern offenbar darin
allein seinen Grund, daß Preußen, als selbst bei der Polensache bethei-
ligt, seinen Blättern nicht so viel Freiheit gestattet, als die unbetheiligten
Hanseaten. In Bezug auf Oesterreich haben preußische Blätter im Gan¬
zen viel schärferes und Heftigeres enthalten, als die hanseatischen; aber,
wie gesagt, Herr von Hormayr ist in Bremen, die Weserzeitung erwähnt
seiner fleißig und die Unterhaltungsblätter, die sie alle Sonntage als
Beilage gibt, haben in der That einige Aufsätze aus Hormayr's Feder
enthalten; Ursache genug, um Gespenster zu sehen. Es ist ein großes
Unglück für uns Oesterreicher, daß man weder in der Staatskanzlei, noch
bei der Polizeihofstelle, auch nur eine Halbweg genaue Kenntniß der deut¬
schen Preßzustande und ihres innern Zusammenhangs hat. Da wird
Alles sogleich im schwärzesten Lichte gesehen, weil man eine Zeitung meist
nach Einzelheiten und nicht im Zusammenhange beurtheilt und weil
diese Beurtheilungen meist von einem kleinlichen Localstandpunkte aus¬
gehen und weil diese Beurtheiler meist aus engbrüstigen Pedanten und
halbgebildeter Beamten bestehen, weil von unsern sämmtlichen Censoren
keine zehn den Fuß über die österreichische Grenze gesetzt haben und weil
kein Einziger, dies getraue ich mich zu behaupten, Deutschland und
seine wahrhaften Bewegungen kennt. Auf diese Weise gibt sich Oester¬
reich oft die lächerlichsten Blößen, wie z. B. die überspannte Heftigkeit
gegen den reclam'sehen Verlag, und das komische Verbot der vossischen
und Spener'schen Zeitung. Heißt das nicht mit Kanonen auf eine Fliege
schießen und einen Floh mit der Guillotine köpfen? Wäre Oesterreich
über deutsche Preßzustände unterrichtet, so könnten ihm derlei Don-Qüi-
xotericn nicht passiren. Ueberhaupt sollte man meinen, daß, bevor un¬
sere Behörde zu einem solchen Spectakel machenden, von einem Ende
zum andern Ende Deutschlands wiederhallenden Schritte, sich entschließt,
erst die allereinfachsten Vorlagen einholt. Dieses aber thut sie nicht,
denn jeder Buchhändler hatte ihr sagen können, daß die reclam'sehen
Schriften über Oesterreich ihre Zugkraft so vollständig eingebüßt haben,
daß der Verleger diesen Zweig seines Verlags im letzten Jahre weit we¬
niger cultivirt hat. Jedes Postamt würde ihr gesagt haben, daß es für
die vossische und Spener'sche Zeitung höchstens einen oder zwei Abonnen¬
ten hat, was in Summa die bekannten zehn Exemplare gegeben hätte.
Würde man gegen zehn Exemplare ein Verbot geschleudert haben? Sicher¬
lich hätte man es nicht der Mühe werth gehalten. Daß man sich die
Mühe gab, beweist nur, daß man ohne Sachkenntniß in's Blaue hinein¬
schießt. Und man klagt über leichtsinnige Schriftsteller, während die Cen¬
sur selbst, mehr als leichtsinnig, durch einen einzigen Schritt die Ehre
Oesterreichs mehr compromittirt, als ein halbes Dutzend Schriftsteller
thun konnten.


gen Oesterreich, als in andern deutschen Blätter». Daß die bremer Blät¬
ter in der Polenfragc radicaler austreten als z. B. die preußischen/ Hai
nicht in einem speciellen Haß gegen Oesterreich, sondern offenbar darin
allein seinen Grund, daß Preußen, als selbst bei der Polensache bethei-
ligt, seinen Blättern nicht so viel Freiheit gestattet, als die unbetheiligten
Hanseaten. In Bezug auf Oesterreich haben preußische Blätter im Gan¬
zen viel schärferes und Heftigeres enthalten, als die hanseatischen; aber,
wie gesagt, Herr von Hormayr ist in Bremen, die Weserzeitung erwähnt
seiner fleißig und die Unterhaltungsblätter, die sie alle Sonntage als
Beilage gibt, haben in der That einige Aufsätze aus Hormayr's Feder
enthalten; Ursache genug, um Gespenster zu sehen. Es ist ein großes
Unglück für uns Oesterreicher, daß man weder in der Staatskanzlei, noch
bei der Polizeihofstelle, auch nur eine Halbweg genaue Kenntniß der deut¬
schen Preßzustande und ihres innern Zusammenhangs hat. Da wird
Alles sogleich im schwärzesten Lichte gesehen, weil man eine Zeitung meist
nach Einzelheiten und nicht im Zusammenhange beurtheilt und weil
diese Beurtheilungen meist von einem kleinlichen Localstandpunkte aus¬
gehen und weil diese Beurtheiler meist aus engbrüstigen Pedanten und
halbgebildeter Beamten bestehen, weil von unsern sämmtlichen Censoren
keine zehn den Fuß über die österreichische Grenze gesetzt haben und weil
kein Einziger, dies getraue ich mich zu behaupten, Deutschland und
seine wahrhaften Bewegungen kennt. Auf diese Weise gibt sich Oester¬
reich oft die lächerlichsten Blößen, wie z. B. die überspannte Heftigkeit
gegen den reclam'sehen Verlag, und das komische Verbot der vossischen
und Spener'schen Zeitung. Heißt das nicht mit Kanonen auf eine Fliege
schießen und einen Floh mit der Guillotine köpfen? Wäre Oesterreich
über deutsche Preßzustände unterrichtet, so könnten ihm derlei Don-Qüi-
xotericn nicht passiren. Ueberhaupt sollte man meinen, daß, bevor un¬
sere Behörde zu einem solchen Spectakel machenden, von einem Ende
zum andern Ende Deutschlands wiederhallenden Schritte, sich entschließt,
erst die allereinfachsten Vorlagen einholt. Dieses aber thut sie nicht,
denn jeder Buchhändler hatte ihr sagen können, daß die reclam'sehen
Schriften über Oesterreich ihre Zugkraft so vollständig eingebüßt haben,
daß der Verleger diesen Zweig seines Verlags im letzten Jahre weit we¬
niger cultivirt hat. Jedes Postamt würde ihr gesagt haben, daß es für
die vossische und Spener'sche Zeitung höchstens einen oder zwei Abonnen¬
ten hat, was in Summa die bekannten zehn Exemplare gegeben hätte.
Würde man gegen zehn Exemplare ein Verbot geschleudert haben? Sicher¬
lich hätte man es nicht der Mühe werth gehalten. Daß man sich die
Mühe gab, beweist nur, daß man ohne Sachkenntniß in's Blaue hinein¬
schießt. Und man klagt über leichtsinnige Schriftsteller, während die Cen¬
sur selbst, mehr als leichtsinnig, durch einen einzigen Schritt die Ehre
Oesterreichs mehr compromittirt, als ein halbes Dutzend Schriftsteller
thun konnten.


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[0504] gen Oesterreich, als in andern deutschen Blätter». Daß die bremer Blät¬ ter in der Polenfragc radicaler austreten als z. B. die preußischen/ Hai nicht in einem speciellen Haß gegen Oesterreich, sondern offenbar darin allein seinen Grund, daß Preußen, als selbst bei der Polensache bethei- ligt, seinen Blättern nicht so viel Freiheit gestattet, als die unbetheiligten Hanseaten. In Bezug auf Oesterreich haben preußische Blätter im Gan¬ zen viel schärferes und Heftigeres enthalten, als die hanseatischen; aber, wie gesagt, Herr von Hormayr ist in Bremen, die Weserzeitung erwähnt seiner fleißig und die Unterhaltungsblätter, die sie alle Sonntage als Beilage gibt, haben in der That einige Aufsätze aus Hormayr's Feder enthalten; Ursache genug, um Gespenster zu sehen. Es ist ein großes Unglück für uns Oesterreicher, daß man weder in der Staatskanzlei, noch bei der Polizeihofstelle, auch nur eine Halbweg genaue Kenntniß der deut¬ schen Preßzustande und ihres innern Zusammenhangs hat. Da wird Alles sogleich im schwärzesten Lichte gesehen, weil man eine Zeitung meist nach Einzelheiten und nicht im Zusammenhange beurtheilt und weil diese Beurtheilungen meist von einem kleinlichen Localstandpunkte aus¬ gehen und weil diese Beurtheiler meist aus engbrüstigen Pedanten und halbgebildeter Beamten bestehen, weil von unsern sämmtlichen Censoren keine zehn den Fuß über die österreichische Grenze gesetzt haben und weil kein Einziger, dies getraue ich mich zu behaupten, Deutschland und seine wahrhaften Bewegungen kennt. Auf diese Weise gibt sich Oester¬ reich oft die lächerlichsten Blößen, wie z. B. die überspannte Heftigkeit gegen den reclam'sehen Verlag, und das komische Verbot der vossischen und Spener'schen Zeitung. Heißt das nicht mit Kanonen auf eine Fliege schießen und einen Floh mit der Guillotine köpfen? Wäre Oesterreich über deutsche Preßzustände unterrichtet, so könnten ihm derlei Don-Qüi- xotericn nicht passiren. Ueberhaupt sollte man meinen, daß, bevor un¬ sere Behörde zu einem solchen Spectakel machenden, von einem Ende zum andern Ende Deutschlands wiederhallenden Schritte, sich entschließt, erst die allereinfachsten Vorlagen einholt. Dieses aber thut sie nicht, denn jeder Buchhändler hatte ihr sagen können, daß die reclam'sehen Schriften über Oesterreich ihre Zugkraft so vollständig eingebüßt haben, daß der Verleger diesen Zweig seines Verlags im letzten Jahre weit we¬ niger cultivirt hat. Jedes Postamt würde ihr gesagt haben, daß es für die vossische und Spener'sche Zeitung höchstens einen oder zwei Abonnen¬ ten hat, was in Summa die bekannten zehn Exemplare gegeben hätte. Würde man gegen zehn Exemplare ein Verbot geschleudert haben? Sicher¬ lich hätte man es nicht der Mühe werth gehalten. Daß man sich die Mühe gab, beweist nur, daß man ohne Sachkenntniß in's Blaue hinein¬ schießt. Und man klagt über leichtsinnige Schriftsteller, während die Cen¬ sur selbst, mehr als leichtsinnig, durch einen einzigen Schritt die Ehre Oesterreichs mehr compromittirt, als ein halbes Dutzend Schriftsteller thun konnten.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_365120/504>, abgerufen am 07.05.2024.