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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. IV. Band.

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Hastig ergriff der junge Mann das blitzende Doppelrohr; Robert
aber wandte sich an Marien, die wieder eingetreten und sich still an
den Tisch gesetzt halte.

"Sieh nur den Kennerblick! Wie der Junge das Ding zu dre¬
hen versteht! Wie er bald roth bald blaß wird! Ja auf solche Sa¬
chen muß man ihn zu bringen wissen, da ist er gleich Feuer und
Flamme!"

"Himmel! was ist das?" unterbrach ihn ängstlich Marie, "seht
nur Vater, wie seine Lippen zittern und sein Auge rollt!"

"Hahaha!" lachte der Alte, "was ihr Frauenzimmer doch für
ängstliche Schranken habt! bin in meiner Jugend accurat so gewesen!
Hahaha! accurat so, sage ich Dir."

"Vater!" rief Mar jetzt plötzlich, "es muß furchtbar sein, auf ei¬
nen Menschen zu zielen. Furchtbar!

"Warum denn?" fragte der Alte, "dessen Blicke mit sichtlichem
Wohlgefallen auf Maxens kräftiger Gestalt und seinen kühnen Augen
ruhten, "warum furchtbar? Der Prinz versicherte mir damals, es sei
der schönste Tag seines Lebens gewesen, und der Mensch wäre das
edelste Wild. Er hätte geglüht, wie vom Feuer spanischen Weines,
seine Hand hätte vor Erwartung gezittert, und deshalb wären auch
seine Kugeln am Ziele nur vorbeigeflogen."

Mar stand hoch ausgerichtet da, die Büchse lag in seinem Arme,
krampfhaft hielt seine Hand das Schloß umspannt, als läge er auf
der Lauer, und als sollte im nächsten Augenblick der rothe Strahl auf
ein Opfer gezückt werden. Seine Nasenlöcher waren weit geöffnet,
sein Mund fest zusammengepreßt, und Fieberschauer schüttelten seinen
Körper, da entfiel ihm nach dem letzten Worte des Alten plötzlich das
Gewehr, und schlug klirrend auf den Tisch, daß der Messingleuchter
hoch emporsprang, auf den Fußboden rollte und das Licht verlöschte.
Marie that einen heftigen Schrei, aber der Alte verlor seine Fassung
nicht, holte einen brennenden Holzspan aus der Küche, zündete die
Kerze wieder an, und prüfte sorgsam sein Gewehr, ob es durch den
Fall nicht gelitten hätte. Mar saß bleich in einem Stuhle und holte
tief Athem.

"Nun sage mir Junge," fing Robert jetzt an, "was Dich ange¬
wandelt?"

"Es war Nichts!" antwortete Mar kurz, "das schwere Bier, das


Hastig ergriff der junge Mann das blitzende Doppelrohr; Robert
aber wandte sich an Marien, die wieder eingetreten und sich still an
den Tisch gesetzt halte.

„Sieh nur den Kennerblick! Wie der Junge das Ding zu dre¬
hen versteht! Wie er bald roth bald blaß wird! Ja auf solche Sa¬
chen muß man ihn zu bringen wissen, da ist er gleich Feuer und
Flamme!"

„Himmel! was ist das?" unterbrach ihn ängstlich Marie, „seht
nur Vater, wie seine Lippen zittern und sein Auge rollt!"

„Hahaha!" lachte der Alte, „was ihr Frauenzimmer doch für
ängstliche Schranken habt! bin in meiner Jugend accurat so gewesen!
Hahaha! accurat so, sage ich Dir."

„Vater!" rief Mar jetzt plötzlich, „es muß furchtbar sein, auf ei¬
nen Menschen zu zielen. Furchtbar!

„Warum denn?" fragte der Alte, „dessen Blicke mit sichtlichem
Wohlgefallen auf Maxens kräftiger Gestalt und seinen kühnen Augen
ruhten, „warum furchtbar? Der Prinz versicherte mir damals, es sei
der schönste Tag seines Lebens gewesen, und der Mensch wäre das
edelste Wild. Er hätte geglüht, wie vom Feuer spanischen Weines,
seine Hand hätte vor Erwartung gezittert, und deshalb wären auch
seine Kugeln am Ziele nur vorbeigeflogen."

Mar stand hoch ausgerichtet da, die Büchse lag in seinem Arme,
krampfhaft hielt seine Hand das Schloß umspannt, als läge er auf
der Lauer, und als sollte im nächsten Augenblick der rothe Strahl auf
ein Opfer gezückt werden. Seine Nasenlöcher waren weit geöffnet,
sein Mund fest zusammengepreßt, und Fieberschauer schüttelten seinen
Körper, da entfiel ihm nach dem letzten Worte des Alten plötzlich das
Gewehr, und schlug klirrend auf den Tisch, daß der Messingleuchter
hoch emporsprang, auf den Fußboden rollte und das Licht verlöschte.
Marie that einen heftigen Schrei, aber der Alte verlor seine Fassung
nicht, holte einen brennenden Holzspan aus der Küche, zündete die
Kerze wieder an, und prüfte sorgsam sein Gewehr, ob es durch den
Fall nicht gelitten hätte. Mar saß bleich in einem Stuhle und holte
tief Athem.

„Nun sage mir Junge," fing Robert jetzt an, „was Dich ange¬
wandelt?"

„Es war Nichts!" antwortete Mar kurz, „das schwere Bier, das


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[0162] Hastig ergriff der junge Mann das blitzende Doppelrohr; Robert aber wandte sich an Marien, die wieder eingetreten und sich still an den Tisch gesetzt halte. „Sieh nur den Kennerblick! Wie der Junge das Ding zu dre¬ hen versteht! Wie er bald roth bald blaß wird! Ja auf solche Sa¬ chen muß man ihn zu bringen wissen, da ist er gleich Feuer und Flamme!" „Himmel! was ist das?" unterbrach ihn ängstlich Marie, „seht nur Vater, wie seine Lippen zittern und sein Auge rollt!" „Hahaha!" lachte der Alte, „was ihr Frauenzimmer doch für ängstliche Schranken habt! bin in meiner Jugend accurat so gewesen! Hahaha! accurat so, sage ich Dir." „Vater!" rief Mar jetzt plötzlich, „es muß furchtbar sein, auf ei¬ nen Menschen zu zielen. Furchtbar! „Warum denn?" fragte der Alte, „dessen Blicke mit sichtlichem Wohlgefallen auf Maxens kräftiger Gestalt und seinen kühnen Augen ruhten, „warum furchtbar? Der Prinz versicherte mir damals, es sei der schönste Tag seines Lebens gewesen, und der Mensch wäre das edelste Wild. Er hätte geglüht, wie vom Feuer spanischen Weines, seine Hand hätte vor Erwartung gezittert, und deshalb wären auch seine Kugeln am Ziele nur vorbeigeflogen." Mar stand hoch ausgerichtet da, die Büchse lag in seinem Arme, krampfhaft hielt seine Hand das Schloß umspannt, als läge er auf der Lauer, und als sollte im nächsten Augenblick der rothe Strahl auf ein Opfer gezückt werden. Seine Nasenlöcher waren weit geöffnet, sein Mund fest zusammengepreßt, und Fieberschauer schüttelten seinen Körper, da entfiel ihm nach dem letzten Worte des Alten plötzlich das Gewehr, und schlug klirrend auf den Tisch, daß der Messingleuchter hoch emporsprang, auf den Fußboden rollte und das Licht verlöschte. Marie that einen heftigen Schrei, aber der Alte verlor seine Fassung nicht, holte einen brennenden Holzspan aus der Küche, zündete die Kerze wieder an, und prüfte sorgsam sein Gewehr, ob es durch den Fall nicht gelitten hätte. Mar saß bleich in einem Stuhle und holte tief Athem. „Nun sage mir Junge," fing Robert jetzt an, „was Dich ange¬ wandelt?" „Es war Nichts!" antwortete Mar kurz, „das schwere Bier, das

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_365123/162>, abgerufen am 20.05.2024.