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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. IV. Band.

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folgendermaßen stillte. Er forderte sämmtliche Herren Hörer der Rechte
auf, ihre Sitze zu verlassen und wies ihnen, als sie zusammengetreten
waren, eine Abtheilung im Saale an. Dieselbe Aufforderung erging an
die Herren Hörer der Philosophie und an die Schüler der Humaniora,
und auch diesen wurden gemeinschaftliche Platze angewiesen. Als erwähnte
fünf israelitische Logiker den Herren Hörern bei der Einnehmung der jetzt
erst angewiesenen Platze sich anschließen wollten, befahl der Hr. Professor
drohend denselben, sich nicht vom Platze zu rühren. Er erbat sich hier¬
auf Schreibmaterial und ersuchte einen Herrn, seine Worte aufs Papier
zu bringen. Zugleich ersuchte er die Herren Hörer der Rechte, ihm in
der Wahl der Ausdrücke behülflich zu sein und die Billigung oder Mi߬
billigung einzelner Phrasen frei auszusprechen. Nun dictirte der Herr
Professor unter Auratheziehung einzelner Hörer ein Gesuch an die k. k.
Hochlöbl. Studien-Hofcommission, zu dessen Unterfertigung er die Herren
Hörer aufforderte, da dasselbe in ihrem Namen an die hohe Behörde ge¬
richtet werden sollte, während er selbst die Angelegenheit bei namhaft an¬
geführten hohen Staatsbeamten und bei Sr. Majestät vorbringen wollte.

Während des Dictircns konnte der Herr Professor nicht umhin,
durch die Worte: Es sei doch ein freudenvoller Tag für ihn; die Herrn
Techniker würden heute in Folge seiner guten Stimmung eine Borlesung
wie niemals erhalten und mit der Bitte, ihn durch Unruhe nicht in sei¬
nen glücklichen Ideen zu stören, kein Vergnügen am statt gehabten Vor¬
falle kund zu geben. Nun rief der Herr Professor die Herren Hörer
der Rechte, der Philosophie und Humaniora zur Unterschrift. Ein Theil
der Anwesenden leistete der Aufforderung Folge, während ein anderer
Theil sich demselben durch Entfernung aus dem Hörsaale entzog. Einer
der Herrn Hörer, ausdrücklich vom Herrn Professor zum Unterschreiben
aufgefordert, erklärte offen, er werde nicht unterschreiben. Nachdem mit
dieser Angelegenheit bereits H Stunden verflossen waren, rief der Herr
Professor namentlich zwei der Herrn Hörer der Rechte und zwei der
Herrn Hörer der Philosophie, denen sich zwei Schüler der Humaniora
freiwillig anschlössen, um besagte sechs Individuen bis in die Judenstadt
zu begleiten. Als dieselben erklärten, keiner Begleitung zu bedürfen, sagte
der Herr Professor: "Wenn ich will, bedürfen Sie eines sehr starken
Geleites", worauf ein furchtbares Schreien im Saale erhoben wurde und
man unter andern Drohungen die Worte hörte: zum Fenster hinaus.
Nur mit Mühe gelang es dem Herrn Professor die verursachte Aufregung
zu dampfen. Ernst um ihre persönliche Sicherheit besorgt und Thätlich¬
keiten fürchtend, warteten die sechs Betheiligten den Verlauf der Sache
ab. Als hierauf um halb 2 Uhr, eine halbe Stunde nach der gesetzlichen
Schlußzeit der Vorlesung, einer der israelitischen Logiker W... W.....
des langen Wartens müde sich nach Hause begeben wollte, sah er sich
im Saale sogleich von einer Menge Anwesenden umgeben, die ihn ge^
waltsam aufhielten. Der Herr Professor eilte von dem Katheder herab,
erfaßte ihn heftig beim Arme und rief: "Wohin wollen Sie?" Als
dieser einfach erwiederte: "zum Essen", entließ ihn der Herr Professor,


folgendermaßen stillte. Er forderte sämmtliche Herren Hörer der Rechte
auf, ihre Sitze zu verlassen und wies ihnen, als sie zusammengetreten
waren, eine Abtheilung im Saale an. Dieselbe Aufforderung erging an
die Herren Hörer der Philosophie und an die Schüler der Humaniora,
und auch diesen wurden gemeinschaftliche Platze angewiesen. Als erwähnte
fünf israelitische Logiker den Herren Hörern bei der Einnehmung der jetzt
erst angewiesenen Platze sich anschließen wollten, befahl der Hr. Professor
drohend denselben, sich nicht vom Platze zu rühren. Er erbat sich hier¬
auf Schreibmaterial und ersuchte einen Herrn, seine Worte aufs Papier
zu bringen. Zugleich ersuchte er die Herren Hörer der Rechte, ihm in
der Wahl der Ausdrücke behülflich zu sein und die Billigung oder Mi߬
billigung einzelner Phrasen frei auszusprechen. Nun dictirte der Herr
Professor unter Auratheziehung einzelner Hörer ein Gesuch an die k. k.
Hochlöbl. Studien-Hofcommission, zu dessen Unterfertigung er die Herren
Hörer aufforderte, da dasselbe in ihrem Namen an die hohe Behörde ge¬
richtet werden sollte, während er selbst die Angelegenheit bei namhaft an¬
geführten hohen Staatsbeamten und bei Sr. Majestät vorbringen wollte.

Während des Dictircns konnte der Herr Professor nicht umhin,
durch die Worte: Es sei doch ein freudenvoller Tag für ihn; die Herrn
Techniker würden heute in Folge seiner guten Stimmung eine Borlesung
wie niemals erhalten und mit der Bitte, ihn durch Unruhe nicht in sei¬
nen glücklichen Ideen zu stören, kein Vergnügen am statt gehabten Vor¬
falle kund zu geben. Nun rief der Herr Professor die Herren Hörer
der Rechte, der Philosophie und Humaniora zur Unterschrift. Ein Theil
der Anwesenden leistete der Aufforderung Folge, während ein anderer
Theil sich demselben durch Entfernung aus dem Hörsaale entzog. Einer
der Herrn Hörer, ausdrücklich vom Herrn Professor zum Unterschreiben
aufgefordert, erklärte offen, er werde nicht unterschreiben. Nachdem mit
dieser Angelegenheit bereits H Stunden verflossen waren, rief der Herr
Professor namentlich zwei der Herrn Hörer der Rechte und zwei der
Herrn Hörer der Philosophie, denen sich zwei Schüler der Humaniora
freiwillig anschlössen, um besagte sechs Individuen bis in die Judenstadt
zu begleiten. Als dieselben erklärten, keiner Begleitung zu bedürfen, sagte
der Herr Professor: „Wenn ich will, bedürfen Sie eines sehr starken
Geleites", worauf ein furchtbares Schreien im Saale erhoben wurde und
man unter andern Drohungen die Worte hörte: zum Fenster hinaus.
Nur mit Mühe gelang es dem Herrn Professor die verursachte Aufregung
zu dampfen. Ernst um ihre persönliche Sicherheit besorgt und Thätlich¬
keiten fürchtend, warteten die sechs Betheiligten den Verlauf der Sache
ab. Als hierauf um halb 2 Uhr, eine halbe Stunde nach der gesetzlichen
Schlußzeit der Vorlesung, einer der israelitischen Logiker W... W.....
des langen Wartens müde sich nach Hause begeben wollte, sah er sich
im Saale sogleich von einer Menge Anwesenden umgeben, die ihn ge^
waltsam aufhielten. Der Herr Professor eilte von dem Katheder herab,
erfaßte ihn heftig beim Arme und rief: „Wohin wollen Sie?" Als
dieser einfach erwiederte: „zum Essen", entließ ihn der Herr Professor,


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[0268] folgendermaßen stillte. Er forderte sämmtliche Herren Hörer der Rechte auf, ihre Sitze zu verlassen und wies ihnen, als sie zusammengetreten waren, eine Abtheilung im Saale an. Dieselbe Aufforderung erging an die Herren Hörer der Philosophie und an die Schüler der Humaniora, und auch diesen wurden gemeinschaftliche Platze angewiesen. Als erwähnte fünf israelitische Logiker den Herren Hörern bei der Einnehmung der jetzt erst angewiesenen Platze sich anschließen wollten, befahl der Hr. Professor drohend denselben, sich nicht vom Platze zu rühren. Er erbat sich hier¬ auf Schreibmaterial und ersuchte einen Herrn, seine Worte aufs Papier zu bringen. Zugleich ersuchte er die Herren Hörer der Rechte, ihm in der Wahl der Ausdrücke behülflich zu sein und die Billigung oder Mi߬ billigung einzelner Phrasen frei auszusprechen. Nun dictirte der Herr Professor unter Auratheziehung einzelner Hörer ein Gesuch an die k. k. Hochlöbl. Studien-Hofcommission, zu dessen Unterfertigung er die Herren Hörer aufforderte, da dasselbe in ihrem Namen an die hohe Behörde ge¬ richtet werden sollte, während er selbst die Angelegenheit bei namhaft an¬ geführten hohen Staatsbeamten und bei Sr. Majestät vorbringen wollte. Während des Dictircns konnte der Herr Professor nicht umhin, durch die Worte: Es sei doch ein freudenvoller Tag für ihn; die Herrn Techniker würden heute in Folge seiner guten Stimmung eine Borlesung wie niemals erhalten und mit der Bitte, ihn durch Unruhe nicht in sei¬ nen glücklichen Ideen zu stören, kein Vergnügen am statt gehabten Vor¬ falle kund zu geben. Nun rief der Herr Professor die Herren Hörer der Rechte, der Philosophie und Humaniora zur Unterschrift. Ein Theil der Anwesenden leistete der Aufforderung Folge, während ein anderer Theil sich demselben durch Entfernung aus dem Hörsaale entzog. Einer der Herrn Hörer, ausdrücklich vom Herrn Professor zum Unterschreiben aufgefordert, erklärte offen, er werde nicht unterschreiben. Nachdem mit dieser Angelegenheit bereits H Stunden verflossen waren, rief der Herr Professor namentlich zwei der Herrn Hörer der Rechte und zwei der Herrn Hörer der Philosophie, denen sich zwei Schüler der Humaniora freiwillig anschlössen, um besagte sechs Individuen bis in die Judenstadt zu begleiten. Als dieselben erklärten, keiner Begleitung zu bedürfen, sagte der Herr Professor: „Wenn ich will, bedürfen Sie eines sehr starken Geleites", worauf ein furchtbares Schreien im Saale erhoben wurde und man unter andern Drohungen die Worte hörte: zum Fenster hinaus. Nur mit Mühe gelang es dem Herrn Professor die verursachte Aufregung zu dampfen. Ernst um ihre persönliche Sicherheit besorgt und Thätlich¬ keiten fürchtend, warteten die sechs Betheiligten den Verlauf der Sache ab. Als hierauf um halb 2 Uhr, eine halbe Stunde nach der gesetzlichen Schlußzeit der Vorlesung, einer der israelitischen Logiker W... W..... des langen Wartens müde sich nach Hause begeben wollte, sah er sich im Saale sogleich von einer Menge Anwesenden umgeben, die ihn ge^ waltsam aufhielten. Der Herr Professor eilte von dem Katheder herab, erfaßte ihn heftig beim Arme und rief: „Wohin wollen Sie?" Als dieser einfach erwiederte: „zum Essen", entließ ihn der Herr Professor,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_365123/268>, abgerufen am 21.05.2024.