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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. IV. Band.

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deutlich in den Berathungen des Gustav-Adolfs-Vereines, wie in allen
socialen, politischen und Communal-Angelegenheiten hervortritt, war es
eine auffallende Erscheinung, daß die Zeitungen Berlins, mit Ausnahme
der Staatszeitung, welche ein Organ der Regierung ist, bis jetzt Leine
bestimmte politische Farbe angenommen hatten, d. h. aber eine bestimmte
politische Farbe, soweit sie in den Grenzen der Censurbeschränkung möglich
ist. Es mag jetzt zwei Jahre her sein, bald nach den Einschränkungen
der Censurfreiheit für die Hartungsche Zeitung in Königsberg, daß man
in Ost- und Westpreußen auf die Vossische Zeitung abonnirte, denn diese
war damals durch ihre leitenden Artikel anscheinend dem Fortschritte am
geneigetsten. Jetzt ist der Eifer dieses Blattes etwas gemäßigter und
man abonnirt auf die Spenersche Zeitung, weil sie liberaler ist. Beides
aber war bis jetzt ein Aufall. Natürlich! Da man heute von diesem,
morgen von jenem CorrespoNoenten einen leitenden Artikel, ein "Einge¬
sandt" an und aufnahm, so mußte ein unverdrauliches, buntes Durchein¬
ander der verschiedensten Parteimeinungen entstehen. Es ward heute an¬
gepriesen, was man morgen bekämpfte, und unwillkürlich ward man an
Beranger's Veutru erinnert, der, als er aus Paris von den Sitzungen
der Kammern zurückkommt, seinen Wählern triumphirend erzählt: "it'"i
on>t" alias An ^nur <Iix lois <!"nero "t <üx 1<iis sxzur!" Dies ist sehr
belustigend und unparteiisch, aber dem Ernste der Zeit und der Inter¬
essen, um die man kämpft, in keiner Weise weder angemessen noch för¬
derlich.

Es scheint jedoch, als ob seit einiger Zeit die Spenersche Zeitung
dieses Schwanken als einen Uebelstand begriffen hätte und eine bestimmte
Farbe anzunehmen denke. Dafür spricht die Weise, in der sie regelmäßig
die Communal-Angelegenheiten und die Verhandlungen der Criminalge-
richtssitzungen berichtet; dafür sprach ein Aufsatz des gegenwärtig in Berlin
lebenden John Prince Smith über Handelsfreiheit, der von den Ostsee¬
blättern sogleich freudig als ein Zeichen begrüßt wurde, daß die Spener¬
sche Zeitung sich zu den Mitkämpfern für dies Gut zu zählen gedenke.
Dies wäre doppelt nöthig in einem Augenblicke, in welchem die Vorgange
in Krakau die Theilnahme so sehr auf die Handelsbeschränkung gerichtet
haben, mit der man von jener Seite bedroht wird.

Indeß eine vollkommen feste Haltung können nur die Zeitungsblätter
haben, die der Leitung eines Redacteur vn moi anvertraut sind und es
wäre zu wünschen, daß dies für die Vossische und Spenersche Zeitung
geschähe, um so mehr, als die Staatszeitung und die Aeitungshalle be¬
reits den Vorgang gemacht haben und also eine Consequenz in ihre Blätter
zu bringen vermögen, welche jenen Beiden bisher fehlte, so sehr die
Spenersche in der letzten Zeit auch darnach strebte. In diesen Tagen hat
diese Zeitung übrigens ein gutes Referat über den Congreß des Gustav-
Adolfs-Vereines geliefert, der darum hauptsächlich interessant war, weil
er bis zur Evidenz herausstellte, daß ein großer Theil der für Rupp
Votirenden hauptsächlich das Interesse gänzlicher geistiger Freiheit in
lGewissenssachen vertrat, während das eigentliche Interesse am Gustav-
Adolfs-Vereine dieser Partei ziemlich fern lag. Wie im sechszehnten Jahr-


deutlich in den Berathungen des Gustav-Adolfs-Vereines, wie in allen
socialen, politischen und Communal-Angelegenheiten hervortritt, war es
eine auffallende Erscheinung, daß die Zeitungen Berlins, mit Ausnahme
der Staatszeitung, welche ein Organ der Regierung ist, bis jetzt Leine
bestimmte politische Farbe angenommen hatten, d. h. aber eine bestimmte
politische Farbe, soweit sie in den Grenzen der Censurbeschränkung möglich
ist. Es mag jetzt zwei Jahre her sein, bald nach den Einschränkungen
der Censurfreiheit für die Hartungsche Zeitung in Königsberg, daß man
in Ost- und Westpreußen auf die Vossische Zeitung abonnirte, denn diese
war damals durch ihre leitenden Artikel anscheinend dem Fortschritte am
geneigetsten. Jetzt ist der Eifer dieses Blattes etwas gemäßigter und
man abonnirt auf die Spenersche Zeitung, weil sie liberaler ist. Beides
aber war bis jetzt ein Aufall. Natürlich! Da man heute von diesem,
morgen von jenem CorrespoNoenten einen leitenden Artikel, ein „Einge¬
sandt" an und aufnahm, so mußte ein unverdrauliches, buntes Durchein¬
ander der verschiedensten Parteimeinungen entstehen. Es ward heute an¬
gepriesen, was man morgen bekämpfte, und unwillkürlich ward man an
Beranger's Veutru erinnert, der, als er aus Paris von den Sitzungen
der Kammern zurückkommt, seinen Wählern triumphirend erzählt: „it'»i
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belustigend und unparteiisch, aber dem Ernste der Zeit und der Inter¬
essen, um die man kämpft, in keiner Weise weder angemessen noch för¬
derlich.

Es scheint jedoch, als ob seit einiger Zeit die Spenersche Zeitung
dieses Schwanken als einen Uebelstand begriffen hätte und eine bestimmte
Farbe anzunehmen denke. Dafür spricht die Weise, in der sie regelmäßig
die Communal-Angelegenheiten und die Verhandlungen der Criminalge-
richtssitzungen berichtet; dafür sprach ein Aufsatz des gegenwärtig in Berlin
lebenden John Prince Smith über Handelsfreiheit, der von den Ostsee¬
blättern sogleich freudig als ein Zeichen begrüßt wurde, daß die Spener¬
sche Zeitung sich zu den Mitkämpfern für dies Gut zu zählen gedenke.
Dies wäre doppelt nöthig in einem Augenblicke, in welchem die Vorgange
in Krakau die Theilnahme so sehr auf die Handelsbeschränkung gerichtet
haben, mit der man von jener Seite bedroht wird.

Indeß eine vollkommen feste Haltung können nur die Zeitungsblätter
haben, die der Leitung eines Redacteur vn moi anvertraut sind und es
wäre zu wünschen, daß dies für die Vossische und Spenersche Zeitung
geschähe, um so mehr, als die Staatszeitung und die Aeitungshalle be¬
reits den Vorgang gemacht haben und also eine Consequenz in ihre Blätter
zu bringen vermögen, welche jenen Beiden bisher fehlte, so sehr die
Spenersche in der letzten Zeit auch darnach strebte. In diesen Tagen hat
diese Zeitung übrigens ein gutes Referat über den Congreß des Gustav-
Adolfs-Vereines geliefert, der darum hauptsächlich interessant war, weil
er bis zur Evidenz herausstellte, daß ein großer Theil der für Rupp
Votirenden hauptsächlich das Interesse gänzlicher geistiger Freiheit in
lGewissenssachen vertrat, während das eigentliche Interesse am Gustav-
Adolfs-Vereine dieser Partei ziemlich fern lag. Wie im sechszehnten Jahr-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_365123/530>, abgerufen am 21.05.2024.