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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. IV. Band.

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der Wahl bekannt wurde, entfernte sich die geschlagene Partei betrübten Herzens.
Doch hatten die Meisten von ihr den Trost, sich diesen kleinen constitutionellen
Strapatzcn nicht umsonst ausgesetzt zu haben, deun die Kosten der Geistlichkeit
und einiger eifriger Anhänger der Negiernngspartei belaufen sich auf nicht weniger
als 4l>,0N") Gulden C-. M. Die Opposition hatte anßer der Bewirthung ihrer
Gaste keine Auslagen, und es ist eine bekannte Thatsache, daß die Korkes der
Opposition niemals bestochen werden, höchstens erhalten sie Kappen und dergleichen
als Abzeichen, was diesmal auch nicht der Fall war, da das Abzeichen in Federn
von Nationalfarben (weiß, grün und roth) oder in einem grünen Zweige bestand.
Im Pesther Comitate zeichnet sich namentlich eine Ortschaft Aporka ans, die von
jeher immer siegte. Die Wahlmänner gehen in ihrem Enthusiasmus so weit,
daß sie Hamilkar gleich ihre Kinder schworen lassen, stets Freunde der guten Sache
zu sein. Der glänzende Sieg der Opposition im Pesther Comitate wird von heil¬
samer Rückwirkung ans das ganze Land sein und erregt den Neid der Regierungs¬
partei. "Der Budapesti Hiradi"," die Wetterfahne des ultraconservativen Elements
thut nun sein Möglichstes, Kossuth's Wahl herabzusetzen. Schauspieler, sagt er,
Künstler, Advokaten und Aerzte, endlich die Industriellen waren es, die von ein
paar psendo Betyaren -Aristokraten angeführt zu seiner Fahne geschworen, aber
der besitzende Adel war wider ihn. Abgesehen nun von der Unwahrheit letzterer
Behauptung gehört doch eine sehr große Naivetät dazu es selbst zu gestehen, daß
die Männer der Intelligenz wie der Industrie, das heißt die mächtigsten Elemente
unserer modernen Staaten es seien, denen Kossuth seine Wahl verdanke und
darin eine Herabsetzung suchen zu wollen. Auch wirft er der Opposition vor, daß
auch die Juden zur Kortesuuterhaltnng beigetragen, während diesen von anderer
Seite her wieder zur Last gelegt wird, conservativ zu sein. Die armen Anhänger
Jehova's befinden sich bei uns wie überall stets in eiuer Zwickmühle, und das:
"Schlägst du meine Juden, schlage ich deine Juden" bildet noch immer den ober¬
sten Grundsatz unserer diesfälligen Politik. -- Gegen solche Jnvectiven, wie sie
uns der Budapesti Hiradc" bescheert, bietet uus die Presse keinerlei Gegenwaffen;
denn wie ein Mitglied des hiesigen Censnrcollegiums ganz richtig bemerkte, unsere
Censoren sind beim "Pesel Hirlap" dafür verantwortlich, was sie zum Drucke zulas¬
sen, während sie bei den conservativen Blättern zur Rede gestellt werdeu für das,
was sie nicht zulassen. Die passendste Gegendemonstration war jedoch jedenfalls
die, daß die Bürger Pesth's Kossuth eine glänzende Serenade brachten.

Ueberhaupt rühren sich in der allerneuesten Zeit auch unsere Städte. So wurde
von der Regierung erlassen, daß wegen Zunahme der Bevölkerung nicht blos die
hundert Wahlbürger, souderu von der sämmtlichen Bürgerschaft neuerdings gewählte
Wähler, auf die städtische Deputirtenwahl mit einfließen sollten. Diese neuen



*) Liederliches Volk, in anderer Bedeutung, rohe, nianierlose Leute.

der Wahl bekannt wurde, entfernte sich die geschlagene Partei betrübten Herzens.
Doch hatten die Meisten von ihr den Trost, sich diesen kleinen constitutionellen
Strapatzcn nicht umsonst ausgesetzt zu haben, deun die Kosten der Geistlichkeit
und einiger eifriger Anhänger der Negiernngspartei belaufen sich auf nicht weniger
als 4l>,0N«) Gulden C-. M. Die Opposition hatte anßer der Bewirthung ihrer
Gaste keine Auslagen, und es ist eine bekannte Thatsache, daß die Korkes der
Opposition niemals bestochen werden, höchstens erhalten sie Kappen und dergleichen
als Abzeichen, was diesmal auch nicht der Fall war, da das Abzeichen in Federn
von Nationalfarben (weiß, grün und roth) oder in einem grünen Zweige bestand.
Im Pesther Comitate zeichnet sich namentlich eine Ortschaft Aporka ans, die von
jeher immer siegte. Die Wahlmänner gehen in ihrem Enthusiasmus so weit,
daß sie Hamilkar gleich ihre Kinder schworen lassen, stets Freunde der guten Sache
zu sein. Der glänzende Sieg der Opposition im Pesther Comitate wird von heil¬
samer Rückwirkung ans das ganze Land sein und erregt den Neid der Regierungs¬
partei. „Der Budapesti Hiradi«," die Wetterfahne des ultraconservativen Elements
thut nun sein Möglichstes, Kossuth's Wahl herabzusetzen. Schauspieler, sagt er,
Künstler, Advokaten und Aerzte, endlich die Industriellen waren es, die von ein
paar psendo Betyaren -Aristokraten angeführt zu seiner Fahne geschworen, aber
der besitzende Adel war wider ihn. Abgesehen nun von der Unwahrheit letzterer
Behauptung gehört doch eine sehr große Naivetät dazu es selbst zu gestehen, daß
die Männer der Intelligenz wie der Industrie, das heißt die mächtigsten Elemente
unserer modernen Staaten es seien, denen Kossuth seine Wahl verdanke und
darin eine Herabsetzung suchen zu wollen. Auch wirft er der Opposition vor, daß
auch die Juden zur Kortesuuterhaltnng beigetragen, während diesen von anderer
Seite her wieder zur Last gelegt wird, conservativ zu sein. Die armen Anhänger
Jehova's befinden sich bei uns wie überall stets in eiuer Zwickmühle, und das:
„Schlägst du meine Juden, schlage ich deine Juden" bildet noch immer den ober¬
sten Grundsatz unserer diesfälligen Politik. — Gegen solche Jnvectiven, wie sie
uns der Budapesti Hiradc» bescheert, bietet uus die Presse keinerlei Gegenwaffen;
denn wie ein Mitglied des hiesigen Censnrcollegiums ganz richtig bemerkte, unsere
Censoren sind beim „Pesel Hirlap" dafür verantwortlich, was sie zum Drucke zulas¬
sen, während sie bei den conservativen Blättern zur Rede gestellt werdeu für das,
was sie nicht zulassen. Die passendste Gegendemonstration war jedoch jedenfalls
die, daß die Bürger Pesth's Kossuth eine glänzende Serenade brachten.

Ueberhaupt rühren sich in der allerneuesten Zeit auch unsere Städte. So wurde
von der Regierung erlassen, daß wegen Zunahme der Bevölkerung nicht blos die
hundert Wahlbürger, souderu von der sämmtlichen Bürgerschaft neuerdings gewählte
Wähler, auf die städtische Deputirtenwahl mit einfließen sollten. Diese neuen



*) Liederliches Volk, in anderer Bedeutung, rohe, nianierlose Leute.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_184763/251>, abgerufen am 18.05.2024.