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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. III. Band.

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rattere. Diese cholerischen Excesse gehören zum Charakter deö Königs und der
Zeit und erklären besser als die diplomatischen Absichten, welche Ranke in den
Vordergrund stellt. Für Grnppining dieser Absichten sind wir dankbar, aber
dafür, daß sie in den Vordergrund gestellt werden, sind wir es nicht. Das Fa¬
milienleben war der Vordergrund für Friedrich Wilhelm und Verrückung dieser
längst festgestellten und viel interessanten Wahrheit scheint uns keineswegs etwas
Verdienstliches zu sein. Ebenso verflacht Ranke durch Nusglcichuug den Charakter
der Königin, deren stolzer, eigensinniger Sinn, deren etwas trockenes Herz, deren
systematische Verleitung der Kinder zu Widersetzlichkeit gegen den Vater ein viel
lebensvolleres Charakterbild geben als Ranke gibt.

-- Die deutsche allgemeine Zeitung will ihrem Charakter als all -- gemeine
nicht blos on Al'of, sondern auch en diitnil treu bleiben. In einer Korrespon¬
denz ans Stuttgart (Nro. 222) meldet sie: "Das heutige Tageblatt enthält fol¬
gende, nicht uninteressantes) Notiz: ""Die Fran eines hiesigen Traitenrs, dessen
Name durch seinen Sohn berühmt geworden, hat sich vor mehreren Tagen in
Gesellschaft eines jungen Mannes mit zwei Kindern und mehreren HauScffccten
flüchtig gemacht; sie soll den Weg nach Strafiburg eingeschlagen haben."" --
Wer Localkenntnisse genng besitzt, (setzt nun die deutsche Allgemeine hinzu) weis,,
daß darunter nur Herwegh's Mutter verstanden sein kann." -- Das Stuttgarter
Tageblatt, welches von keinem Professor der Staatswissenschaft redigirt wird,
und dem, wie allen kleinen Localblättern, die auf den Stadtklatsch angewiesen sind,
die Scaudalfischerei eher zu verzeihen wäre, hat dennoch die Delikatesse gehabt, keinen
Namen zu nennen, während das Journal des Herrn Professor Butan, das nur "für
Wahrheit und Recht, Freiheit und Gesetz" kämpft, sich beeilt, der Welt zu ver¬
künden, die flüchtige Frau könne keine andere als die Mutter Herwegh's sein.
Wir möchten die Redaction des Brockhansischcn Blattes fragen, ob sie mit dieser
Namensnennung eben so schnell bei der Hand wäre, wenn es die Mutter eiuer
ihrer Berliner Patrone beträfe? Wie kommt überhaupt die Frau eines kleinen
Gastwirths in Stuttgart zu der Ehre, in den Spalten eines "großen" Blattes
in Leipzig zu figuriren? Wird ihr diese Ehre in Rücksicht auf ihren Sohn er¬
wiesen, so hätte man für diesen Sohn die Rücksicht haben sollen, wenigstens so
viel Delicatesse zu haben, wie ein kleines Localblatt. Es müßte denn sein, daß
die bekannte tiefe Weisheit der deutschen allgemeinen Zeitung einen neuen tiefsin¬
nigen Lehrsatz tranSpinrcn lassen wollte: Siehst dn deutsches Volk, was die
Folge ist, wenn man liberale politische Gedichte schreibt, die eigene Mutter geht
dann mit einem jungen Menschen durch und obendrein "mit einigen Hans-
essecten!"







Verlag von Fv. Ludw. Herbig. -- Redacteur: I. Kuranda.
Druck von Friedrich Andrä.

rattere. Diese cholerischen Excesse gehören zum Charakter deö Königs und der
Zeit und erklären besser als die diplomatischen Absichten, welche Ranke in den
Vordergrund stellt. Für Grnppining dieser Absichten sind wir dankbar, aber
dafür, daß sie in den Vordergrund gestellt werden, sind wir es nicht. Das Fa¬
milienleben war der Vordergrund für Friedrich Wilhelm und Verrückung dieser
längst festgestellten und viel interessanten Wahrheit scheint uns keineswegs etwas
Verdienstliches zu sein. Ebenso verflacht Ranke durch Nusglcichuug den Charakter
der Königin, deren stolzer, eigensinniger Sinn, deren etwas trockenes Herz, deren
systematische Verleitung der Kinder zu Widersetzlichkeit gegen den Vater ein viel
lebensvolleres Charakterbild geben als Ranke gibt.

— Die deutsche allgemeine Zeitung will ihrem Charakter als all — gemeine
nicht blos on Al'of, sondern auch en diitnil treu bleiben. In einer Korrespon¬
denz ans Stuttgart (Nro. 222) meldet sie: „Das heutige Tageblatt enthält fol¬
gende, nicht uninteressantes) Notiz: „„Die Fran eines hiesigen Traitenrs, dessen
Name durch seinen Sohn berühmt geworden, hat sich vor mehreren Tagen in
Gesellschaft eines jungen Mannes mit zwei Kindern und mehreren HauScffccten
flüchtig gemacht; sie soll den Weg nach Strafiburg eingeschlagen haben."" —
Wer Localkenntnisse genng besitzt, (setzt nun die deutsche Allgemeine hinzu) weis,,
daß darunter nur Herwegh's Mutter verstanden sein kann." — Das Stuttgarter
Tageblatt, welches von keinem Professor der Staatswissenschaft redigirt wird,
und dem, wie allen kleinen Localblättern, die auf den Stadtklatsch angewiesen sind,
die Scaudalfischerei eher zu verzeihen wäre, hat dennoch die Delikatesse gehabt, keinen
Namen zu nennen, während das Journal des Herrn Professor Butan, das nur „für
Wahrheit und Recht, Freiheit und Gesetz" kämpft, sich beeilt, der Welt zu ver¬
künden, die flüchtige Frau könne keine andere als die Mutter Herwegh's sein.
Wir möchten die Redaction des Brockhansischcn Blattes fragen, ob sie mit dieser
Namensnennung eben so schnell bei der Hand wäre, wenn es die Mutter eiuer
ihrer Berliner Patrone beträfe? Wie kommt überhaupt die Frau eines kleinen
Gastwirths in Stuttgart zu der Ehre, in den Spalten eines „großen" Blattes
in Leipzig zu figuriren? Wird ihr diese Ehre in Rücksicht auf ihren Sohn er¬
wiesen, so hätte man für diesen Sohn die Rücksicht haben sollen, wenigstens so
viel Delicatesse zu haben, wie ein kleines Localblatt. Es müßte denn sein, daß
die bekannte tiefe Weisheit der deutschen allgemeinen Zeitung einen neuen tiefsin¬
nigen Lehrsatz tranSpinrcn lassen wollte: Siehst dn deutsches Volk, was die
Folge ist, wenn man liberale politische Gedichte schreibt, die eigene Mutter geht
dann mit einem jungen Menschen durch und obendrein „mit einigen Hans-
essecten!"







Verlag von Fv. Ludw. Herbig. — Redacteur: I. Kuranda.
Druck von Friedrich Andrä.
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[0314] rattere. Diese cholerischen Excesse gehören zum Charakter deö Königs und der Zeit und erklären besser als die diplomatischen Absichten, welche Ranke in den Vordergrund stellt. Für Grnppining dieser Absichten sind wir dankbar, aber dafür, daß sie in den Vordergrund gestellt werden, sind wir es nicht. Das Fa¬ milienleben war der Vordergrund für Friedrich Wilhelm und Verrückung dieser längst festgestellten und viel interessanten Wahrheit scheint uns keineswegs etwas Verdienstliches zu sein. Ebenso verflacht Ranke durch Nusglcichuug den Charakter der Königin, deren stolzer, eigensinniger Sinn, deren etwas trockenes Herz, deren systematische Verleitung der Kinder zu Widersetzlichkeit gegen den Vater ein viel lebensvolleres Charakterbild geben als Ranke gibt. — Die deutsche allgemeine Zeitung will ihrem Charakter als all — gemeine nicht blos on Al'of, sondern auch en diitnil treu bleiben. In einer Korrespon¬ denz ans Stuttgart (Nro. 222) meldet sie: „Das heutige Tageblatt enthält fol¬ gende, nicht uninteressantes) Notiz: „„Die Fran eines hiesigen Traitenrs, dessen Name durch seinen Sohn berühmt geworden, hat sich vor mehreren Tagen in Gesellschaft eines jungen Mannes mit zwei Kindern und mehreren HauScffccten flüchtig gemacht; sie soll den Weg nach Strafiburg eingeschlagen haben."" — Wer Localkenntnisse genng besitzt, (setzt nun die deutsche Allgemeine hinzu) weis,, daß darunter nur Herwegh's Mutter verstanden sein kann." — Das Stuttgarter Tageblatt, welches von keinem Professor der Staatswissenschaft redigirt wird, und dem, wie allen kleinen Localblättern, die auf den Stadtklatsch angewiesen sind, die Scaudalfischerei eher zu verzeihen wäre, hat dennoch die Delikatesse gehabt, keinen Namen zu nennen, während das Journal des Herrn Professor Butan, das nur „für Wahrheit und Recht, Freiheit und Gesetz" kämpft, sich beeilt, der Welt zu ver¬ künden, die flüchtige Frau könne keine andere als die Mutter Herwegh's sein. Wir möchten die Redaction des Brockhansischcn Blattes fragen, ob sie mit dieser Namensnennung eben so schnell bei der Hand wäre, wenn es die Mutter eiuer ihrer Berliner Patrone beträfe? Wie kommt überhaupt die Frau eines kleinen Gastwirths in Stuttgart zu der Ehre, in den Spalten eines „großen" Blattes in Leipzig zu figuriren? Wird ihr diese Ehre in Rücksicht auf ihren Sohn er¬ wiesen, so hätte man für diesen Sohn die Rücksicht haben sollen, wenigstens so viel Delicatesse zu haben, wie ein kleines Localblatt. Es müßte denn sein, daß die bekannte tiefe Weisheit der deutschen allgemeinen Zeitung einen neuen tiefsin¬ nigen Lehrsatz tranSpinrcn lassen wollte: Siehst dn deutsches Volk, was die Folge ist, wenn man liberale politische Gedichte schreibt, die eigene Mutter geht dann mit einem jungen Menschen durch und obendrein „mit einigen Hans- essecten!" Verlag von Fv. Ludw. Herbig. — Redacteur: I. Kuranda. Druck von Friedrich Andrä.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_309659/314>, abgerufen am 19.05.2024.