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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. III. Band.

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Diese Flecken, welche den historischen Namen der rotten-Iwi'miAli" be¬
halten haben, wurden verkauft oder vererbt mit dem Wahlrecht. Galton
wurde 179^ für 100,000 Pfd. Se. gekauft. "Die Parlamentssitze," sagte
Theil, "werden öffentlich versteigert; es hat sich eine Art parlamentarischen
Bazars aufgethan, wo die Freiheiten des Volks verkauft werden; Wahlflecken
gehören zum Heirathscoutracte und zur Mitgift. Im Orient ist es Sitte,
wenn eine Snltanin sich verheirathet, ihr eine Provinz für das Halsband,
eine andere für das Armband, eine dritte für den Gürtel mitzugeben; in
unserm Repräsentativstem würden wir nicht erstaunen, wenn eine fashio-
nable Dame zum Nadelgeld Old-Sarum, zum Wittwensitz Galton ausge¬
setzt erhielte."

Diese Schmach ist nun allerdings durch die Reformbill beseitigt worden,
leider sind aber gerade durch diese andere Mißbräuche eingedrungen. Es
ist heutzutage uicht mehr zu leugnen, daß die Reformbill, anstatt die Wahl-
corruption aufzuheben, in gewissem Sinn ihr nur eine neue Richtung gege¬
ben hat, und wir werden Gelegenheit haben, zahlreiche Beweise für die
Genauigkeit dieser Behauptung anzuführen.

Eine der einflußreichsten Bestimmungen der Reformbill ist, daß sie die
Zahl der Bureaus, wo die Stimmzettel angenommen werden, vermehrt und
die Zahl der Tage, in denen abgestimmt wird, vermindert. Vor der Re¬
form war für jeden Wahlact nur ein Einschreibebnreau, das so gleichsam
zu einer Festung wurde, zu der die Erstgekommenen nur ihren Freunden
den Zugang verstatteten, wenn man ihn nicht im Sturm nahm. Ueberdies
hatten die Wähler 14 Tage Zeit, sich einschreiben zu lassen, so daß das
Gedränge, die Faustkämpfe und die eigentlichen Schlachten sich diese ganze
Zeit über fortsetzten. In den Wahlchroniken Englands finden wir fabelhafte
Erzählungen aus diesen Wahlkämpsen, die im Roman wohl ihre Stelle fän¬
den. "Diese glückliche Zeit ist vorüber." Großbritannien ist in Bezug aus
das Pittoreske sehr heruntergekommen. Seitdem durch die Reformbill die
Zahl der Einschreibebureaus nach Maßgabe der Bevölkerung vermehrt und
die Zeit der Abstimmung für die Städte ans einen, für die Grafschaften
ans zwei Tage rednzirr ist, haben die Wahlen einen großen Theil ihrer
sprichwörtlichen Physiognomie verloren.

Irland allein hat das Vermächtniß seine Ueberlieferungen bewahrt. In
diesem unglücklichen Lande, wo der confessionelle Gegensatz sich von Jahr¬
hundert zu Jahrhundert überträgt, wo die Bevölkerung sich sondert in Er¬
oberer und Unterworfene, wo eine unübersteigliche Grenzscheide zwischen Be¬
sitzenden und Besitzlosen aufgerichtet ist, sieht sich das Volk genöthigt, durch


Diese Flecken, welche den historischen Namen der rotten-Iwi'miAli» be¬
halten haben, wurden verkauft oder vererbt mit dem Wahlrecht. Galton
wurde 179^ für 100,000 Pfd. Se. gekauft. „Die Parlamentssitze," sagte
Theil, „werden öffentlich versteigert; es hat sich eine Art parlamentarischen
Bazars aufgethan, wo die Freiheiten des Volks verkauft werden; Wahlflecken
gehören zum Heirathscoutracte und zur Mitgift. Im Orient ist es Sitte,
wenn eine Snltanin sich verheirathet, ihr eine Provinz für das Halsband,
eine andere für das Armband, eine dritte für den Gürtel mitzugeben; in
unserm Repräsentativstem würden wir nicht erstaunen, wenn eine fashio-
nable Dame zum Nadelgeld Old-Sarum, zum Wittwensitz Galton ausge¬
setzt erhielte."

Diese Schmach ist nun allerdings durch die Reformbill beseitigt worden,
leider sind aber gerade durch diese andere Mißbräuche eingedrungen. Es
ist heutzutage uicht mehr zu leugnen, daß die Reformbill, anstatt die Wahl-
corruption aufzuheben, in gewissem Sinn ihr nur eine neue Richtung gege¬
ben hat, und wir werden Gelegenheit haben, zahlreiche Beweise für die
Genauigkeit dieser Behauptung anzuführen.

Eine der einflußreichsten Bestimmungen der Reformbill ist, daß sie die
Zahl der Bureaus, wo die Stimmzettel angenommen werden, vermehrt und
die Zahl der Tage, in denen abgestimmt wird, vermindert. Vor der Re¬
form war für jeden Wahlact nur ein Einschreibebnreau, das so gleichsam
zu einer Festung wurde, zu der die Erstgekommenen nur ihren Freunden
den Zugang verstatteten, wenn man ihn nicht im Sturm nahm. Ueberdies
hatten die Wähler 14 Tage Zeit, sich einschreiben zu lassen, so daß das
Gedränge, die Faustkämpfe und die eigentlichen Schlachten sich diese ganze
Zeit über fortsetzten. In den Wahlchroniken Englands finden wir fabelhafte
Erzählungen aus diesen Wahlkämpsen, die im Roman wohl ihre Stelle fän¬
den. „Diese glückliche Zeit ist vorüber." Großbritannien ist in Bezug aus
das Pittoreske sehr heruntergekommen. Seitdem durch die Reformbill die
Zahl der Einschreibebureaus nach Maßgabe der Bevölkerung vermehrt und
die Zeit der Abstimmung für die Städte ans einen, für die Grafschaften
ans zwei Tage rednzirr ist, haben die Wahlen einen großen Theil ihrer
sprichwörtlichen Physiognomie verloren.

Irland allein hat das Vermächtniß seine Ueberlieferungen bewahrt. In
diesem unglücklichen Lande, wo der confessionelle Gegensatz sich von Jahr¬
hundert zu Jahrhundert überträgt, wo die Bevölkerung sich sondert in Er¬
oberer und Unterworfene, wo eine unübersteigliche Grenzscheide zwischen Be¬
sitzenden und Besitzlosen aufgerichtet ist, sieht sich das Volk genöthigt, durch


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[0316] Diese Flecken, welche den historischen Namen der rotten-Iwi'miAli» be¬ halten haben, wurden verkauft oder vererbt mit dem Wahlrecht. Galton wurde 179^ für 100,000 Pfd. Se. gekauft. „Die Parlamentssitze," sagte Theil, „werden öffentlich versteigert; es hat sich eine Art parlamentarischen Bazars aufgethan, wo die Freiheiten des Volks verkauft werden; Wahlflecken gehören zum Heirathscoutracte und zur Mitgift. Im Orient ist es Sitte, wenn eine Snltanin sich verheirathet, ihr eine Provinz für das Halsband, eine andere für das Armband, eine dritte für den Gürtel mitzugeben; in unserm Repräsentativstem würden wir nicht erstaunen, wenn eine fashio- nable Dame zum Nadelgeld Old-Sarum, zum Wittwensitz Galton ausge¬ setzt erhielte." Diese Schmach ist nun allerdings durch die Reformbill beseitigt worden, leider sind aber gerade durch diese andere Mißbräuche eingedrungen. Es ist heutzutage uicht mehr zu leugnen, daß die Reformbill, anstatt die Wahl- corruption aufzuheben, in gewissem Sinn ihr nur eine neue Richtung gege¬ ben hat, und wir werden Gelegenheit haben, zahlreiche Beweise für die Genauigkeit dieser Behauptung anzuführen. Eine der einflußreichsten Bestimmungen der Reformbill ist, daß sie die Zahl der Bureaus, wo die Stimmzettel angenommen werden, vermehrt und die Zahl der Tage, in denen abgestimmt wird, vermindert. Vor der Re¬ form war für jeden Wahlact nur ein Einschreibebnreau, das so gleichsam zu einer Festung wurde, zu der die Erstgekommenen nur ihren Freunden den Zugang verstatteten, wenn man ihn nicht im Sturm nahm. Ueberdies hatten die Wähler 14 Tage Zeit, sich einschreiben zu lassen, so daß das Gedränge, die Faustkämpfe und die eigentlichen Schlachten sich diese ganze Zeit über fortsetzten. In den Wahlchroniken Englands finden wir fabelhafte Erzählungen aus diesen Wahlkämpsen, die im Roman wohl ihre Stelle fän¬ den. „Diese glückliche Zeit ist vorüber." Großbritannien ist in Bezug aus das Pittoreske sehr heruntergekommen. Seitdem durch die Reformbill die Zahl der Einschreibebureaus nach Maßgabe der Bevölkerung vermehrt und die Zeit der Abstimmung für die Städte ans einen, für die Grafschaften ans zwei Tage rednzirr ist, haben die Wahlen einen großen Theil ihrer sprichwörtlichen Physiognomie verloren. Irland allein hat das Vermächtniß seine Ueberlieferungen bewahrt. In diesem unglücklichen Lande, wo der confessionelle Gegensatz sich von Jahr¬ hundert zu Jahrhundert überträgt, wo die Bevölkerung sich sondert in Er¬ oberer und Unterworfene, wo eine unübersteigliche Grenzscheide zwischen Be¬ sitzenden und Besitzlosen aufgerichtet ist, sieht sich das Volk genöthigt, durch

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_309659/316>, abgerufen am 19.05.2024.