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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. III. Band.

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können ihr dieselbe nicht versagen. Daß sie mitunter in den Fehler aller
Schriftstellerinnen und berühmten Frauen fällt, ein wenig zu viel aus ihrem
Ich zu machen, ist zu entschuldigen, und das um so leichter, da sie nie
unangenehm damit hervortritt. Im Ganzen aber haben wir Deutsche immer
Ursache, aus die Frauen eines Landes neidisch zu sein, das eine Martineau,
Fry und Sommerville hervorbrachte -- Charaktere, denen wir nichts Aehn-
liches zur Seite stellen können, denn Nadel, wie vortrefflich sie auch war,
wirkte nicht auf das Allgemeine ein, nicht auf deu Geist der Zeit und das
Sein des Volks; ihr Thun beschränkte sich auf den häuslichen Kreis und
ihre Freunde -- die eigentliche Sphäre des Weibes. Doch schadet es der
Sache derselben nicht, wenn mitunter ein bedeutenderes Licht auftaucht, das
seinen Schein weithin verbreite und andern vorleuchte.

Zu den sonstigen Neuigkeiten des Tages gehört: daß Schildkröten von
Neu-Orleans angekommen sind -- eine nie von dort gesehene Einfuhr, --
daß sich die Alterthumsforscher am 1. September in Pult versammeln, über
das Geburtsjahr der gemalten Fensterscheiben dort zu bestimmen; daß der
elektrische Telegraph 360 Meilen in einer Sekunde reist; daß eine Phono-
graphy erschienen, in dieser Zeit, wo alles mit Dampf gehen muß, das
Schreiben zu beschleunigen, und was besser ist als Alles dies: daß die
Maurer der Hauptstadt darauf gedrungen, am Sonnabend um 4^ Uhr mit
ihrer Arbeit aufzuhören, um sich ihr Fleisch für den Sonntag einzukaufen.
Wahrscheinlich wird der Rest ihrem Beispiele folgen und dann sind die
7000 Maurer in England, also 7000 Menschen, im Stande eine Wohlthat
zu genießen, die der um zu empfinden vermag, der an ein Geschäft gebun¬
den ist, das ihm keine freie Stunde gönnt; und die Gesetzgeber und Meister
kennen das nicht.


Ämely.


können ihr dieselbe nicht versagen. Daß sie mitunter in den Fehler aller
Schriftstellerinnen und berühmten Frauen fällt, ein wenig zu viel aus ihrem
Ich zu machen, ist zu entschuldigen, und das um so leichter, da sie nie
unangenehm damit hervortritt. Im Ganzen aber haben wir Deutsche immer
Ursache, aus die Frauen eines Landes neidisch zu sein, das eine Martineau,
Fry und Sommerville hervorbrachte — Charaktere, denen wir nichts Aehn-
liches zur Seite stellen können, denn Nadel, wie vortrefflich sie auch war,
wirkte nicht auf das Allgemeine ein, nicht auf deu Geist der Zeit und das
Sein des Volks; ihr Thun beschränkte sich auf den häuslichen Kreis und
ihre Freunde — die eigentliche Sphäre des Weibes. Doch schadet es der
Sache derselben nicht, wenn mitunter ein bedeutenderes Licht auftaucht, das
seinen Schein weithin verbreite und andern vorleuchte.

Zu den sonstigen Neuigkeiten des Tages gehört: daß Schildkröten von
Neu-Orleans angekommen sind — eine nie von dort gesehene Einfuhr, —
daß sich die Alterthumsforscher am 1. September in Pult versammeln, über
das Geburtsjahr der gemalten Fensterscheiben dort zu bestimmen; daß der
elektrische Telegraph 360 Meilen in einer Sekunde reist; daß eine Phono-
graphy erschienen, in dieser Zeit, wo alles mit Dampf gehen muß, das
Schreiben zu beschleunigen, und was besser ist als Alles dies: daß die
Maurer der Hauptstadt darauf gedrungen, am Sonnabend um 4^ Uhr mit
ihrer Arbeit aufzuhören, um sich ihr Fleisch für den Sonntag einzukaufen.
Wahrscheinlich wird der Rest ihrem Beispiele folgen und dann sind die
7000 Maurer in England, also 7000 Menschen, im Stande eine Wohlthat
zu genießen, die der um zu empfinden vermag, der an ein Geschäft gebun¬
den ist, das ihm keine freie Stunde gönnt; und die Gesetzgeber und Meister
kennen das nicht.


Ämely.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_309659/372>, abgerufen am 28.05.2024.