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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. III. Band.

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Ungeduld und Unachtsamkeit der Stände, wenn der Zeiger einmal bis zu einer
gewissen Stunde vorrücke.

Ob die Stände recht thaten, diesen Vorschlag fallen zu lassen, dürste wohl
noch fraglich sein.

Mit dieser Scene ward die Sitzung vom 30. geschlossen. Am 31. wurde die
bereits entworfene zweite Landtagsschrift vorgelesen, verbessert und eingenommen.
Sie ist in den ehrerbietigsten Ausdrücken verfaßt und beruft sich hinsichtlich des
Steuerzuschlages per 50,000 Fi. auf die erste Landtagsschrift; sie enthält weiter
deu Beweis, wie es uicht nur ein Recht der Stände sei, über das -in und quo-
modo zu berathen, sondern auch ein Recht der Nation, diese gewissenhafte Be¬
rathung von den Ständen zu fordern -- eine Pflicht, deren genaue Erfüllung
Se. Maj. in dem Eiuberufnngsschreiben selbst strengstens anbefohlen und deren
Außerachtlassung deu Ständen nothwendig die Verachtung ihres Königs zuziehen
müßte; ferner wird wiederholt vorgestellt, wie Se. Maj. von dem Ansinnen, den
Domesticalfond mit dieser Summe zu belasten, abgestanden wäre, und die Krimi-
nalkvsten als Staatsaufwaud erklärt hätte, um diese Last nicht nur einer ge¬
wissen Klasse der Einwohner aufzuerlegen, dies aber durch den Steuerzuschlag
mit einem kleinen Unterschiede doch geschehe; wie endlich die fraglichen Kosten
vom Aerare zu einer Zeit übernommen worden seien, wo die Steuererhöhung noch
nicht postulirt wäre, und von den Ständen unmöglich gegeben werden könne;
der Staat habe die Last schon mit der Absicht übernommen, sie später unter einem
anderen Namen als Domesticalfond, aber doch uur deu Grund- und Gebäude-
Steuerpflichtigeu aufzuerlegen, und zwar, ohne die Nation über die hierdurch
erzielte und vou ihm selbst als nöthig anerkannte Verbesserung der Kriminal¬
justizpflege beruhigt zu haben; endlich enthielt diese Schrift die Anzeige, daß der
Ausschuß beauftragt sei, die alte Steuerquote sogleich, und selbst ohne deu Land¬
tagsschluß abzuwarten, auszuschreiben.

Noch zwei Punkte wurden berührt, nämlich der Straßenbau und die Landes-
begrenzuug, und hinsichtlich der letzteren bemerkt, daß die Stände auch über die
Integrität des Reiches zu wachen haben.

Die Veranlassung zu der letzten Bemerkung rücksichtlich der Integrität war
die, im vorigen Jahre stattgehabte Abtretung des laudtäflichen, demnach mit einem
Patrimonialgerichte versehenen Gutes "Otteugrün" an Baiern.

Bemerkenswert!), wenn auch traurig, ist es, daß die von ihrem Vaterlande
Abgetrennten, selbst uicht den mindesten Einwand dagegen machten.

Noch einer auffallenden Erscheinung des Landtages muß ich erwähnen, und
zwar der geringen Anzahl der bei dieser so wichtigen Frage erschienenen Mitglie¬
der. Nicht nur jene Landstände, die nur ein Zufall oder ein persönliches Inter¬
esse in die Versammlung bringen kaun, blieben aus, sondern auch bei vielen,
sonst sehr eifrigen (und zwar von beiden Parteien) war dies der Fall.


Ungeduld und Unachtsamkeit der Stände, wenn der Zeiger einmal bis zu einer
gewissen Stunde vorrücke.

Ob die Stände recht thaten, diesen Vorschlag fallen zu lassen, dürste wohl
noch fraglich sein.

Mit dieser Scene ward die Sitzung vom 30. geschlossen. Am 31. wurde die
bereits entworfene zweite Landtagsschrift vorgelesen, verbessert und eingenommen.
Sie ist in den ehrerbietigsten Ausdrücken verfaßt und beruft sich hinsichtlich des
Steuerzuschlages per 50,000 Fi. auf die erste Landtagsschrift; sie enthält weiter
deu Beweis, wie es uicht nur ein Recht der Stände sei, über das -in und quo-
modo zu berathen, sondern auch ein Recht der Nation, diese gewissenhafte Be¬
rathung von den Ständen zu fordern — eine Pflicht, deren genaue Erfüllung
Se. Maj. in dem Eiuberufnngsschreiben selbst strengstens anbefohlen und deren
Außerachtlassung deu Ständen nothwendig die Verachtung ihres Königs zuziehen
müßte; ferner wird wiederholt vorgestellt, wie Se. Maj. von dem Ansinnen, den
Domesticalfond mit dieser Summe zu belasten, abgestanden wäre, und die Krimi-
nalkvsten als Staatsaufwaud erklärt hätte, um diese Last nicht nur einer ge¬
wissen Klasse der Einwohner aufzuerlegen, dies aber durch den Steuerzuschlag
mit einem kleinen Unterschiede doch geschehe; wie endlich die fraglichen Kosten
vom Aerare zu einer Zeit übernommen worden seien, wo die Steuererhöhung noch
nicht postulirt wäre, und von den Ständen unmöglich gegeben werden könne;
der Staat habe die Last schon mit der Absicht übernommen, sie später unter einem
anderen Namen als Domesticalfond, aber doch uur deu Grund- und Gebäude-
Steuerpflichtigeu aufzuerlegen, und zwar, ohne die Nation über die hierdurch
erzielte und vou ihm selbst als nöthig anerkannte Verbesserung der Kriminal¬
justizpflege beruhigt zu haben; endlich enthielt diese Schrift die Anzeige, daß der
Ausschuß beauftragt sei, die alte Steuerquote sogleich, und selbst ohne deu Land¬
tagsschluß abzuwarten, auszuschreiben.

Noch zwei Punkte wurden berührt, nämlich der Straßenbau und die Landes-
begrenzuug, und hinsichtlich der letzteren bemerkt, daß die Stände auch über die
Integrität des Reiches zu wachen haben.

Die Veranlassung zu der letzten Bemerkung rücksichtlich der Integrität war
die, im vorigen Jahre stattgehabte Abtretung des laudtäflichen, demnach mit einem
Patrimonialgerichte versehenen Gutes „Otteugrün" an Baiern.

Bemerkenswert!), wenn auch traurig, ist es, daß die von ihrem Vaterlande
Abgetrennten, selbst uicht den mindesten Einwand dagegen machten.

Noch einer auffallenden Erscheinung des Landtages muß ich erwähnen, und
zwar der geringen Anzahl der bei dieser so wichtigen Frage erschienenen Mitglie¬
der. Nicht nur jene Landstände, die nur ein Zufall oder ein persönliches Inter¬
esse in die Versammlung bringen kaun, blieben aus, sondern auch bei vielen,
sonst sehr eifrigen (und zwar von beiden Parteien) war dies der Fall.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_309659/462>, abgerufen am 19.05.2024.