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Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, I. Semester. II. Band.

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MUS nur zu politischen Zwecken ausbeuten dürften -- zunächst zur Proclcnnation
der Republik. Unter Republik aber versteht unsere Bourgeoisie Staatsbanquerout
und Terrorismus.

Es klingt seltsam, liegt aber in der Natur der Sache, daß die Progressiven,
die früher den vereinigten Landtag als das Organ ihrer Ansichten zu einer hö¬
hern , rechtlichen Geltung zu erheben suchten, jetzt gegen die Einberufung desselben
Protest einlegen, während die conservative Partei sich mit aller Gewalt an diese
letzte Planke aus dem Wrack des alten Staatsgebäudes anklammert. Der Land¬
tag, sagen die Einen, ist hervorgegangen aus den feudalen Doctrinen der alten
romantischen Rechtslehrer; er ist legalistrt durch die Willkür des absoluten König¬
thums, er gehört als integrirender Theil in den alten preußischen Absolutismus.
Da dieser durch die Revolution gebrochen ist, so müssen nothwendiger Weise mit
ihm auch seine Institutionen fallen; der Landtag ist rechtlich unmöglich, denn die
Gewalt, die ihn hervorrief und die allein ihn trug, existirt nicht mehr; er ist recht¬
lich unmöglich, denn seine Existenz ist eine Usurpation privilegirter Classen gegen
die alleinige Souveränität des Volks; er ist unmöglich, denn er hat nur die Al¬
ternative, entweder gegen den neuen Geist zu reagiren, wo dann wieder sich neue
Barrikaden gegen ihn richten müssen, oder gegen sein eigenes Wesen, seine eigene
Existenz zu protestiren, seine eigene Nergangeuheit zu leugnen, einen Selbstmord
an sich zu begehen -- nicht aus Ueberzeugung, sondern ans Furcht vor dem Volk
-- und dann wäre er ehrlos, und könnte noch weniger das Vertrauen des Volks
vertreten. Er könne keine Gesetze geben, denn die Macht, die ihn bevollmächtigt,
sei gebrochen, er könne aber auch der Krone keinen Rath ertheilen, denn er sei in
sich selbst ein innerer Widerspruch, und darum rathlos.

Wie denkt uun die radicale Partei diesen einzigen Weg, gesetzlich den gesetz¬
lichen Zustand der Staatsverfassung abzuändern, zu ersetzen?

Die ConseaUenten unter ihnen erklärten, der gesetzliche Weg sei überhaupt
nicht mehr möglich, denn alle gesetzlichen Autoritäten seien abgeschafft. Das Volk
müsse die Politik in seine Hände nehmen. Der König sei nicht mehr absolut, er
habe selbst seiner unumschränkten Macht entsagt; er sei aber auch nicht cousiitn-
tionell, denn es gebe noch keine Konstitution. Von ihm, der noch vor einem
Jahre erklärt, er wolle es nimmer dulden, daß ein geschriebenes Blatt die Stelle
der Vorsehung vertrete, und sich zwischen sein Volk und seinen Herrgott aufstelle,
sei eine Reorganisation des Staatswesens, sei auch nur die formelle Initiative
der neuen Gesetzgebung weder zu erwarten noch anzunehmen. Es hatte sich auch
schon ein proviforisches Comite gebildet, -- auf den Antrag des Herrn Jordan,
der eben aus Paris zurückkehrte, -- die Gleichgesinnten aus allen Provinzen nach
Berlin zu berufen, um die neue Verfassung zu berathen und zu decretiren --
eine Idee, die genau dieselbe ist, welche auch das sogenannte deutsche Parlament
in Frankfurt zusammenwehte -- allein man besann sich doch eines andern, vor-


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MUS nur zu politischen Zwecken ausbeuten dürften — zunächst zur Proclcnnation
der Republik. Unter Republik aber versteht unsere Bourgeoisie Staatsbanquerout
und Terrorismus.

Es klingt seltsam, liegt aber in der Natur der Sache, daß die Progressiven,
die früher den vereinigten Landtag als das Organ ihrer Ansichten zu einer hö¬
hern , rechtlichen Geltung zu erheben suchten, jetzt gegen die Einberufung desselben
Protest einlegen, während die conservative Partei sich mit aller Gewalt an diese
letzte Planke aus dem Wrack des alten Staatsgebäudes anklammert. Der Land¬
tag, sagen die Einen, ist hervorgegangen aus den feudalen Doctrinen der alten
romantischen Rechtslehrer; er ist legalistrt durch die Willkür des absoluten König¬
thums, er gehört als integrirender Theil in den alten preußischen Absolutismus.
Da dieser durch die Revolution gebrochen ist, so müssen nothwendiger Weise mit
ihm auch seine Institutionen fallen; der Landtag ist rechtlich unmöglich, denn die
Gewalt, die ihn hervorrief und die allein ihn trug, existirt nicht mehr; er ist recht¬
lich unmöglich, denn seine Existenz ist eine Usurpation privilegirter Classen gegen
die alleinige Souveränität des Volks; er ist unmöglich, denn er hat nur die Al¬
ternative, entweder gegen den neuen Geist zu reagiren, wo dann wieder sich neue
Barrikaden gegen ihn richten müssen, oder gegen sein eigenes Wesen, seine eigene
Existenz zu protestiren, seine eigene Nergangeuheit zu leugnen, einen Selbstmord
an sich zu begehen — nicht aus Ueberzeugung, sondern ans Furcht vor dem Volk
— und dann wäre er ehrlos, und könnte noch weniger das Vertrauen des Volks
vertreten. Er könne keine Gesetze geben, denn die Macht, die ihn bevollmächtigt,
sei gebrochen, er könne aber auch der Krone keinen Rath ertheilen, denn er sei in
sich selbst ein innerer Widerspruch, und darum rathlos.

Wie denkt uun die radicale Partei diesen einzigen Weg, gesetzlich den gesetz¬
lichen Zustand der Staatsverfassung abzuändern, zu ersetzen?

Die ConseaUenten unter ihnen erklärten, der gesetzliche Weg sei überhaupt
nicht mehr möglich, denn alle gesetzlichen Autoritäten seien abgeschafft. Das Volk
müsse die Politik in seine Hände nehmen. Der König sei nicht mehr absolut, er
habe selbst seiner unumschränkten Macht entsagt; er sei aber auch nicht cousiitn-
tionell, denn es gebe noch keine Konstitution. Von ihm, der noch vor einem
Jahre erklärt, er wolle es nimmer dulden, daß ein geschriebenes Blatt die Stelle
der Vorsehung vertrete, und sich zwischen sein Volk und seinen Herrgott aufstelle,
sei eine Reorganisation des Staatswesens, sei auch nur die formelle Initiative
der neuen Gesetzgebung weder zu erwarten noch anzunehmen. Es hatte sich auch
schon ein proviforisches Comite gebildet, — auf den Antrag des Herrn Jordan,
der eben aus Paris zurückkehrte, — die Gleichgesinnten aus allen Provinzen nach
Berlin zu berufen, um die neue Verfassung zu berathen und zu decretiren —
eine Idee, die genau dieselbe ist, welche auch das sogenannte deutsche Parlament
in Frankfurt zusammenwehte — allein man besann sich doch eines andern, vor-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_276205/25>, abgerufen am 27.05.2024.