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Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, I. Semester. II. Band.

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Aus Paris



Lamartine'S FriedenSpredigte". -- Die ArteiteranSwcisungen und Emanuel Arago. -- Die Propaganda
und P-t-r in der Fremde. -- Bornst-d"'s Armee. -- Die Anschlage auf Belgien. -- Barret" und Jot-
trand. -- Der Messager de Gard. -- Die Affaire bei RiSquvnStont. -- Ihre Folgen. --
Emile Girardin.

Die Reibungen zwischen Frankreich und Belgien fangen an
bedenklich zu werden. Die Protestationen der provisorischen Negierung gegen
die Freischärler, welche die Republik in Quievrain und Monscron proclamiren wollten,
sind eben -- Protestationen und keinem nüchternen Menschen in Brüssel werden sie
übertriebenes Vertrauen einflößen. Die humanen und glänzenden Fricdensprcdigten
Lamartine's machen seinem persönlichen Charakter alle Ehre, aber Lamartine kann nur
für sich, nicht für seine Kollegen und noch weniger für Frankreich bürgen. Wenn die
Volksleidenschaft den sanften Zügel seiner Beredsamkeit nicht mehr erträgt, wird er
vielleicht abdanken oder abgedankt werden, -- eine schwache Genugthuung sür diejeni¬
gen, die der erste Choc der lui-la ir-mach" treffen wird. Beruft euch dann auf die
Maximen Lamartine's, haltet sie einer siegreichen Invasion vor, -- vn von" rii" -in
ne?! --

Man muß die Proclamationen der Regierung, so weit sie sich aufs Ausland be¬
ziehen, zwischen den Zeilen lesen. Wie wenig Geltung sie im Innern haben, zeige
Ihnen folgende Thatsache. Ich erwähnte in meinem Schreiben vom 26. März die
Austreibung fremder Arbeiter und daß dieser Gewaltstreich des Volkes durch einen Erlaß
der Polizei (Caussidierc) sanctionirt wurde. Jetzt, nachdem fast Niemand mehr auszu¬
treiben ist, nimmt der republikanische Commissär Em. Arago in Lyon die fremden Ar-
beiter großmüthig in Schutz, durch einen Papierwisch nämlich, worin er im Namen der
Fratcrnito die Verfolgung der Fremden für Frankreichs unwürdig erklärt, besonders da
die Deutschen und Italiener überall mit solcher Hingebung in die Fußstapfen der Re¬
publik getreten sein!!!.. Wie stimmt diese Hcrzenscrgicßung Arago's zum Erlaß
Caussidikre's, warum soll, was in Lyon unwürdig heißt, anderswo sür würdig gelten?
In Paris, in Römer, Lille und Valenciennes hat man die Fremden schockweise wegge¬
jagt, die englischen Zeitungen melden bald einen Trupp von 150. bald von 200 Ar¬
beitern, die in der größten Entblößung nach Hause kommen; Viele haben die Früchte
jahrelangen Fleißes großentheils oder ganz in den französischen Sparkassen zurücklassen
müssen, eben so lieblos verfährt man mit den Belgiern und Deutschen, und in Valen¬
ciennes hat man erst vor einigen Tagen förmliche Jagd auf jeden Fremden gemacht, der
noch einen Bissen Brot auf dem gastlichen Boden der Republik verdiente. Das Alles
setzt Herrn Emanuel Arago und seine wohlfeilen Deklamationen nicht in Verlegenheit.


Aus Paris



Lamartine'S FriedenSpredigte». — Die ArteiteranSwcisungen und Emanuel Arago. — Die Propaganda
und P-t-r in der Fremde. — Bornst-d«'s Armee. — Die Anschlage auf Belgien. — Barret« und Jot-
trand. — Der Messager de Gard. — Die Affaire bei RiSquvnStont. — Ihre Folgen. —
Emile Girardin.

Die Reibungen zwischen Frankreich und Belgien fangen an
bedenklich zu werden. Die Protestationen der provisorischen Negierung gegen
die Freischärler, welche die Republik in Quievrain und Monscron proclamiren wollten,
sind eben — Protestationen und keinem nüchternen Menschen in Brüssel werden sie
übertriebenes Vertrauen einflößen. Die humanen und glänzenden Fricdensprcdigten
Lamartine's machen seinem persönlichen Charakter alle Ehre, aber Lamartine kann nur
für sich, nicht für seine Kollegen und noch weniger für Frankreich bürgen. Wenn die
Volksleidenschaft den sanften Zügel seiner Beredsamkeit nicht mehr erträgt, wird er
vielleicht abdanken oder abgedankt werden, — eine schwache Genugthuung sür diejeni¬
gen, die der erste Choc der lui-la ir-mach« treffen wird. Beruft euch dann auf die
Maximen Lamartine's, haltet sie einer siegreichen Invasion vor, — vn von» rii» -in
ne?! —

Man muß die Proclamationen der Regierung, so weit sie sich aufs Ausland be¬
ziehen, zwischen den Zeilen lesen. Wie wenig Geltung sie im Innern haben, zeige
Ihnen folgende Thatsache. Ich erwähnte in meinem Schreiben vom 26. März die
Austreibung fremder Arbeiter und daß dieser Gewaltstreich des Volkes durch einen Erlaß
der Polizei (Caussidierc) sanctionirt wurde. Jetzt, nachdem fast Niemand mehr auszu¬
treiben ist, nimmt der republikanische Commissär Em. Arago in Lyon die fremden Ar-
beiter großmüthig in Schutz, durch einen Papierwisch nämlich, worin er im Namen der
Fratcrnito die Verfolgung der Fremden für Frankreichs unwürdig erklärt, besonders da
die Deutschen und Italiener überall mit solcher Hingebung in die Fußstapfen der Re¬
publik getreten sein!!!.. Wie stimmt diese Hcrzenscrgicßung Arago's zum Erlaß
Caussidikre's, warum soll, was in Lyon unwürdig heißt, anderswo sür würdig gelten?
In Paris, in Römer, Lille und Valenciennes hat man die Fremden schockweise wegge¬
jagt, die englischen Zeitungen melden bald einen Trupp von 150. bald von 200 Ar¬
beitern, die in der größten Entblößung nach Hause kommen; Viele haben die Früchte
jahrelangen Fleißes großentheils oder ganz in den französischen Sparkassen zurücklassen
müssen, eben so lieblos verfährt man mit den Belgiern und Deutschen, und in Valen¬
ciennes hat man erst vor einigen Tagen förmliche Jagd auf jeden Fremden gemacht, der
noch einen Bissen Brot auf dem gastlichen Boden der Republik verdiente. Das Alles
setzt Herrn Emanuel Arago und seine wohlfeilen Deklamationen nicht in Verlegenheit.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_276205/40>, abgerufen am 19.05.2024.