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Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, I. Semester. II. Band.

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rufen werde", weil damit weder für die wirkliche Erhebung der Frauen, noch
für die des Volkes ein Wesentliches gewonnen, wohl aber verloren werden kann.

Den Frauen folgten die verschiedenen Clubs; jedem zog klingendes Spiel
voraus, jedem ward seine Fahne vorgetragen. Ans schwarz-roth-goldnem Grnnde,
dem Farbenbilde deutscher Einheit, trugen die Banner die Inschrift der verschie¬
denen Gruppen; in dieser Weise ein Symbol gebend für die Gestaltung des
Menschhcitverbandes in der Zukunft, für die freie Berechtigung der Individualität
in der einigen Gesammtheit. Dem constitutionellen Club, dem Reformclnb schloß
sich der demokratische Club an, dessen Führer und Bannerträger sich etwas thea¬
tralisch und wohl mit unnöthigen Pathos mit blutrothen Federn und blutrothen
Leibbinden geschmückt hatten. Es wäre schlimm, wenn die Saat des Friedens
nicht keimen könnte unter uns, ohne mit dem Thau des Bürgerblutes getränkt
zu werden; es wäre schlimm, wenn wir in unserer Zeit noch kein anderes Argu¬
ment für die Wahrheit besäßen, als die Donner der Kanonen und das Beil der
Guillotine. Diese Beweismittel trennen die Menschheit durch Haß, und wir
fordern Vereinigung durch Liebe.

Liebende, vertrauende Vereinigung in der Freiheit war der Grundgedanke
dieser Wallfahrt. Zwischen den wohlhabenden Bürgern, den ansässigen Hand¬
werkern, deren alte Gewerksfahnen und Banner in dem mittelaltrigen Jnnungs-
zwcmge geschaffen, nun sonncnbelenchtet im Lichte der jungen Freiheit flatterten,
zogen Schaaren von Arbeitern einher, fröhliche grüne Eichenzweige an den Hüten;
und welche Worte standen auf ihrem Banner, das ebenfalls von Eichenzweigen
umflochten war?


"Die brodlosen Arbeiter!"

Sie haben kein Brot, nicht Hans, nicht Hof, aber sie haben die Natur,
die ihnen fröhlichen Schmuck leiht; sie haben nicht Brot, nicht Haus, nicht Hof,
aber sie haben den festen Glauben, daß die Besitzenden sie als Brüder erkennen
gelernt haben, daß die Verständigen einen Weg ermitteln werden, dem Brotlosen
nicht nur Arbeit und Brot, sondern so viel Arbeit und so viel Brot zuzuweisen,
daß er den Anspruch jedes Erschaffenen, jedes Existirenden auf Genuß, nach
seiner Weise zu befriedigen vermöge. Die Brotlosen haben nicht geraubt, sie
haben dem Besitzenden Nichts genommen, aber angefangen dringend zu fordern
und das ist ihre Pflicht, weil es ihr Recht ist. Sie würden berechtigt sein sich
einen Platz in der Gesellschaft und Genuß des Lebens zu erkämpfen, wenn man
nicht friedliche Mittel findet, ihnen genug zu thun.

Wer ein Herz hatte, dem mußte es erzittern in der Brust, wenn er sie sah,
die brodlosen Arbeiter, in ruhiger Haltung einherschreitend, geschmückt mit der
blühenden Farbe der Hoffnung, mit dem grünen Laub des Frühlings. Betrüge
diese Hoffnung nicht! verwandelt das Vertraue" nicht in Haß! gewährt aus Klug-


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rufen werde», weil damit weder für die wirkliche Erhebung der Frauen, noch
für die des Volkes ein Wesentliches gewonnen, wohl aber verloren werden kann.

Den Frauen folgten die verschiedenen Clubs; jedem zog klingendes Spiel
voraus, jedem ward seine Fahne vorgetragen. Ans schwarz-roth-goldnem Grnnde,
dem Farbenbilde deutscher Einheit, trugen die Banner die Inschrift der verschie¬
denen Gruppen; in dieser Weise ein Symbol gebend für die Gestaltung des
Menschhcitverbandes in der Zukunft, für die freie Berechtigung der Individualität
in der einigen Gesammtheit. Dem constitutionellen Club, dem Reformclnb schloß
sich der demokratische Club an, dessen Führer und Bannerträger sich etwas thea¬
tralisch und wohl mit unnöthigen Pathos mit blutrothen Federn und blutrothen
Leibbinden geschmückt hatten. Es wäre schlimm, wenn die Saat des Friedens
nicht keimen könnte unter uns, ohne mit dem Thau des Bürgerblutes getränkt
zu werden; es wäre schlimm, wenn wir in unserer Zeit noch kein anderes Argu¬
ment für die Wahrheit besäßen, als die Donner der Kanonen und das Beil der
Guillotine. Diese Beweismittel trennen die Menschheit durch Haß, und wir
fordern Vereinigung durch Liebe.

Liebende, vertrauende Vereinigung in der Freiheit war der Grundgedanke
dieser Wallfahrt. Zwischen den wohlhabenden Bürgern, den ansässigen Hand¬
werkern, deren alte Gewerksfahnen und Banner in dem mittelaltrigen Jnnungs-
zwcmge geschaffen, nun sonncnbelenchtet im Lichte der jungen Freiheit flatterten,
zogen Schaaren von Arbeitern einher, fröhliche grüne Eichenzweige an den Hüten;
und welche Worte standen auf ihrem Banner, das ebenfalls von Eichenzweigen
umflochten war?


„Die brodlosen Arbeiter!"

Sie haben kein Brot, nicht Hans, nicht Hof, aber sie haben die Natur,
die ihnen fröhlichen Schmuck leiht; sie haben nicht Brot, nicht Haus, nicht Hof,
aber sie haben den festen Glauben, daß die Besitzenden sie als Brüder erkennen
gelernt haben, daß die Verständigen einen Weg ermitteln werden, dem Brotlosen
nicht nur Arbeit und Brot, sondern so viel Arbeit und so viel Brot zuzuweisen,
daß er den Anspruch jedes Erschaffenen, jedes Existirenden auf Genuß, nach
seiner Weise zu befriedigen vermöge. Die Brotlosen haben nicht geraubt, sie
haben dem Besitzenden Nichts genommen, aber angefangen dringend zu fordern
und das ist ihre Pflicht, weil es ihr Recht ist. Sie würden berechtigt sein sich
einen Platz in der Gesellschaft und Genuß des Lebens zu erkämpfen, wenn man
nicht friedliche Mittel findet, ihnen genug zu thun.

Wer ein Herz hatte, dem mußte es erzittern in der Brust, wenn er sie sah,
die brodlosen Arbeiter, in ruhiger Haltung einherschreitend, geschmückt mit der
blühenden Farbe der Hoffnung, mit dem grünen Laub des Frühlings. Betrüge
diese Hoffnung nicht! verwandelt das Vertraue» nicht in Haß! gewährt aus Klug-


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[0431] rufen werde», weil damit weder für die wirkliche Erhebung der Frauen, noch für die des Volkes ein Wesentliches gewonnen, wohl aber verloren werden kann. Den Frauen folgten die verschiedenen Clubs; jedem zog klingendes Spiel voraus, jedem ward seine Fahne vorgetragen. Ans schwarz-roth-goldnem Grnnde, dem Farbenbilde deutscher Einheit, trugen die Banner die Inschrift der verschie¬ denen Gruppen; in dieser Weise ein Symbol gebend für die Gestaltung des Menschhcitverbandes in der Zukunft, für die freie Berechtigung der Individualität in der einigen Gesammtheit. Dem constitutionellen Club, dem Reformclnb schloß sich der demokratische Club an, dessen Führer und Bannerträger sich etwas thea¬ tralisch und wohl mit unnöthigen Pathos mit blutrothen Federn und blutrothen Leibbinden geschmückt hatten. Es wäre schlimm, wenn die Saat des Friedens nicht keimen könnte unter uns, ohne mit dem Thau des Bürgerblutes getränkt zu werden; es wäre schlimm, wenn wir in unserer Zeit noch kein anderes Argu¬ ment für die Wahrheit besäßen, als die Donner der Kanonen und das Beil der Guillotine. Diese Beweismittel trennen die Menschheit durch Haß, und wir fordern Vereinigung durch Liebe. Liebende, vertrauende Vereinigung in der Freiheit war der Grundgedanke dieser Wallfahrt. Zwischen den wohlhabenden Bürgern, den ansässigen Hand¬ werkern, deren alte Gewerksfahnen und Banner in dem mittelaltrigen Jnnungs- zwcmge geschaffen, nun sonncnbelenchtet im Lichte der jungen Freiheit flatterten, zogen Schaaren von Arbeitern einher, fröhliche grüne Eichenzweige an den Hüten; und welche Worte standen auf ihrem Banner, das ebenfalls von Eichenzweigen umflochten war? „Die brodlosen Arbeiter!" Sie haben kein Brot, nicht Hans, nicht Hof, aber sie haben die Natur, die ihnen fröhlichen Schmuck leiht; sie haben nicht Brot, nicht Haus, nicht Hof, aber sie haben den festen Glauben, daß die Besitzenden sie als Brüder erkennen gelernt haben, daß die Verständigen einen Weg ermitteln werden, dem Brotlosen nicht nur Arbeit und Brot, sondern so viel Arbeit und so viel Brot zuzuweisen, daß er den Anspruch jedes Erschaffenen, jedes Existirenden auf Genuß, nach seiner Weise zu befriedigen vermöge. Die Brotlosen haben nicht geraubt, sie haben dem Besitzenden Nichts genommen, aber angefangen dringend zu fordern und das ist ihre Pflicht, weil es ihr Recht ist. Sie würden berechtigt sein sich einen Platz in der Gesellschaft und Genuß des Lebens zu erkämpfen, wenn man nicht friedliche Mittel findet, ihnen genug zu thun. Wer ein Herz hatte, dem mußte es erzittern in der Brust, wenn er sie sah, die brodlosen Arbeiter, in ruhiger Haltung einherschreitend, geschmückt mit der blühenden Farbe der Hoffnung, mit dem grünen Laub des Frühlings. Betrüge diese Hoffnung nicht! verwandelt das Vertraue» nicht in Haß! gewährt aus Klug- Gr-uzbotm. II. 55

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_276205/431>, abgerufen am 17.06.2024.