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Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, I. Semester. II. Band.

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Karlsbader Beschlüsse, zur Abdankung veranlaßte, so kann man eine solche Ein¬
wirkung nur preisen.

Dennoch bleibt in der Sache noch immer viel Unbestimmtes und daher Be¬
denkliches. Wir schenken den 50 Männern, die zu dem permanenten Ausschuß
gewählt sind, unbedingtes Vertraue", aber sind sie sich selber klar, was sie eigent¬
lich vorstellen? Ein comitv <!" surveillimco gegen den Bundestag, scheint es, und
zugleich eine Art Vermittler zwischen demselben und -- wem doch gleich? der
deutschen Nation? jedenfalls der Nation in pitrtibus inückelium. Oesterreich ist
so gut wie gar nicht"), Preußen nicht viel mehr vertreten, und wir trauen der
Versammlung die Tollheit nicht zu, die Deutschen mit Ausschluß Oesterreichs und
Preußens für die deutsche Nation zu erklären.

Wie dem auch sei, die Versammlung hat bisher wohlthätig gewirkt, sie hat
den Bundestag angestachelt, sie hat zweckmäßige Vorschläge über die Zusammen¬
setzung des neuen Parlaments gemacht, sie hat auch verschiedene löbliche Aeuße¬
rungen über Deutschlands auswärtige Politik fallen lassen. Wenn sie freilich ernst¬
haft darüber berathen hat, ob sie Posen in den deutschen Bund aufnehmen
sollte oder nicht -- ich glaube auch Galizien -- so sah das kurios genug aus.
Alles in Allem, ist es sehr gut, daß es noch so abgegangen ist.

Die Initiative bei der neuen Verfassung kann, rechtlich, kein anderer haben,
als die konstitutionellen Vertreter der 38 deutschen Staaten, in denen bisher allein
die Souveränität ruhte: die Fürsten, d. h. ihre nach der Majorität der Land¬
stände bestimmten und allein verantwortlichen Minister. Denn die jetzige Ver¬
sammlung des Bundestages ist die alte nicht mehr ; es sind nicht mehr die Be¬
dienten Metternichs, die dort sitzen, sondern die Vertreter freier Staaten.

Man mißverstehe mich nicht: ich schließe mich vollständig der Ansicht mehrerer
deutschen Fürsten an, daß diese Staaten aufgelöst werden sollen, daß sie "aufgehn"
sollen in den deutschen Bundesstaat; möge Oesterreich, möge Preußen, möge Baiern,
Baden u. s. w. u. s. w. zusammenstürzen zu Gunsten Deutschlands -- es wird
mir vielleicht wehe thun um meines bisherigen Vaterlandes willen, aber fort da¬
mit, wenn ein besseres daraus hervorgeht! -- aber noch sind diese Staaten
nicht aufgelöst, noch sind sie die einzigen Träger der deutschenNa-
tionalität, und jederVersuch, mitUmgehung derselben den neuen
deutschen Staat zu constituiren, ist eine Usurpation, und führt
zur Anarchie! Und wer unter diesen Umständen, in einer Krisis, wie sie Deutsch¬
land noch nie erlebt, die Anarchie predigt, die noch bestehenden Bande lockert,
ist ein dreifacher Verräther an der Sache des deutschen Vaterlandes.



D. Red.
*) Doch. Wien hat die Herren Anastasius Grün, Bauernfeld, Endlicher und
Schuselka, wie wir so eben hören, nach Frankfurt deputirt.

Karlsbader Beschlüsse, zur Abdankung veranlaßte, so kann man eine solche Ein¬
wirkung nur preisen.

Dennoch bleibt in der Sache noch immer viel Unbestimmtes und daher Be¬
denkliches. Wir schenken den 50 Männern, die zu dem permanenten Ausschuß
gewählt sind, unbedingtes Vertraue», aber sind sie sich selber klar, was sie eigent¬
lich vorstellen? Ein comitv <!« surveillimco gegen den Bundestag, scheint es, und
zugleich eine Art Vermittler zwischen demselben und — wem doch gleich? der
deutschen Nation? jedenfalls der Nation in pitrtibus inückelium. Oesterreich ist
so gut wie gar nicht"), Preußen nicht viel mehr vertreten, und wir trauen der
Versammlung die Tollheit nicht zu, die Deutschen mit Ausschluß Oesterreichs und
Preußens für die deutsche Nation zu erklären.

Wie dem auch sei, die Versammlung hat bisher wohlthätig gewirkt, sie hat
den Bundestag angestachelt, sie hat zweckmäßige Vorschläge über die Zusammen¬
setzung des neuen Parlaments gemacht, sie hat auch verschiedene löbliche Aeuße¬
rungen über Deutschlands auswärtige Politik fallen lassen. Wenn sie freilich ernst¬
haft darüber berathen hat, ob sie Posen in den deutschen Bund aufnehmen
sollte oder nicht — ich glaube auch Galizien — so sah das kurios genug aus.
Alles in Allem, ist es sehr gut, daß es noch so abgegangen ist.

Die Initiative bei der neuen Verfassung kann, rechtlich, kein anderer haben,
als die konstitutionellen Vertreter der 38 deutschen Staaten, in denen bisher allein
die Souveränität ruhte: die Fürsten, d. h. ihre nach der Majorität der Land¬
stände bestimmten und allein verantwortlichen Minister. Denn die jetzige Ver¬
sammlung des Bundestages ist die alte nicht mehr ; es sind nicht mehr die Be¬
dienten Metternichs, die dort sitzen, sondern die Vertreter freier Staaten.

Man mißverstehe mich nicht: ich schließe mich vollständig der Ansicht mehrerer
deutschen Fürsten an, daß diese Staaten aufgelöst werden sollen, daß sie „aufgehn"
sollen in den deutschen Bundesstaat; möge Oesterreich, möge Preußen, möge Baiern,
Baden u. s. w. u. s. w. zusammenstürzen zu Gunsten Deutschlands — es wird
mir vielleicht wehe thun um meines bisherigen Vaterlandes willen, aber fort da¬
mit, wenn ein besseres daraus hervorgeht! — aber noch sind diese Staaten
nicht aufgelöst, noch sind sie die einzigen Träger der deutschenNa-
tionalität, und jederVersuch, mitUmgehung derselben den neuen
deutschen Staat zu constituiren, ist eine Usurpation, und führt
zur Anarchie! Und wer unter diesen Umständen, in einer Krisis, wie sie Deutsch¬
land noch nie erlebt, die Anarchie predigt, die noch bestehenden Bande lockert,
ist ein dreifacher Verräther an der Sache des deutschen Vaterlandes.



D. Red.
*) Doch. Wien hat die Herren Anastasius Grün, Bauernfeld, Endlicher und
Schuselka, wie wir so eben hören, nach Frankfurt deputirt.
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[0048] Karlsbader Beschlüsse, zur Abdankung veranlaßte, so kann man eine solche Ein¬ wirkung nur preisen. Dennoch bleibt in der Sache noch immer viel Unbestimmtes und daher Be¬ denkliches. Wir schenken den 50 Männern, die zu dem permanenten Ausschuß gewählt sind, unbedingtes Vertraue», aber sind sie sich selber klar, was sie eigent¬ lich vorstellen? Ein comitv <!« surveillimco gegen den Bundestag, scheint es, und zugleich eine Art Vermittler zwischen demselben und — wem doch gleich? der deutschen Nation? jedenfalls der Nation in pitrtibus inückelium. Oesterreich ist so gut wie gar nicht"), Preußen nicht viel mehr vertreten, und wir trauen der Versammlung die Tollheit nicht zu, die Deutschen mit Ausschluß Oesterreichs und Preußens für die deutsche Nation zu erklären. Wie dem auch sei, die Versammlung hat bisher wohlthätig gewirkt, sie hat den Bundestag angestachelt, sie hat zweckmäßige Vorschläge über die Zusammen¬ setzung des neuen Parlaments gemacht, sie hat auch verschiedene löbliche Aeuße¬ rungen über Deutschlands auswärtige Politik fallen lassen. Wenn sie freilich ernst¬ haft darüber berathen hat, ob sie Posen in den deutschen Bund aufnehmen sollte oder nicht — ich glaube auch Galizien — so sah das kurios genug aus. Alles in Allem, ist es sehr gut, daß es noch so abgegangen ist. Die Initiative bei der neuen Verfassung kann, rechtlich, kein anderer haben, als die konstitutionellen Vertreter der 38 deutschen Staaten, in denen bisher allein die Souveränität ruhte: die Fürsten, d. h. ihre nach der Majorität der Land¬ stände bestimmten und allein verantwortlichen Minister. Denn die jetzige Ver¬ sammlung des Bundestages ist die alte nicht mehr ; es sind nicht mehr die Be¬ dienten Metternichs, die dort sitzen, sondern die Vertreter freier Staaten. Man mißverstehe mich nicht: ich schließe mich vollständig der Ansicht mehrerer deutschen Fürsten an, daß diese Staaten aufgelöst werden sollen, daß sie „aufgehn" sollen in den deutschen Bundesstaat; möge Oesterreich, möge Preußen, möge Baiern, Baden u. s. w. u. s. w. zusammenstürzen zu Gunsten Deutschlands — es wird mir vielleicht wehe thun um meines bisherigen Vaterlandes willen, aber fort da¬ mit, wenn ein besseres daraus hervorgeht! — aber noch sind diese Staaten nicht aufgelöst, noch sind sie die einzigen Träger der deutschenNa- tionalität, und jederVersuch, mitUmgehung derselben den neuen deutschen Staat zu constituiren, ist eine Usurpation, und führt zur Anarchie! Und wer unter diesen Umständen, in einer Krisis, wie sie Deutsch¬ land noch nie erlebt, die Anarchie predigt, die noch bestehenden Bande lockert, ist ein dreifacher Verräther an der Sache des deutschen Vaterlandes. D. Red. *) Doch. Wien hat die Herren Anastasius Grün, Bauernfeld, Endlicher und Schuselka, wie wir so eben hören, nach Frankfurt deputirt.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_276205/48>, abgerufen am 27.05.2024.