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Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, I. Semester. II. Band.

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mit dem Haupt der kriegführenden Macht will abhalten lassen --- bietet sich we¬
nigstens eine positive, legitime Macht, mit der man in Unterhandlung treten kann.

Soll aber diese Unterhandlung von Erfolg sein, so muß vor allen Dingen
die alte Eroberungspolitik des Hauses Oestreich, das unselige Erbtheil der Hohen-
staufischen Zeit, aufgegeben werden. Oestreich muß erkennen , daß es in seinem
eigenen Interesse liegt, Italien frei und wo möglich unter einer fest constituirten
Regierung zu sehen. Man muß aufhören, die Italiener als Rebellen zu betrach¬
ten. Der Erfolg hängt endlich von der Schnelligkeit, der Bestimmtheit und der
Aufrichtigkeit der ersten Schritte ab.

Wenn der Mailändische Krieg uns in einen zwecklosen Kampf mit Frankreich
und Italien zu verwickeln droht, so ist der Schleswig-Holsteinische trotz seiner
scheinbaren Unbedeutenden noch gefährlicher und wo möglich noch zweckloser. Wir
sind unfähig, ihn mit Ernst zu führen, denn wir haben keine Flotte und können
Dänemark nicht beikommen; unser Handel leidet die größten Nachtheile nud wir
müssen jeden Augenblick erwarten, nicht nnr Skandinavien, sondern anch Nußland
in den Reihen unserer Feinde zu sehen. Finden sich doch unsere Nationalitäts-
schwindlcr schon jetzt ermäßigt, mit Ansprüchen auf die deutschen Ostseeprovinzen
hervorzutreten.

Und um was handelt es sich eigentlich? Nicht um eine Losreißung der bei¬
den deutschen Provinzen von dem jetzigen König von Dänemark, denn dazu liegt
auch nicht der Schein eines rechtlichen Grundes vor, sondern einfach um die Frage:
wieweit soll Schleswig staatsrechtlich zum Herzogthum Holstein, wieweit zu Jut¬
ta ut gehören?

Sollte diese Frage in der That groß genug sein, um die Gefahr eines all-
gemeinen Weltbrandes auf uns zu laden? eines Brandes, der unsere nen errun¬
gene Freiheit leicht verzehren könnte ? oder soll, das mittelalterliche Ehrgefühl noch
gelten, daß wir mit dem alten Fortinbras um ein Dorf, weil es sich um unsere "Ehre"
handelt, Hunderttausende in den Tod schicken und die Entwickelung der Cultur
gewaltsam hemmen wollen?

Von der dritten Seite die Polen. Die eine dentschthümelnde Partei will
mit aller Gewalt einen Krieg gegen Rußland hervorrufen, um dem jungen Adler
die Uebung seiner Schwingen zu gestatten; die andere, die beständig Heißhunger
hat, ohne daß es ihr auf den Stoff ankommt, will die Polen ausrotten, weil
sie sich Deutschland nicht anschließen wollen. Die guten Radikalen würden nicht
einmal bis in die Schneefelder dringen, auf denen die Gebeine der großen Armee
bleichen.

Ganz zu geschweige!, von den Slaven, die in Oestreich ein neues Reich grün-
den, von den Jakobinern, die allenfalls mit Hilfe der Franzosen die Potentaten
entthronen und die Eine und untheilbare Republik Deutschland gründen wollen; ganz


mit dem Haupt der kriegführenden Macht will abhalten lassen -— bietet sich we¬
nigstens eine positive, legitime Macht, mit der man in Unterhandlung treten kann.

Soll aber diese Unterhandlung von Erfolg sein, so muß vor allen Dingen
die alte Eroberungspolitik des Hauses Oestreich, das unselige Erbtheil der Hohen-
staufischen Zeit, aufgegeben werden. Oestreich muß erkennen , daß es in seinem
eigenen Interesse liegt, Italien frei und wo möglich unter einer fest constituirten
Regierung zu sehen. Man muß aufhören, die Italiener als Rebellen zu betrach¬
ten. Der Erfolg hängt endlich von der Schnelligkeit, der Bestimmtheit und der
Aufrichtigkeit der ersten Schritte ab.

Wenn der Mailändische Krieg uns in einen zwecklosen Kampf mit Frankreich
und Italien zu verwickeln droht, so ist der Schleswig-Holsteinische trotz seiner
scheinbaren Unbedeutenden noch gefährlicher und wo möglich noch zweckloser. Wir
sind unfähig, ihn mit Ernst zu führen, denn wir haben keine Flotte und können
Dänemark nicht beikommen; unser Handel leidet die größten Nachtheile nud wir
müssen jeden Augenblick erwarten, nicht nnr Skandinavien, sondern anch Nußland
in den Reihen unserer Feinde zu sehen. Finden sich doch unsere Nationalitäts-
schwindlcr schon jetzt ermäßigt, mit Ansprüchen auf die deutschen Ostseeprovinzen
hervorzutreten.

Und um was handelt es sich eigentlich? Nicht um eine Losreißung der bei¬
den deutschen Provinzen von dem jetzigen König von Dänemark, denn dazu liegt
auch nicht der Schein eines rechtlichen Grundes vor, sondern einfach um die Frage:
wieweit soll Schleswig staatsrechtlich zum Herzogthum Holstein, wieweit zu Jut¬
ta ut gehören?

Sollte diese Frage in der That groß genug sein, um die Gefahr eines all-
gemeinen Weltbrandes auf uns zu laden? eines Brandes, der unsere nen errun¬
gene Freiheit leicht verzehren könnte ? oder soll, das mittelalterliche Ehrgefühl noch
gelten, daß wir mit dem alten Fortinbras um ein Dorf, weil es sich um unsere „Ehre"
handelt, Hunderttausende in den Tod schicken und die Entwickelung der Cultur
gewaltsam hemmen wollen?

Von der dritten Seite die Polen. Die eine dentschthümelnde Partei will
mit aller Gewalt einen Krieg gegen Rußland hervorrufen, um dem jungen Adler
die Uebung seiner Schwingen zu gestatten; die andere, die beständig Heißhunger
hat, ohne daß es ihr auf den Stoff ankommt, will die Polen ausrotten, weil
sie sich Deutschland nicht anschließen wollen. Die guten Radikalen würden nicht
einmal bis in die Schneefelder dringen, auf denen die Gebeine der großen Armee
bleichen.

Ganz zu geschweige!, von den Slaven, die in Oestreich ein neues Reich grün-
den, von den Jakobinern, die allenfalls mit Hilfe der Franzosen die Potentaten
entthronen und die Eine und untheilbare Republik Deutschland gründen wollen; ganz


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[0526] mit dem Haupt der kriegführenden Macht will abhalten lassen -— bietet sich we¬ nigstens eine positive, legitime Macht, mit der man in Unterhandlung treten kann. Soll aber diese Unterhandlung von Erfolg sein, so muß vor allen Dingen die alte Eroberungspolitik des Hauses Oestreich, das unselige Erbtheil der Hohen- staufischen Zeit, aufgegeben werden. Oestreich muß erkennen , daß es in seinem eigenen Interesse liegt, Italien frei und wo möglich unter einer fest constituirten Regierung zu sehen. Man muß aufhören, die Italiener als Rebellen zu betrach¬ ten. Der Erfolg hängt endlich von der Schnelligkeit, der Bestimmtheit und der Aufrichtigkeit der ersten Schritte ab. Wenn der Mailändische Krieg uns in einen zwecklosen Kampf mit Frankreich und Italien zu verwickeln droht, so ist der Schleswig-Holsteinische trotz seiner scheinbaren Unbedeutenden noch gefährlicher und wo möglich noch zweckloser. Wir sind unfähig, ihn mit Ernst zu führen, denn wir haben keine Flotte und können Dänemark nicht beikommen; unser Handel leidet die größten Nachtheile nud wir müssen jeden Augenblick erwarten, nicht nnr Skandinavien, sondern anch Nußland in den Reihen unserer Feinde zu sehen. Finden sich doch unsere Nationalitäts- schwindlcr schon jetzt ermäßigt, mit Ansprüchen auf die deutschen Ostseeprovinzen hervorzutreten. Und um was handelt es sich eigentlich? Nicht um eine Losreißung der bei¬ den deutschen Provinzen von dem jetzigen König von Dänemark, denn dazu liegt auch nicht der Schein eines rechtlichen Grundes vor, sondern einfach um die Frage: wieweit soll Schleswig staatsrechtlich zum Herzogthum Holstein, wieweit zu Jut¬ ta ut gehören? Sollte diese Frage in der That groß genug sein, um die Gefahr eines all- gemeinen Weltbrandes auf uns zu laden? eines Brandes, der unsere nen errun¬ gene Freiheit leicht verzehren könnte ? oder soll, das mittelalterliche Ehrgefühl noch gelten, daß wir mit dem alten Fortinbras um ein Dorf, weil es sich um unsere „Ehre" handelt, Hunderttausende in den Tod schicken und die Entwickelung der Cultur gewaltsam hemmen wollen? Von der dritten Seite die Polen. Die eine dentschthümelnde Partei will mit aller Gewalt einen Krieg gegen Rußland hervorrufen, um dem jungen Adler die Uebung seiner Schwingen zu gestatten; die andere, die beständig Heißhunger hat, ohne daß es ihr auf den Stoff ankommt, will die Polen ausrotten, weil sie sich Deutschland nicht anschließen wollen. Die guten Radikalen würden nicht einmal bis in die Schneefelder dringen, auf denen die Gebeine der großen Armee bleichen. Ganz zu geschweige!, von den Slaven, die in Oestreich ein neues Reich grün- den, von den Jakobinern, die allenfalls mit Hilfe der Franzosen die Potentaten entthronen und die Eine und untheilbare Republik Deutschland gründen wollen; ganz

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_276205/526>, abgerufen am 17.06.2024.