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Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. IV. Band.

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geben und dieses durch eine ähnliche Erklärung, wie die oben beschriebene, her¬
beiführen. Dies wäre allerdings einer der formalen Acte, vor welchen ver¬
ständige Politiker die Fordernden mit Recht so oft gewarnt haben, als auf¬
regend und im Grunde bedeutungslos. Aber er ist jetzt nothwendig. Dann
wird an den ernstlichen Willen Preußens, seinerseits für eine reelle Reichs-
einheit Alles zu thun, Niemand mehr zweifeln. Außerdem konnte sogar die
"Meutererversammlung," wie der alte Jahr sie nennt, vorübergehend andere
Bedeutung, als eine Ncstroi'sche Posse erlangen, wenn nicht der Umstand, daß
unser Freund Rüge Urheber und Lenker dieses Planes, auf alle Fälle dafür
bürgte, daß das Ganze ein höchst irrationell angelegtes Lustschloß ist.

Es fragt sich, ob Preußen dnrch eine solche Erklärung irgend Gefahr liefe.
Ich glaube entschieden nicht. Wie wenn der Plan auftauchte, durch einen Be¬
schluß der Nationalversammlung Preußen zu zerstören? Daß solche wahnsinnige
lind verbrecherische Gelüste in einem Theil vorhanden, ist eben so offenbar, als
daß sie nie durchdringen würden. Aber auch abgesehen von dem Charakter der
Nationalversammlung, wie er bis jetzt sich gezeigt, liefe Preußen keine Gefahr,
denn es ist dafür gesorgt, "daß die Bäume nicht in den Himmel wachsen." Auch
d"S formell unumschränkteste Mandat bleibt der Natur der Sache uach ein be¬
schränktes. Eine legislative Versammlung mit unbeschränkter Vollmacht, die den
Meuchelmord sanctionirt, wird trotz ihrer Vollmacht nichts ausrichten. So die
Frankfurter Linke, die den Aufruhr sanctionirt mit ihrer Lehre, daß nnr die be¬
siegte Emente strafbar und daß dies eigentlich ein reines Malheur. Gegen den
Beschluß, in Frankfurt gefaßt, Preußen zu vernichten, würde sich der intelligente
Theil der gauzeu deutscheu Nation erheben, der Deutschland nicht der Fremdherr¬
schaft ausliefern will. Die preußische Regierung hätte dabei das Wenigste zu thun.

Die Radikalen werden vielleicht schreien: ihr unterwerfe euch öffentlich ohne
Vorbehalt mit dem geheimen Vorbehalt, das anzunehmen, was euch gefällt. Aber
das würde nicht schaden. Allen vernünftigen Beschlüssen wird sich Preußen fügen.
Und da" Experiment, um seinen Gehorsam zu erproben, einen unvernünftigen
durchzusetzen, wird nicht gelingen. Im Gegentheil kann Preußen sicher darauf
rechnen, daß, nachdem es den Willen gezeigt haben wird, die unumgänglichen
Bedingungen der Reichseinheit zu erfüllen, allen übrigen nachdrücklich ausgespro¬
chenen Wünschen die Majorität in Frankfurt bereitwillig entgegenkommen wird,
-- r. eine Thatsache, welche die Linke jetzt schon höhnisch hervorhebt.




geben und dieses durch eine ähnliche Erklärung, wie die oben beschriebene, her¬
beiführen. Dies wäre allerdings einer der formalen Acte, vor welchen ver¬
ständige Politiker die Fordernden mit Recht so oft gewarnt haben, als auf¬
regend und im Grunde bedeutungslos. Aber er ist jetzt nothwendig. Dann
wird an den ernstlichen Willen Preußens, seinerseits für eine reelle Reichs-
einheit Alles zu thun, Niemand mehr zweifeln. Außerdem konnte sogar die
„Meutererversammlung," wie der alte Jahr sie nennt, vorübergehend andere
Bedeutung, als eine Ncstroi'sche Posse erlangen, wenn nicht der Umstand, daß
unser Freund Rüge Urheber und Lenker dieses Planes, auf alle Fälle dafür
bürgte, daß das Ganze ein höchst irrationell angelegtes Lustschloß ist.

Es fragt sich, ob Preußen dnrch eine solche Erklärung irgend Gefahr liefe.
Ich glaube entschieden nicht. Wie wenn der Plan auftauchte, durch einen Be¬
schluß der Nationalversammlung Preußen zu zerstören? Daß solche wahnsinnige
lind verbrecherische Gelüste in einem Theil vorhanden, ist eben so offenbar, als
daß sie nie durchdringen würden. Aber auch abgesehen von dem Charakter der
Nationalversammlung, wie er bis jetzt sich gezeigt, liefe Preußen keine Gefahr,
denn es ist dafür gesorgt, „daß die Bäume nicht in den Himmel wachsen." Auch
d«S formell unumschränkteste Mandat bleibt der Natur der Sache uach ein be¬
schränktes. Eine legislative Versammlung mit unbeschränkter Vollmacht, die den
Meuchelmord sanctionirt, wird trotz ihrer Vollmacht nichts ausrichten. So die
Frankfurter Linke, die den Aufruhr sanctionirt mit ihrer Lehre, daß nnr die be¬
siegte Emente strafbar und daß dies eigentlich ein reines Malheur. Gegen den
Beschluß, in Frankfurt gefaßt, Preußen zu vernichten, würde sich der intelligente
Theil der gauzeu deutscheu Nation erheben, der Deutschland nicht der Fremdherr¬
schaft ausliefern will. Die preußische Regierung hätte dabei das Wenigste zu thun.

Die Radikalen werden vielleicht schreien: ihr unterwerfe euch öffentlich ohne
Vorbehalt mit dem geheimen Vorbehalt, das anzunehmen, was euch gefällt. Aber
das würde nicht schaden. Allen vernünftigen Beschlüssen wird sich Preußen fügen.
Und da« Experiment, um seinen Gehorsam zu erproben, einen unvernünftigen
durchzusetzen, wird nicht gelingen. Im Gegentheil kann Preußen sicher darauf
rechnen, daß, nachdem es den Willen gezeigt haben wird, die unumgänglichen
Bedingungen der Reichseinheit zu erfüllen, allen übrigen nachdrücklich ausgespro¬
chenen Wünschen die Majorität in Frankfurt bereitwillig entgegenkommen wird,
— r. eine Thatsache, welche die Linke jetzt schon höhnisch hervorhebt.




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[0158] geben und dieses durch eine ähnliche Erklärung, wie die oben beschriebene, her¬ beiführen. Dies wäre allerdings einer der formalen Acte, vor welchen ver¬ ständige Politiker die Fordernden mit Recht so oft gewarnt haben, als auf¬ regend und im Grunde bedeutungslos. Aber er ist jetzt nothwendig. Dann wird an den ernstlichen Willen Preußens, seinerseits für eine reelle Reichs- einheit Alles zu thun, Niemand mehr zweifeln. Außerdem konnte sogar die „Meutererversammlung," wie der alte Jahr sie nennt, vorübergehend andere Bedeutung, als eine Ncstroi'sche Posse erlangen, wenn nicht der Umstand, daß unser Freund Rüge Urheber und Lenker dieses Planes, auf alle Fälle dafür bürgte, daß das Ganze ein höchst irrationell angelegtes Lustschloß ist. Es fragt sich, ob Preußen dnrch eine solche Erklärung irgend Gefahr liefe. Ich glaube entschieden nicht. Wie wenn der Plan auftauchte, durch einen Be¬ schluß der Nationalversammlung Preußen zu zerstören? Daß solche wahnsinnige lind verbrecherische Gelüste in einem Theil vorhanden, ist eben so offenbar, als daß sie nie durchdringen würden. Aber auch abgesehen von dem Charakter der Nationalversammlung, wie er bis jetzt sich gezeigt, liefe Preußen keine Gefahr, denn es ist dafür gesorgt, „daß die Bäume nicht in den Himmel wachsen." Auch d«S formell unumschränkteste Mandat bleibt der Natur der Sache uach ein be¬ schränktes. Eine legislative Versammlung mit unbeschränkter Vollmacht, die den Meuchelmord sanctionirt, wird trotz ihrer Vollmacht nichts ausrichten. So die Frankfurter Linke, die den Aufruhr sanctionirt mit ihrer Lehre, daß nnr die be¬ siegte Emente strafbar und daß dies eigentlich ein reines Malheur. Gegen den Beschluß, in Frankfurt gefaßt, Preußen zu vernichten, würde sich der intelligente Theil der gauzeu deutscheu Nation erheben, der Deutschland nicht der Fremdherr¬ schaft ausliefern will. Die preußische Regierung hätte dabei das Wenigste zu thun. Die Radikalen werden vielleicht schreien: ihr unterwerfe euch öffentlich ohne Vorbehalt mit dem geheimen Vorbehalt, das anzunehmen, was euch gefällt. Aber das würde nicht schaden. Allen vernünftigen Beschlüssen wird sich Preußen fügen. Und da« Experiment, um seinen Gehorsam zu erproben, einen unvernünftigen durchzusetzen, wird nicht gelingen. Im Gegentheil kann Preußen sicher darauf rechnen, daß, nachdem es den Willen gezeigt haben wird, die unumgänglichen Bedingungen der Reichseinheit zu erfüllen, allen übrigen nachdrücklich ausgespro¬ chenen Wünschen die Majorität in Frankfurt bereitwillig entgegenkommen wird, — r. eine Thatsache, welche die Linke jetzt schon höhnisch hervorhebt.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_276755/158>, abgerufen am 17.06.2024.