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Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. IV. Band.

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Zuvorkommenheit der Regierung, die seineu humanen Tadel nicht ohne Rührung
-tat!" legt. Auch die höheren Regionen des Lebens, die bekanntlich keine Rache
kennen, sind in diesem Vereine durch den königl. Cabinetsrath Keller und den
königl. Rath Advocat 0r. v. Hirn eis vertreten, Männer der äußersten Rechten.
Er hat ein Comite für die Wahlen zum neuen Landtag gebildet und wird seine
Kandidaten mit Hilfe der Regierung aus dem "guten Sinne" der gesammten
Bürgerschaft sicherlich durchsetzen, und so ist Aussicht vorhanden, daß München
in der neuen Kammer eben so glänzend vertreten werde, als in Frankfurt.
Ein solcher Verein muß auf den Beifall des großen Publicums verzichten, in so¬
fern der erbittertste Kampf der Zeit unleugbar der Bourgeoisie gilt. Er setzte an
seine Spitze einen unternehmenden rüstigen Mann, den Fabrikanten (Goldschläger)
Hrn. Härte, einen getauften Israeliten, der auch im Gremium der Gemeinde-
bevollmächtigten sitzt und dem Protestantismus angehört. Seine Wahl zeigte, daß
der frühere konfessionelle Hader viel an seiner Bitterkeit verloren hat. Der für
seine industrielle Thätigkeit von der Menge angefeindete Mann ist durch das un-
geschmälerte Vertrauen des Vereins getragen. Durch die Theilnahme, welche der
Verein den acht Ausschußmitgliedern des demokratischen Vereins zuwendete, welche
jüngst auf eine Denunciation verhaftet wurden, hat derselbe einen Anlauf nach
Popularität genommen und gezeigt , welche Früchte eine edle Selbstständigkeit tra¬
gen kann. -- Endlich ist noch des schmalen Häufleins der Deutsch-Katholiken
darum zu gedenken, weil ein gewisser zäher Zusammenhang ihrer eifrigen Mit¬
glieder ihnen den Stempel einer Partei ausprägt. Die junge Gemeinde, die "in
9. Oktober ihren ersten Gottesdienst gehalten und durch allerhöchstes Signal auf ge¬
setzlichem Boden steht, hat lange um die Lebensluft der Oeffentlichkeit ringen müssen.
Die Theilnahme, der Beitritt zu den Deutsch-Katholiken geht, wie man hört, meist von
protestantischer Seite ans; anch war der entschiedenste Gönner und Beschützer der jun¬
gen Gemeinde, Protestant, der Schönfärbermeister Ziegler, ein geborner Preuße aus
Berlin. Die Frauenwelt hat für das neue Kirchlein, wie für alle neuen Zeitstrebungen,
Sympathien; allein man hört nicht, daß eine überwiegende Anzahl Frauen sich zum
wirklichen Anschluß bereit gefunden. Ein ehemaliger katholischer Priester, Dom¬
hof, steht als Prediger der neuen Gemeinde vor, deren erster Vorstand l)>-.
Kreutzer ist, Professor an der hiesigen Veterinäraustalt. Bei der großen Noth
der Zeit, bei dem dürftiger, schmucklosen Gewände der neuen Lehre, wird es für
eine arme junge Gemeinde sehr schwer werden, sich gegen den zersetzenden Ernst
der Gegenwart zu wehren. Der alten Kirche wird auch hier wie anderwärts,
diese neue schmerzliche Erfahrung eher nützen als schaden.




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Zuvorkommenheit der Regierung, die seineu humanen Tadel nicht ohne Rührung
-tat!» legt. Auch die höheren Regionen des Lebens, die bekanntlich keine Rache
kennen, sind in diesem Vereine durch den königl. Cabinetsrath Keller und den
königl. Rath Advocat 0r. v. Hirn eis vertreten, Männer der äußersten Rechten.
Er hat ein Comite für die Wahlen zum neuen Landtag gebildet und wird seine
Kandidaten mit Hilfe der Regierung aus dem „guten Sinne" der gesammten
Bürgerschaft sicherlich durchsetzen, und so ist Aussicht vorhanden, daß München
in der neuen Kammer eben so glänzend vertreten werde, als in Frankfurt.
Ein solcher Verein muß auf den Beifall des großen Publicums verzichten, in so¬
fern der erbittertste Kampf der Zeit unleugbar der Bourgeoisie gilt. Er setzte an
seine Spitze einen unternehmenden rüstigen Mann, den Fabrikanten (Goldschläger)
Hrn. Härte, einen getauften Israeliten, der auch im Gremium der Gemeinde-
bevollmächtigten sitzt und dem Protestantismus angehört. Seine Wahl zeigte, daß
der frühere konfessionelle Hader viel an seiner Bitterkeit verloren hat. Der für
seine industrielle Thätigkeit von der Menge angefeindete Mann ist durch das un-
geschmälerte Vertrauen des Vereins getragen. Durch die Theilnahme, welche der
Verein den acht Ausschußmitgliedern des demokratischen Vereins zuwendete, welche
jüngst auf eine Denunciation verhaftet wurden, hat derselbe einen Anlauf nach
Popularität genommen und gezeigt , welche Früchte eine edle Selbstständigkeit tra¬
gen kann. — Endlich ist noch des schmalen Häufleins der Deutsch-Katholiken
darum zu gedenken, weil ein gewisser zäher Zusammenhang ihrer eifrigen Mit¬
glieder ihnen den Stempel einer Partei ausprägt. Die junge Gemeinde, die «in
9. Oktober ihren ersten Gottesdienst gehalten und durch allerhöchstes Signal auf ge¬
setzlichem Boden steht, hat lange um die Lebensluft der Oeffentlichkeit ringen müssen.
Die Theilnahme, der Beitritt zu den Deutsch-Katholiken geht, wie man hört, meist von
protestantischer Seite ans; anch war der entschiedenste Gönner und Beschützer der jun¬
gen Gemeinde, Protestant, der Schönfärbermeister Ziegler, ein geborner Preuße aus
Berlin. Die Frauenwelt hat für das neue Kirchlein, wie für alle neuen Zeitstrebungen,
Sympathien; allein man hört nicht, daß eine überwiegende Anzahl Frauen sich zum
wirklichen Anschluß bereit gefunden. Ein ehemaliger katholischer Priester, Dom¬
hof, steht als Prediger der neuen Gemeinde vor, deren erster Vorstand l)>-.
Kreutzer ist, Professor an der hiesigen Veterinäraustalt. Bei der großen Noth
der Zeit, bei dem dürftiger, schmucklosen Gewände der neuen Lehre, wird es für
eine arme junge Gemeinde sehr schwer werden, sich gegen den zersetzenden Ernst
der Gegenwart zu wehren. Der alten Kirche wird auch hier wie anderwärts,
diese neue schmerzliche Erfahrung eher nützen als schaden.




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[0273] Zuvorkommenheit der Regierung, die seineu humanen Tadel nicht ohne Rührung -tat!» legt. Auch die höheren Regionen des Lebens, die bekanntlich keine Rache kennen, sind in diesem Vereine durch den königl. Cabinetsrath Keller und den königl. Rath Advocat 0r. v. Hirn eis vertreten, Männer der äußersten Rechten. Er hat ein Comite für die Wahlen zum neuen Landtag gebildet und wird seine Kandidaten mit Hilfe der Regierung aus dem „guten Sinne" der gesammten Bürgerschaft sicherlich durchsetzen, und so ist Aussicht vorhanden, daß München in der neuen Kammer eben so glänzend vertreten werde, als in Frankfurt. Ein solcher Verein muß auf den Beifall des großen Publicums verzichten, in so¬ fern der erbittertste Kampf der Zeit unleugbar der Bourgeoisie gilt. Er setzte an seine Spitze einen unternehmenden rüstigen Mann, den Fabrikanten (Goldschläger) Hrn. Härte, einen getauften Israeliten, der auch im Gremium der Gemeinde- bevollmächtigten sitzt und dem Protestantismus angehört. Seine Wahl zeigte, daß der frühere konfessionelle Hader viel an seiner Bitterkeit verloren hat. Der für seine industrielle Thätigkeit von der Menge angefeindete Mann ist durch das un- geschmälerte Vertrauen des Vereins getragen. Durch die Theilnahme, welche der Verein den acht Ausschußmitgliedern des demokratischen Vereins zuwendete, welche jüngst auf eine Denunciation verhaftet wurden, hat derselbe einen Anlauf nach Popularität genommen und gezeigt , welche Früchte eine edle Selbstständigkeit tra¬ gen kann. — Endlich ist noch des schmalen Häufleins der Deutsch-Katholiken darum zu gedenken, weil ein gewisser zäher Zusammenhang ihrer eifrigen Mit¬ glieder ihnen den Stempel einer Partei ausprägt. Die junge Gemeinde, die «in 9. Oktober ihren ersten Gottesdienst gehalten und durch allerhöchstes Signal auf ge¬ setzlichem Boden steht, hat lange um die Lebensluft der Oeffentlichkeit ringen müssen. Die Theilnahme, der Beitritt zu den Deutsch-Katholiken geht, wie man hört, meist von protestantischer Seite ans; anch war der entschiedenste Gönner und Beschützer der jun¬ gen Gemeinde, Protestant, der Schönfärbermeister Ziegler, ein geborner Preuße aus Berlin. Die Frauenwelt hat für das neue Kirchlein, wie für alle neuen Zeitstrebungen, Sympathien; allein man hört nicht, daß eine überwiegende Anzahl Frauen sich zum wirklichen Anschluß bereit gefunden. Ein ehemaliger katholischer Priester, Dom¬ hof, steht als Prediger der neuen Gemeinde vor, deren erster Vorstand l)>-. Kreutzer ist, Professor an der hiesigen Veterinäraustalt. Bei der großen Noth der Zeit, bei dem dürftiger, schmucklosen Gewände der neuen Lehre, wird es für eine arme junge Gemeinde sehr schwer werden, sich gegen den zersetzenden Ernst der Gegenwart zu wehren. Der alten Kirche wird auch hier wie anderwärts, diese neue schmerzliche Erfahrung eher nützen als schaden. Grwzbo««». >v. 584».^-1

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_276755/273>, abgerufen am 17.06.2024.