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Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. IV. Band.

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dir einen halbjährigen Rausch getrunken, es war ein großer Zug den du thatest,
was dir von Zukunft noch bleibt, das hat er vergiftet. -- Wo sind die Deputa¬
ten, die Männer des Reichstags? Nach Kremsier, zum Kaiser, dort zahlt ihr die
Zeche für Alles, was ihr in Wien des Guten zu viel gethan. -- Horch, dumpfer
Trommelwirbel! Seid ihr vom Regiment Latour, daß ihr so finster einzieht, wie
vom Grabe? Weh uns -- ihr kommt vom Tödten, nicht im Kampfe, Waffe gegen
Waffe, ihr seid commandirt zur Rache, zu trübseligen Henkeramt. -- Als der
Mann lebte, den ihr mit drei Kugeln erschossen, da haben wir, ich und die Männer
meiner Partei, nicht gelobt, was er that; jetzt können wir nicht loben, daß ihr
ihn getödtet. Seit der Unselige von Frankfurt nach Wien kam, in der Aula
sprach und den Calabreser in sein Antlitz drückte, bin ich ihm gefolgt wie sein
Schatten, und mit sichrer Ueberzeugung spreche ich aus: er hat gar keinen Ein¬
fluß ausgeübt aus den Gang der Begebenheiten, seine Rede ist verhallt, sie war
nicht einmal heiß genug sür die Siedehitze unsrer Studenten, und was er seitdem
gethan, daß er die Waffen getragen, zum Kampfe geredet, das hat kaum eine
Kugel mehr über die Donau geschickt. Wozu machtet ihr einen Märtyrer aus
dem fremden Mann? Meint ihr Ordnung und Gesetz dadurch zu weihen, daß ihr
den wilden Spruch der Rachsucht sanctionirt: Ange um Auge, Mann gegen Mann,
Blum für Latour. Das ist Beduincnrecht, kaiserlich aber ist es nicht.

Als du, ernster Fürst, deinen Commandostab über Prag ausstrecktest, per¬
sönlich tief getroffen und doch mäßig, besonnen und versöhnlich, da haben wir,
die Männer der Grenzboten, dir Gerechtigkeit widerfahren lassen, wir haben da¬
mals -- fast allein -- vor unserem Volk dein Thun, deine Haltung vertreten.
Wir haben die große Aufgabe, Oestreich zu retten, die du jetzt gelöst, sast allein
unserem Volk verständlich zu machen gesucht. Was du aber jetzt gethan, das können
wir nicht loben. Daß du den armen Sprecher deinem Soldatenbrauch geopfert,
war unnöthig, ja es war schädlich. Sage nicht, es sei ihm geschehen nach Kriegs--
recht und Völkergesetz. Wir leben jetzt in Zuständen, wo der Buchstabe des
Gesetzes nicht das Höchste ist. Und ist Kriegsrecht ein Gesetz? Es ist die Willkür
der Sieger, durch Formen und Bräuche sanctionirt, seine Ausübung ist immer
ein Unglück, auch wo sie nothwendig und nützlich ist. Die Füsillade des Frank¬
furter Deputirten war beides nicht. Die Fraction der Demokratie, welcher er
angehört, war bis zum heutigen Tage discreditirt. Das Frankfurter Attentat, der
lächerliche Demokratencongreß in Berlin, hundert Thorheiten einzelner Parteimänner
hatten dahin gearbeitet, dem Volk die Angen zu offnen. Deine Besetzung Wiens
konnte ein neuer Sieg der vernünftigen Freiheit werden. Und in einem Moment
nimmst du deinem Sieg, deiner Arbeit den Segen. Das Gefühl der deutschen
Völkerstämme, den Zorn der Massen hast du aus's Neue gegen dich und den Hof
empört. Sage nicht, daß du das nicht ansteht. Sehr roh ist noch der Freiheitsdrang


dir einen halbjährigen Rausch getrunken, es war ein großer Zug den du thatest,
was dir von Zukunft noch bleibt, das hat er vergiftet. — Wo sind die Deputa¬
ten, die Männer des Reichstags? Nach Kremsier, zum Kaiser, dort zahlt ihr die
Zeche für Alles, was ihr in Wien des Guten zu viel gethan. — Horch, dumpfer
Trommelwirbel! Seid ihr vom Regiment Latour, daß ihr so finster einzieht, wie
vom Grabe? Weh uns — ihr kommt vom Tödten, nicht im Kampfe, Waffe gegen
Waffe, ihr seid commandirt zur Rache, zu trübseligen Henkeramt. — Als der
Mann lebte, den ihr mit drei Kugeln erschossen, da haben wir, ich und die Männer
meiner Partei, nicht gelobt, was er that; jetzt können wir nicht loben, daß ihr
ihn getödtet. Seit der Unselige von Frankfurt nach Wien kam, in der Aula
sprach und den Calabreser in sein Antlitz drückte, bin ich ihm gefolgt wie sein
Schatten, und mit sichrer Ueberzeugung spreche ich aus: er hat gar keinen Ein¬
fluß ausgeübt aus den Gang der Begebenheiten, seine Rede ist verhallt, sie war
nicht einmal heiß genug sür die Siedehitze unsrer Studenten, und was er seitdem
gethan, daß er die Waffen getragen, zum Kampfe geredet, das hat kaum eine
Kugel mehr über die Donau geschickt. Wozu machtet ihr einen Märtyrer aus
dem fremden Mann? Meint ihr Ordnung und Gesetz dadurch zu weihen, daß ihr
den wilden Spruch der Rachsucht sanctionirt: Ange um Auge, Mann gegen Mann,
Blum für Latour. Das ist Beduincnrecht, kaiserlich aber ist es nicht.

Als du, ernster Fürst, deinen Commandostab über Prag ausstrecktest, per¬
sönlich tief getroffen und doch mäßig, besonnen und versöhnlich, da haben wir,
die Männer der Grenzboten, dir Gerechtigkeit widerfahren lassen, wir haben da¬
mals — fast allein — vor unserem Volk dein Thun, deine Haltung vertreten.
Wir haben die große Aufgabe, Oestreich zu retten, die du jetzt gelöst, sast allein
unserem Volk verständlich zu machen gesucht. Was du aber jetzt gethan, das können
wir nicht loben. Daß du den armen Sprecher deinem Soldatenbrauch geopfert,
war unnöthig, ja es war schädlich. Sage nicht, es sei ihm geschehen nach Kriegs--
recht und Völkergesetz. Wir leben jetzt in Zuständen, wo der Buchstabe des
Gesetzes nicht das Höchste ist. Und ist Kriegsrecht ein Gesetz? Es ist die Willkür
der Sieger, durch Formen und Bräuche sanctionirt, seine Ausübung ist immer
ein Unglück, auch wo sie nothwendig und nützlich ist. Die Füsillade des Frank¬
furter Deputirten war beides nicht. Die Fraction der Demokratie, welcher er
angehört, war bis zum heutigen Tage discreditirt. Das Frankfurter Attentat, der
lächerliche Demokratencongreß in Berlin, hundert Thorheiten einzelner Parteimänner
hatten dahin gearbeitet, dem Volk die Angen zu offnen. Deine Besetzung Wiens
konnte ein neuer Sieg der vernünftigen Freiheit werden. Und in einem Moment
nimmst du deinem Sieg, deiner Arbeit den Segen. Das Gefühl der deutschen
Völkerstämme, den Zorn der Massen hast du aus's Neue gegen dich und den Hof
empört. Sage nicht, daß du das nicht ansteht. Sehr roh ist noch der Freiheitsdrang


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_276755/282>, abgerufen am 17.06.2024.