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Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. IV. Band.

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müsse, daß ferner nach Rechten und Pflichten zwischen direkten
und indirekten Gemeindegliedern zu unterscheiden sei. Die Aus¬
dehnung des Wahlrechts auf alle Staatsbürger hat keinen Sinn, wenn diese nicht
als Ortsbürger an den Interessen der Gemeinden Theil nehmen, denn vernünf¬
tigerweise kann, wenn von der Entscheidung einer allgemeinen Staatsbehörde ab¬
gesehen wird, der Entscheid nur von einem Körper ausgehen, der aus der Mitte
der überhaupt betheiligten Classe hervorgegangen ist, wie im täglichen Leben so
häufig von Experten geschieht. Man hat geglaubt im Sinne der Demokratie zu
handeln, wenn man allen Staatsbürgern hier ohne Unterschied dieselben Rechte
einräumte und in so fern ist die Anordnung zu billigen, als sie Alle in dieselben
Interessen hereinzuziehen bezweckte, aber man hat Rechte und Pflichten in ihrem
organischen Zusammenhange verkannt und es bleibt fortan noch die Aufgabe, als
einfache Konsequenz den ersten jener beiden Grundsätze zu verwirklichen. Geschieht
dies, tritt die ganze Summe der Intelligenz, die jetzt außerhalb des Gemeinde¬
verbandes steht, in denselben ein, dann wird die Stellung der Gemeinde dem
Staate gegenüber augenblicklich eine viel selbstständigere werden können, weil eine
vernünftige Sorge sür das Wohl des Ganzen, und der Gemeinde in der vermehr¬
ten Intelligenz eine verstärkte Garantie findet, ein Umstand, welcher namentlich
beim Unterrichtswesen von entschiedener Wichtigkeit ist. Jene Ausdehnung des
Wahlrechts aber und noch mehr die Anordnung wegen der Diäten zeigt an einem
kleinen Beispiele, wie fruchtbar auch der zweite Grundsatz des Entwurfs von der
direkten oder indirekten Mitgliedschaft werden könnte. Daraus läßt sich die natur-
gemäßeste und wahrhaft demokratische, weil Rechte und Pflichten abwägende, Be-
schränkung jenes allgemeinen Wahlrechts ableiten, so daß dieses an den direkten
Mitgliedern der Gemeinde der Natur der Sache gemäß haftete. Es ist aber zu¬
gleich durch die Scheidung in direkte und indirekte Mitglieder der Gemeinden die
Möglichkeit gegeben, den Vcrmögenscensns, sei er unmittelbar, oder wie hier mit¬
telbar, als Norm politischer Berechtigung, wenn nicht ganz, so doch in bedeuten¬
dem Maaße zu umgehen, einen Maßstab, welcher in unbedingter Anwendung so
gehässig als unzuverlässig ist, und uur ein zweifelhafter Ersatz sür ein Maaß, wel¬
ches auf einer organischen Gliederung der Staatsgenossen beruht. Sollte der frei¬
sinnige Wahlmodus nicht möglicherweise zu Mißbräuchen führen, so war ein Census
von irgend welcher Art nicht zu umgehen, um die weder besitzende noch intelligente
Classe auszuschließen. Aber wie vielen Tadel hat schon die Bestimmung in Betreff
der Diäten erfahren müssen, wie mancher einsichtsvolle Mann, so heißt es, wird
dadurch außer Stand gesetzt, die Wahl anzunehmen! Der Tadel ist gerecht, die
Bestimmung schließt zu Viele aus, sie ist rein äußerlich, da wo der Organismus
der Gemeinde maßgebend sein mußte. Wenn das Wahlrecht nur den direkten
Mitgliedern der Gemeinden zugestanden wurde, also denen, welche direkt an den
Interessen der Gemeinde Theil nehmen, als selbstständige freie Leute mit mehr


müsse, daß ferner nach Rechten und Pflichten zwischen direkten
und indirekten Gemeindegliedern zu unterscheiden sei. Die Aus¬
dehnung des Wahlrechts auf alle Staatsbürger hat keinen Sinn, wenn diese nicht
als Ortsbürger an den Interessen der Gemeinden Theil nehmen, denn vernünf¬
tigerweise kann, wenn von der Entscheidung einer allgemeinen Staatsbehörde ab¬
gesehen wird, der Entscheid nur von einem Körper ausgehen, der aus der Mitte
der überhaupt betheiligten Classe hervorgegangen ist, wie im täglichen Leben so
häufig von Experten geschieht. Man hat geglaubt im Sinne der Demokratie zu
handeln, wenn man allen Staatsbürgern hier ohne Unterschied dieselben Rechte
einräumte und in so fern ist die Anordnung zu billigen, als sie Alle in dieselben
Interessen hereinzuziehen bezweckte, aber man hat Rechte und Pflichten in ihrem
organischen Zusammenhange verkannt und es bleibt fortan noch die Aufgabe, als
einfache Konsequenz den ersten jener beiden Grundsätze zu verwirklichen. Geschieht
dies, tritt die ganze Summe der Intelligenz, die jetzt außerhalb des Gemeinde¬
verbandes steht, in denselben ein, dann wird die Stellung der Gemeinde dem
Staate gegenüber augenblicklich eine viel selbstständigere werden können, weil eine
vernünftige Sorge sür das Wohl des Ganzen, und der Gemeinde in der vermehr¬
ten Intelligenz eine verstärkte Garantie findet, ein Umstand, welcher namentlich
beim Unterrichtswesen von entschiedener Wichtigkeit ist. Jene Ausdehnung des
Wahlrechts aber und noch mehr die Anordnung wegen der Diäten zeigt an einem
kleinen Beispiele, wie fruchtbar auch der zweite Grundsatz des Entwurfs von der
direkten oder indirekten Mitgliedschaft werden könnte. Daraus läßt sich die natur-
gemäßeste und wahrhaft demokratische, weil Rechte und Pflichten abwägende, Be-
schränkung jenes allgemeinen Wahlrechts ableiten, so daß dieses an den direkten
Mitgliedern der Gemeinde der Natur der Sache gemäß haftete. Es ist aber zu¬
gleich durch die Scheidung in direkte und indirekte Mitglieder der Gemeinden die
Möglichkeit gegeben, den Vcrmögenscensns, sei er unmittelbar, oder wie hier mit¬
telbar, als Norm politischer Berechtigung, wenn nicht ganz, so doch in bedeuten¬
dem Maaße zu umgehen, einen Maßstab, welcher in unbedingter Anwendung so
gehässig als unzuverlässig ist, und uur ein zweifelhafter Ersatz sür ein Maaß, wel¬
ches auf einer organischen Gliederung der Staatsgenossen beruht. Sollte der frei¬
sinnige Wahlmodus nicht möglicherweise zu Mißbräuchen führen, so war ein Census
von irgend welcher Art nicht zu umgehen, um die weder besitzende noch intelligente
Classe auszuschließen. Aber wie vielen Tadel hat schon die Bestimmung in Betreff
der Diäten erfahren müssen, wie mancher einsichtsvolle Mann, so heißt es, wird
dadurch außer Stand gesetzt, die Wahl anzunehmen! Der Tadel ist gerecht, die
Bestimmung schließt zu Viele aus, sie ist rein äußerlich, da wo der Organismus
der Gemeinde maßgebend sein mußte. Wenn das Wahlrecht nur den direkten
Mitgliedern der Gemeinden zugestanden wurde, also denen, welche direkt an den
Interessen der Gemeinde Theil nehmen, als selbstständige freie Leute mit mehr


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[0305] müsse, daß ferner nach Rechten und Pflichten zwischen direkten und indirekten Gemeindegliedern zu unterscheiden sei. Die Aus¬ dehnung des Wahlrechts auf alle Staatsbürger hat keinen Sinn, wenn diese nicht als Ortsbürger an den Interessen der Gemeinden Theil nehmen, denn vernünf¬ tigerweise kann, wenn von der Entscheidung einer allgemeinen Staatsbehörde ab¬ gesehen wird, der Entscheid nur von einem Körper ausgehen, der aus der Mitte der überhaupt betheiligten Classe hervorgegangen ist, wie im täglichen Leben so häufig von Experten geschieht. Man hat geglaubt im Sinne der Demokratie zu handeln, wenn man allen Staatsbürgern hier ohne Unterschied dieselben Rechte einräumte und in so fern ist die Anordnung zu billigen, als sie Alle in dieselben Interessen hereinzuziehen bezweckte, aber man hat Rechte und Pflichten in ihrem organischen Zusammenhange verkannt und es bleibt fortan noch die Aufgabe, als einfache Konsequenz den ersten jener beiden Grundsätze zu verwirklichen. Geschieht dies, tritt die ganze Summe der Intelligenz, die jetzt außerhalb des Gemeinde¬ verbandes steht, in denselben ein, dann wird die Stellung der Gemeinde dem Staate gegenüber augenblicklich eine viel selbstständigere werden können, weil eine vernünftige Sorge sür das Wohl des Ganzen, und der Gemeinde in der vermehr¬ ten Intelligenz eine verstärkte Garantie findet, ein Umstand, welcher namentlich beim Unterrichtswesen von entschiedener Wichtigkeit ist. Jene Ausdehnung des Wahlrechts aber und noch mehr die Anordnung wegen der Diäten zeigt an einem kleinen Beispiele, wie fruchtbar auch der zweite Grundsatz des Entwurfs von der direkten oder indirekten Mitgliedschaft werden könnte. Daraus läßt sich die natur- gemäßeste und wahrhaft demokratische, weil Rechte und Pflichten abwägende, Be- schränkung jenes allgemeinen Wahlrechts ableiten, so daß dieses an den direkten Mitgliedern der Gemeinde der Natur der Sache gemäß haftete. Es ist aber zu¬ gleich durch die Scheidung in direkte und indirekte Mitglieder der Gemeinden die Möglichkeit gegeben, den Vcrmögenscensns, sei er unmittelbar, oder wie hier mit¬ telbar, als Norm politischer Berechtigung, wenn nicht ganz, so doch in bedeuten¬ dem Maaße zu umgehen, einen Maßstab, welcher in unbedingter Anwendung so gehässig als unzuverlässig ist, und uur ein zweifelhafter Ersatz sür ein Maaß, wel¬ ches auf einer organischen Gliederung der Staatsgenossen beruht. Sollte der frei¬ sinnige Wahlmodus nicht möglicherweise zu Mißbräuchen führen, so war ein Census von irgend welcher Art nicht zu umgehen, um die weder besitzende noch intelligente Classe auszuschließen. Aber wie vielen Tadel hat schon die Bestimmung in Betreff der Diäten erfahren müssen, wie mancher einsichtsvolle Mann, so heißt es, wird dadurch außer Stand gesetzt, die Wahl anzunehmen! Der Tadel ist gerecht, die Bestimmung schließt zu Viele aus, sie ist rein äußerlich, da wo der Organismus der Gemeinde maßgebend sein mußte. Wenn das Wahlrecht nur den direkten Mitgliedern der Gemeinden zugestanden wurde, also denen, welche direkt an den Interessen der Gemeinde Theil nehmen, als selbstständige freie Leute mit mehr

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_276755/305>, abgerufen am 09.06.2024.