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Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. IV. Band.

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Nur auf das einfache, ephemere Fortbestehen berechnet, ging er selber in dem
geistlosen Geschäftsschlendrian auf; sein wesentliches Organ war die Polizei, die
darauf zu sehen hatte, daß nichts geschehe, und das Militär, die Polizei zu
stützen. Die nationalen Interessen der einzelnen Provinzen wandte man gegen
einander, damit eine gemeinsame Arbeit der Freiheit unmöglich werde, die Grenzen
schloß man hermetisch ab, um kein Lüftchen fremder Bildung herüberwehen zu
lassen, die Schulen richtete man zu einer Verdummungsanstalt ein, das Rechts¬
wesen und das Gemetndelebcn erstickte man in der trüben Atmosphäre dumpfer
Stuben, in der Presse ließ man nur Zoten und Trivialitäten zu.

Und dieses Oestreich, welches die Kräfte feines eigenen Volkes aussog, drückte
zugleich mit seiner ganzen Wucht die freie Entwicklung Oestreichs und Italiens
nieder, und eine große Zahl Oestreicher, wie sehr sie die Regierung haßten, waren
stolz daraus, durch sie den andern Völkern zu imponiren! ....... Ihr Brüder in
Oestreich, durchdringt Euch mit dem Gefühl, wie hohl das Gebäude sein mußte,
welches auf Euern bloßen Wunsch am 14. März zusammenstürzte, greift in Euern
Busen und fragt Euch selbst, ob Ihr ohne Schuld wäret an der Knechtschaft, die
Euch zu Boden drückte!

Worin bestanden damals Eure Versuche, Euch dem harten Joch deö absoluten
Regiments zu entziehn? Ich unterscheide drei Formen der Opposition: die stän¬
dische, die josephinische und die revolutionäre, In allen dreien war
viel illusorisches Maskenspiel in den Ernst des Streites gemischt.

Die ständische Opposition suchte der Tyrannei des GesammtstaatS das ur¬
sprüngliche Leben der verschiedenen Provinzen und Nationalitäten entgegenzuführen.
Sie ging von der Aristokratie aus: daS war ein Glück und ein Unglück. Ein
Glück, denn in der Aristokratie war doch immer noch ein Rest politischer Bildung,
während die andern Sphären des Lebens bis auf's Mark ausgesogen waren; ein
Unglück, denn einerseits hatte die Aristokratie keinen Rückhalt im Volke, sie mußte
vielmehr jeden Augenblick befürchten, von Seiten der Regierung galizische Scenen
gegen sie hervorgerufen zu sehn; ihre Stellung dem Volte gegenüber war eben so
unnatürlich und unsittlich, als die der Regierung zu ihren Unterthanen; andrer¬
seits hatte Oestreich, ganz im Gegensatz zu dem demokratischen Preußen, die
eigentliche Gewalt seiner Bureaukratie und seines Militärwesens ausschließlich dem
höhern Adel vorbehalten, und der strebsame Edelmann konnte in jedem Fall darauf
rechnen, seinen Ehrgeiz eher in dem ordentlichen Lauf des Staatswesens zu realisiren,
als in dem hoffnungslosen Ankämpfen gegen die unerschütterliche Gewalt, vor der er
schaudern, die er aber nicht meiden konnte. So war die Opposition, die sich an
das alte Institut der Staude anklammerte, überall eitel und ohnmächtig, und die
Negierung hatte leichtes Spiel, sie mit wegwerfender Verachtung zu beseitigen.
Literarische Versuche, wie die bekannte Schrift des Baron Adrian, durch Wie¬
derherstellung der aristokratischen Verfassung zu regeneriren, blieben vereinzelt und


Nur auf das einfache, ephemere Fortbestehen berechnet, ging er selber in dem
geistlosen Geschäftsschlendrian auf; sein wesentliches Organ war die Polizei, die
darauf zu sehen hatte, daß nichts geschehe, und das Militär, die Polizei zu
stützen. Die nationalen Interessen der einzelnen Provinzen wandte man gegen
einander, damit eine gemeinsame Arbeit der Freiheit unmöglich werde, die Grenzen
schloß man hermetisch ab, um kein Lüftchen fremder Bildung herüberwehen zu
lassen, die Schulen richtete man zu einer Verdummungsanstalt ein, das Rechts¬
wesen und das Gemetndelebcn erstickte man in der trüben Atmosphäre dumpfer
Stuben, in der Presse ließ man nur Zoten und Trivialitäten zu.

Und dieses Oestreich, welches die Kräfte feines eigenen Volkes aussog, drückte
zugleich mit seiner ganzen Wucht die freie Entwicklung Oestreichs und Italiens
nieder, und eine große Zahl Oestreicher, wie sehr sie die Regierung haßten, waren
stolz daraus, durch sie den andern Völkern zu imponiren! ....... Ihr Brüder in
Oestreich, durchdringt Euch mit dem Gefühl, wie hohl das Gebäude sein mußte,
welches auf Euern bloßen Wunsch am 14. März zusammenstürzte, greift in Euern
Busen und fragt Euch selbst, ob Ihr ohne Schuld wäret an der Knechtschaft, die
Euch zu Boden drückte!

Worin bestanden damals Eure Versuche, Euch dem harten Joch deö absoluten
Regiments zu entziehn? Ich unterscheide drei Formen der Opposition: die stän¬
dische, die josephinische und die revolutionäre, In allen dreien war
viel illusorisches Maskenspiel in den Ernst des Streites gemischt.

Die ständische Opposition suchte der Tyrannei des GesammtstaatS das ur¬
sprüngliche Leben der verschiedenen Provinzen und Nationalitäten entgegenzuführen.
Sie ging von der Aristokratie aus: daS war ein Glück und ein Unglück. Ein
Glück, denn in der Aristokratie war doch immer noch ein Rest politischer Bildung,
während die andern Sphären des Lebens bis auf's Mark ausgesogen waren; ein
Unglück, denn einerseits hatte die Aristokratie keinen Rückhalt im Volke, sie mußte
vielmehr jeden Augenblick befürchten, von Seiten der Regierung galizische Scenen
gegen sie hervorgerufen zu sehn; ihre Stellung dem Volte gegenüber war eben so
unnatürlich und unsittlich, als die der Regierung zu ihren Unterthanen; andrer¬
seits hatte Oestreich, ganz im Gegensatz zu dem demokratischen Preußen, die
eigentliche Gewalt seiner Bureaukratie und seines Militärwesens ausschließlich dem
höhern Adel vorbehalten, und der strebsame Edelmann konnte in jedem Fall darauf
rechnen, seinen Ehrgeiz eher in dem ordentlichen Lauf des Staatswesens zu realisiren,
als in dem hoffnungslosen Ankämpfen gegen die unerschütterliche Gewalt, vor der er
schaudern, die er aber nicht meiden konnte. So war die Opposition, die sich an
das alte Institut der Staude anklammerte, überall eitel und ohnmächtig, und die
Negierung hatte leichtes Spiel, sie mit wegwerfender Verachtung zu beseitigen.
Literarische Versuche, wie die bekannte Schrift des Baron Adrian, durch Wie¬
derherstellung der aristokratischen Verfassung zu regeneriren, blieben vereinzelt und


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_276755/334>, abgerufen am 17.06.2024.