Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. IV. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

einerseits, wie gerecht die Besorgnisse der Wiener waren, andererseits daß das östreichi¬
sche Ministerium eigentlich nichts anders als der Deckmantel einer andern geheim wir¬
kenden, von Aemtern und Militär einzig anerkannten Gewalt war. Die langersehnte
Gelegenheit, Wien in Belagerungszustand erklären zu können, hatte sich gesunden und
diese mußte, so sehr es nun anging, ausgebeutet werden. Ich will streng und un¬
parteiisch vom Standpuncte der Regierung die Verbrechen der Wiener am ö. October
prüfen. Ein Theil der Garden und Arbeiter widersetzten sich einer Rcgierungsmaß-
regcl, dem Abmarsch der Soldaten. Die Regierung that, was sie thun konnte,
sie wendete Gewalt an, schickte Truppen und Kanonen gegen das Volk, und läßt
ans dasselbe feuern; meiner Ansicht nach war dieses Verbrechen hinreichend gesühnt.
In der Stadt selbst begann das Militär aus das Volt zu feuern und wurde von dem¬
selben aus der Stadt gejagt. Darin wird doch kein vernünftiger Mensch ein Verbrechen
finden, um so weniger als das Militär nach dem Gesetze nur aus Aufforderung der
Garde in der Stadt erscheinen darf. Die Ermordung Latours, obschon er die Befehle
aufs Volk zu feuern gegeben hatte, war unstreitig ein Verbrechen und mußte an den
Thätern gestraft werden. Aber damit ist auch das Sündenregister Wiens zu Ende.
Verdiente nun Wien dieser Vergehen halber, daß so fürchterliche Maßregeln in An-
Wendung gebracht werden? Die Revolution, wenn die Ereignisse des t>. einen sol¬
chen Namen verdienen, war mit diesem Tage gänzlich geschlossen. Aber die Revo¬
lution sollte und durste nicht geschlossen sein, das paßte nicht in den Kram der Hos-
partei; es mußte ein Langes und Breites daraus fabrizirt werden; darum durfte
Auersperg nicht wieder in die Kasernen zurück, wie es ihm der Reichstag befahl;
darum mußte der Kaiser "aus der Burg seiner Väter fliehen." Wiens Bürger Hütten
gerne am 7. ihre Kaufladen geöffnet, aber der Kaiser und Auersperg erklärten die Re¬
volution in Permanenz. Jetzt wurde in alle Welt hinaus ausposaunt Anarchie und
Terrorismus herrschten in Wien und die Zeitungsblätter, die hier erscheinen, beten dies
Alles in Demuth nach, bis Wien am Ende selbst daran glauben wird. Ich frage
nur Folgendes: Wenn der Reichstag terrorisirt war, warum hat gegen denselben, als
er durchaus dem glühendsten Wunsche der ganzen Wiener Bevölkerung nach Herbeiru¬
fung der Ungarn nicht willfahren wollte, keine Demonstration statt gefunden? Warum
hat, wenn Anarchie in Wien herrschte, in der Nacht vom 29. auf den 30., wo die
ganze Mobilgardc, die aus dem übergegangenen Militär und dem Proletariate bestand
und des härtesten Looses gewärtig über die eingegangene Kapitulation in die höchste
Wuth versetzt war, keine Gewaltthat, kein Angriff auf Leben und Eigenthum Statt
gesunden? Ich ging in genannter Nacht gegen 1 Uhr dnrch die Straßen und begeg¬
nete großen Hausen bewaffneter Arbeiter, in deren Händen das Schicksal der Stadt
lag, aber sie ließen sich in dieser verhängnißvollen Nacht, in dieser Nacht der Wuth
und der Verzweiflung nichts zu Schulden kommen! Daß in der letzten Zeit manch
Unerlaubtes vorfiel, ist wohl wahr; dies kömmt aber nicht auf Rechnung der Revolution
die das Volk gemacht, sondern auf Rechnung der Revolution, die der Kaiser ausge¬
dehnt und in die Länge gezogen. Daß der Streich gegen Wien und Ungarn etwas
lange vorher Abgekartetes gewesen, wird unwiderleglich durch die außerordentlichen
Rekrutirungen bewiesen, die nach der Unterwerfung Italiens bis auf den heutigen Tag
ununterbrochen Statt fanden. Ich hielt mich von Mitte Juni bis Mitte August in
Böhmen aus und hatte Gelegenheit den Jammer der Bevölkerung und die Verzweiflung
der Aemter über eine Maßregel kennen zu lernen, welche erstere nicht mir der sämmt¬
lichen Jugend beraubte, sondern sogar Tausende von Familienvätern von Weib und
Kindern riß und den Aemtern es unmöglich machte, dem Verlangen der Kreisämter
nachzukommen. Aber als ich im August und September wiederholentlich an mein Ober¬
amt schrieb, mir ein bei demselben niedergelegtes Zeugniß zukommen zu lassen, ward
ich abschlägig beschieden, weil die Ausschreibung der Rekrutirungen immer fortdauerte
und d"s Amt des Studienzeugnisses als eines Ausweises bedurften.


einerseits, wie gerecht die Besorgnisse der Wiener waren, andererseits daß das östreichi¬
sche Ministerium eigentlich nichts anders als der Deckmantel einer andern geheim wir¬
kenden, von Aemtern und Militär einzig anerkannten Gewalt war. Die langersehnte
Gelegenheit, Wien in Belagerungszustand erklären zu können, hatte sich gesunden und
diese mußte, so sehr es nun anging, ausgebeutet werden. Ich will streng und un¬
parteiisch vom Standpuncte der Regierung die Verbrechen der Wiener am ö. October
prüfen. Ein Theil der Garden und Arbeiter widersetzten sich einer Rcgierungsmaß-
regcl, dem Abmarsch der Soldaten. Die Regierung that, was sie thun konnte,
sie wendete Gewalt an, schickte Truppen und Kanonen gegen das Volk, und läßt
ans dasselbe feuern; meiner Ansicht nach war dieses Verbrechen hinreichend gesühnt.
In der Stadt selbst begann das Militär aus das Volt zu feuern und wurde von dem¬
selben aus der Stadt gejagt. Darin wird doch kein vernünftiger Mensch ein Verbrechen
finden, um so weniger als das Militär nach dem Gesetze nur aus Aufforderung der
Garde in der Stadt erscheinen darf. Die Ermordung Latours, obschon er die Befehle
aufs Volk zu feuern gegeben hatte, war unstreitig ein Verbrechen und mußte an den
Thätern gestraft werden. Aber damit ist auch das Sündenregister Wiens zu Ende.
Verdiente nun Wien dieser Vergehen halber, daß so fürchterliche Maßregeln in An-
Wendung gebracht werden? Die Revolution, wenn die Ereignisse des t>. einen sol¬
chen Namen verdienen, war mit diesem Tage gänzlich geschlossen. Aber die Revo¬
lution sollte und durste nicht geschlossen sein, das paßte nicht in den Kram der Hos-
partei; es mußte ein Langes und Breites daraus fabrizirt werden; darum durfte
Auersperg nicht wieder in die Kasernen zurück, wie es ihm der Reichstag befahl;
darum mußte der Kaiser „aus der Burg seiner Väter fliehen." Wiens Bürger Hütten
gerne am 7. ihre Kaufladen geöffnet, aber der Kaiser und Auersperg erklärten die Re¬
volution in Permanenz. Jetzt wurde in alle Welt hinaus ausposaunt Anarchie und
Terrorismus herrschten in Wien und die Zeitungsblätter, die hier erscheinen, beten dies
Alles in Demuth nach, bis Wien am Ende selbst daran glauben wird. Ich frage
nur Folgendes: Wenn der Reichstag terrorisirt war, warum hat gegen denselben, als
er durchaus dem glühendsten Wunsche der ganzen Wiener Bevölkerung nach Herbeiru¬
fung der Ungarn nicht willfahren wollte, keine Demonstration statt gefunden? Warum
hat, wenn Anarchie in Wien herrschte, in der Nacht vom 29. auf den 30., wo die
ganze Mobilgardc, die aus dem übergegangenen Militär und dem Proletariate bestand
und des härtesten Looses gewärtig über die eingegangene Kapitulation in die höchste
Wuth versetzt war, keine Gewaltthat, kein Angriff auf Leben und Eigenthum Statt
gesunden? Ich ging in genannter Nacht gegen 1 Uhr dnrch die Straßen und begeg¬
nete großen Hausen bewaffneter Arbeiter, in deren Händen das Schicksal der Stadt
lag, aber sie ließen sich in dieser verhängnißvollen Nacht, in dieser Nacht der Wuth
und der Verzweiflung nichts zu Schulden kommen! Daß in der letzten Zeit manch
Unerlaubtes vorfiel, ist wohl wahr; dies kömmt aber nicht auf Rechnung der Revolution
die das Volk gemacht, sondern auf Rechnung der Revolution, die der Kaiser ausge¬
dehnt und in die Länge gezogen. Daß der Streich gegen Wien und Ungarn etwas
lange vorher Abgekartetes gewesen, wird unwiderleglich durch die außerordentlichen
Rekrutirungen bewiesen, die nach der Unterwerfung Italiens bis auf den heutigen Tag
ununterbrochen Statt fanden. Ich hielt mich von Mitte Juni bis Mitte August in
Böhmen aus und hatte Gelegenheit den Jammer der Bevölkerung und die Verzweiflung
der Aemter über eine Maßregel kennen zu lernen, welche erstere nicht mir der sämmt¬
lichen Jugend beraubte, sondern sogar Tausende von Familienvätern von Weib und
Kindern riß und den Aemtern es unmöglich machte, dem Verlangen der Kreisämter
nachzukommen. Aber als ich im August und September wiederholentlich an mein Ober¬
amt schrieb, mir ein bei demselben niedergelegtes Zeugniß zukommen zu lassen, ward
ich abschlägig beschieden, weil die Ausschreibung der Rekrutirungen immer fortdauerte
und d»s Amt des Studienzeugnisses als eines Ausweises bedurften.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0371" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/277127"/>
          <p xml:id="ID_1106" prev="#ID_1105"> einerseits, wie gerecht die Besorgnisse der Wiener waren, andererseits daß das östreichi¬<lb/>
sche Ministerium eigentlich nichts anders als der Deckmantel einer andern geheim wir¬<lb/>
kenden, von Aemtern und Militär einzig anerkannten Gewalt war. Die langersehnte<lb/>
Gelegenheit, Wien in Belagerungszustand erklären zu können, hatte sich gesunden und<lb/>
diese mußte, so sehr es nun anging, ausgebeutet werden. Ich will streng und un¬<lb/>
parteiisch vom Standpuncte der Regierung die Verbrechen der Wiener am ö. October<lb/>
prüfen. Ein Theil der Garden und Arbeiter widersetzten sich einer Rcgierungsmaß-<lb/>
regcl, dem Abmarsch der Soldaten. Die Regierung that, was sie thun konnte,<lb/>
sie wendete Gewalt an, schickte Truppen und Kanonen gegen das Volk, und läßt<lb/>
ans dasselbe feuern; meiner Ansicht nach war dieses Verbrechen hinreichend gesühnt.<lb/>
In der Stadt selbst begann das Militär aus das Volt zu feuern und wurde von dem¬<lb/>
selben aus der Stadt gejagt. Darin wird doch kein vernünftiger Mensch ein Verbrechen<lb/>
finden, um so weniger als das Militär nach dem Gesetze nur aus Aufforderung der<lb/>
Garde in der Stadt erscheinen darf. Die Ermordung Latours, obschon er die Befehle<lb/>
aufs Volk zu feuern gegeben hatte, war unstreitig ein Verbrechen und mußte an den<lb/>
Thätern gestraft werden. Aber damit ist auch das Sündenregister Wiens zu Ende.<lb/>
Verdiente nun Wien dieser Vergehen halber, daß so fürchterliche Maßregeln in An-<lb/>
Wendung gebracht werden? Die Revolution, wenn die Ereignisse des t&gt;. einen sol¬<lb/>
chen Namen verdienen, war mit diesem Tage gänzlich geschlossen. Aber die Revo¬<lb/>
lution sollte und durste nicht geschlossen sein, das paßte nicht in den Kram der Hos-<lb/>
partei; es mußte ein Langes und Breites daraus fabrizirt werden; darum durfte<lb/>
Auersperg nicht wieder in die Kasernen zurück, wie es ihm der Reichstag befahl;<lb/>
darum mußte der Kaiser &#x201E;aus der Burg seiner Väter fliehen." Wiens Bürger Hütten<lb/>
gerne am 7. ihre Kaufladen geöffnet, aber der Kaiser und Auersperg erklärten die Re¬<lb/>
volution in Permanenz. Jetzt wurde in alle Welt hinaus ausposaunt Anarchie und<lb/>
Terrorismus herrschten in Wien und die Zeitungsblätter, die hier erscheinen, beten dies<lb/>
Alles in Demuth nach, bis Wien am Ende selbst daran glauben wird. Ich frage<lb/>
nur Folgendes: Wenn der Reichstag terrorisirt war, warum hat gegen denselben, als<lb/>
er durchaus dem glühendsten Wunsche der ganzen Wiener Bevölkerung nach Herbeiru¬<lb/>
fung der Ungarn nicht willfahren wollte, keine Demonstration statt gefunden? Warum<lb/>
hat, wenn Anarchie in Wien herrschte, in der Nacht vom 29. auf den 30., wo die<lb/>
ganze Mobilgardc, die aus dem übergegangenen Militär und dem Proletariate bestand<lb/>
und des härtesten Looses gewärtig über die eingegangene Kapitulation in die höchste<lb/>
Wuth versetzt war, keine Gewaltthat, kein Angriff auf Leben und Eigenthum Statt<lb/>
gesunden? Ich ging in genannter Nacht gegen 1 Uhr dnrch die Straßen und begeg¬<lb/>
nete großen Hausen bewaffneter Arbeiter, in deren Händen das Schicksal der Stadt<lb/>
lag, aber sie ließen sich in dieser verhängnißvollen Nacht, in dieser Nacht der Wuth<lb/>
und der Verzweiflung nichts zu Schulden kommen! Daß in der letzten Zeit manch<lb/>
Unerlaubtes vorfiel, ist wohl wahr; dies kömmt aber nicht auf Rechnung der Revolution<lb/>
die das Volk gemacht, sondern auf Rechnung der Revolution, die der Kaiser ausge¬<lb/>
dehnt und in die Länge gezogen. Daß der Streich gegen Wien und Ungarn etwas<lb/>
lange vorher Abgekartetes gewesen, wird unwiderleglich durch die außerordentlichen<lb/>
Rekrutirungen bewiesen, die nach der Unterwerfung Italiens bis auf den heutigen Tag<lb/>
ununterbrochen Statt fanden. Ich hielt mich von Mitte Juni bis Mitte August in<lb/>
Böhmen aus und hatte Gelegenheit den Jammer der Bevölkerung und die Verzweiflung<lb/>
der Aemter über eine Maßregel kennen zu lernen, welche erstere nicht mir der sämmt¬<lb/>
lichen Jugend beraubte, sondern sogar Tausende von Familienvätern von Weib und<lb/>
Kindern riß und den Aemtern es unmöglich machte, dem Verlangen der Kreisämter<lb/>
nachzukommen. Aber als ich im August und September wiederholentlich an mein Ober¬<lb/>
amt schrieb, mir ein bei demselben niedergelegtes Zeugniß zukommen zu lassen, ward<lb/>
ich abschlägig beschieden, weil die Ausschreibung der Rekrutirungen immer fortdauerte<lb/>
und d»s Amt des Studienzeugnisses als eines Ausweises bedurften.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0371] einerseits, wie gerecht die Besorgnisse der Wiener waren, andererseits daß das östreichi¬ sche Ministerium eigentlich nichts anders als der Deckmantel einer andern geheim wir¬ kenden, von Aemtern und Militär einzig anerkannten Gewalt war. Die langersehnte Gelegenheit, Wien in Belagerungszustand erklären zu können, hatte sich gesunden und diese mußte, so sehr es nun anging, ausgebeutet werden. Ich will streng und un¬ parteiisch vom Standpuncte der Regierung die Verbrechen der Wiener am ö. October prüfen. Ein Theil der Garden und Arbeiter widersetzten sich einer Rcgierungsmaß- regcl, dem Abmarsch der Soldaten. Die Regierung that, was sie thun konnte, sie wendete Gewalt an, schickte Truppen und Kanonen gegen das Volk, und läßt ans dasselbe feuern; meiner Ansicht nach war dieses Verbrechen hinreichend gesühnt. In der Stadt selbst begann das Militär aus das Volt zu feuern und wurde von dem¬ selben aus der Stadt gejagt. Darin wird doch kein vernünftiger Mensch ein Verbrechen finden, um so weniger als das Militär nach dem Gesetze nur aus Aufforderung der Garde in der Stadt erscheinen darf. Die Ermordung Latours, obschon er die Befehle aufs Volk zu feuern gegeben hatte, war unstreitig ein Verbrechen und mußte an den Thätern gestraft werden. Aber damit ist auch das Sündenregister Wiens zu Ende. Verdiente nun Wien dieser Vergehen halber, daß so fürchterliche Maßregeln in An- Wendung gebracht werden? Die Revolution, wenn die Ereignisse des t>. einen sol¬ chen Namen verdienen, war mit diesem Tage gänzlich geschlossen. Aber die Revo¬ lution sollte und durste nicht geschlossen sein, das paßte nicht in den Kram der Hos- partei; es mußte ein Langes und Breites daraus fabrizirt werden; darum durfte Auersperg nicht wieder in die Kasernen zurück, wie es ihm der Reichstag befahl; darum mußte der Kaiser „aus der Burg seiner Väter fliehen." Wiens Bürger Hütten gerne am 7. ihre Kaufladen geöffnet, aber der Kaiser und Auersperg erklärten die Re¬ volution in Permanenz. Jetzt wurde in alle Welt hinaus ausposaunt Anarchie und Terrorismus herrschten in Wien und die Zeitungsblätter, die hier erscheinen, beten dies Alles in Demuth nach, bis Wien am Ende selbst daran glauben wird. Ich frage nur Folgendes: Wenn der Reichstag terrorisirt war, warum hat gegen denselben, als er durchaus dem glühendsten Wunsche der ganzen Wiener Bevölkerung nach Herbeiru¬ fung der Ungarn nicht willfahren wollte, keine Demonstration statt gefunden? Warum hat, wenn Anarchie in Wien herrschte, in der Nacht vom 29. auf den 30., wo die ganze Mobilgardc, die aus dem übergegangenen Militär und dem Proletariate bestand und des härtesten Looses gewärtig über die eingegangene Kapitulation in die höchste Wuth versetzt war, keine Gewaltthat, kein Angriff auf Leben und Eigenthum Statt gesunden? Ich ging in genannter Nacht gegen 1 Uhr dnrch die Straßen und begeg¬ nete großen Hausen bewaffneter Arbeiter, in deren Händen das Schicksal der Stadt lag, aber sie ließen sich in dieser verhängnißvollen Nacht, in dieser Nacht der Wuth und der Verzweiflung nichts zu Schulden kommen! Daß in der letzten Zeit manch Unerlaubtes vorfiel, ist wohl wahr; dies kömmt aber nicht auf Rechnung der Revolution die das Volk gemacht, sondern auf Rechnung der Revolution, die der Kaiser ausge¬ dehnt und in die Länge gezogen. Daß der Streich gegen Wien und Ungarn etwas lange vorher Abgekartetes gewesen, wird unwiderleglich durch die außerordentlichen Rekrutirungen bewiesen, die nach der Unterwerfung Italiens bis auf den heutigen Tag ununterbrochen Statt fanden. Ich hielt mich von Mitte Juni bis Mitte August in Böhmen aus und hatte Gelegenheit den Jammer der Bevölkerung und die Verzweiflung der Aemter über eine Maßregel kennen zu lernen, welche erstere nicht mir der sämmt¬ lichen Jugend beraubte, sondern sogar Tausende von Familienvätern von Weib und Kindern riß und den Aemtern es unmöglich machte, dem Verlangen der Kreisämter nachzukommen. Aber als ich im August und September wiederholentlich an mein Ober¬ amt schrieb, mir ein bei demselben niedergelegtes Zeugniß zukommen zu lassen, ward ich abschlägig beschieden, weil die Ausschreibung der Rekrutirungen immer fortdauerte und d»s Amt des Studienzeugnisses als eines Ausweises bedurften.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_276755
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_276755/371
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_276755/371>, abgerufen am 17.06.2024.