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Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. IV. Band.

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sich, als in legislativer Union mit Deutschland; wie Dänemark es ist außerhalb
der nordischen Union. Es kann z. B. als eigne Großmacht seine Stellung in
Italien klar machen, als integrirender Theil Deutschlands kann es das nicht.

Es kann ferner in seiner Selbstständigkeit mehr für Deutschland thun, als
wenn seine deutschen Provinzen sich losreißen, und in dem Reich ausgehen. Im
letztern Fall müßte es z. B. die Deutschen in Ungarn und Siebenbürgen ihrem
nicht sehr beneidenswerthen Schicksal überlassen; als freies Oestreich kann es
ihre Interessen vertreten. Die Gefahr für die deutsche Sprache ist nicht so groß.
Meint man damit die Geschäftssprache des Centrallandtags? welche Sprache soll
er denn als Vermittlung gebrauchen? etwa Magyarisch? Im Ernst denkt wohl
Niemand daran. Oder gar slavisch? Das wäre gerade so, als wenn ich sagte,
Indogermanisch. Es gibt ja keine slavische Sprache; die Slaven verstehen ja
einander nicht, sie müssen sich deutsch verständigen. Eine Sprache, die eine reiche
Literatur, eine große Geschichte, und -- eine Grammatik hat, wird immer über
die andre dominiren. Daß aber die übrigen Nationen in ihren inneren Verhält¬
nissen sich ihrer eigenthümlichen Sprachen bedienen, ist ein vollkommen berechtigtes
Verlangen, und kann für die allgemeine Cultur nur förderlich sein. Man wird
sie nicht im Entferntesten germanisiren, aber man wird sie durch deutsche Cultur
erziehen. Die Deputirten nach Wien werden Deutsch lernen, wie sie ja Fran¬
zösisch zu ihrem Vergnügen treiben. Die deutsche Sprache wird die diplomatische
des Ostens werden -- aber nur, wenn Oestreich das Scepter nicht aus der Hand
gibt. In diesem Pandämonium des Reichs wird der reichste Genius auch der
herrschende sein.

Ja Oestreich wird als freier Staat einiger sein mit Deutschland, als in einer
unnatürlichen Conglomeration. Die Sympathie der gemeinsamen Nationalität bleibt;
die gegenseitigen Interessen -- z. B. die Zollsrage -- würden durch einen freien
Vertrag besser geordnet, als durch einen constituirenden Reichstag, wo das un¬
vermeidlich divergirende Interesse jeden Augenblick mit einem Bruch droht. Die
Eisenbahnen werden den "eisernen Trauring" beider Nationen bilden. Die ge¬
meinsame Literatur wird durch Wechselwirkung der Universitäten, durch freien Ver¬
kehr gepflegt werden. Wir werden Freunde sein, wir werden uns gegenseitig Con¬
cessionen machen, wenn wir vorher die Berechtigung unseres gegenseitigen Egois¬
mus anerkennen.

Aus all diesen Betrachtungen erlaube ich mir folgenden Schluß zu ziehen.
Schließen Sie Ihre offene Frage! thun Sie einen kühnen Griff, wie ich ihn thue,
und pflanzen Sie das schwarzgelbe Banner offen auf! nicht das Zeichen Metter-
nichs, der Reaction, des Absolutismus, sondern die Fahne des jungen, freien
Oestreich, Oestreichs, das sein altes Glück wiederfinden und eine hohe, herrliche
Zukunft in der Entwickelung der Cultur haben wird. Das geistige Band zwischen
den verbrüderten Nationen ist nicht mehr zu zerreißen. Auch ferner noch wird


sich, als in legislativer Union mit Deutschland; wie Dänemark es ist außerhalb
der nordischen Union. Es kann z. B. als eigne Großmacht seine Stellung in
Italien klar machen, als integrirender Theil Deutschlands kann es das nicht.

Es kann ferner in seiner Selbstständigkeit mehr für Deutschland thun, als
wenn seine deutschen Provinzen sich losreißen, und in dem Reich ausgehen. Im
letztern Fall müßte es z. B. die Deutschen in Ungarn und Siebenbürgen ihrem
nicht sehr beneidenswerthen Schicksal überlassen; als freies Oestreich kann es
ihre Interessen vertreten. Die Gefahr für die deutsche Sprache ist nicht so groß.
Meint man damit die Geschäftssprache des Centrallandtags? welche Sprache soll
er denn als Vermittlung gebrauchen? etwa Magyarisch? Im Ernst denkt wohl
Niemand daran. Oder gar slavisch? Das wäre gerade so, als wenn ich sagte,
Indogermanisch. Es gibt ja keine slavische Sprache; die Slaven verstehen ja
einander nicht, sie müssen sich deutsch verständigen. Eine Sprache, die eine reiche
Literatur, eine große Geschichte, und — eine Grammatik hat, wird immer über
die andre dominiren. Daß aber die übrigen Nationen in ihren inneren Verhält¬
nissen sich ihrer eigenthümlichen Sprachen bedienen, ist ein vollkommen berechtigtes
Verlangen, und kann für die allgemeine Cultur nur förderlich sein. Man wird
sie nicht im Entferntesten germanisiren, aber man wird sie durch deutsche Cultur
erziehen. Die Deputirten nach Wien werden Deutsch lernen, wie sie ja Fran¬
zösisch zu ihrem Vergnügen treiben. Die deutsche Sprache wird die diplomatische
des Ostens werden — aber nur, wenn Oestreich das Scepter nicht aus der Hand
gibt. In diesem Pandämonium des Reichs wird der reichste Genius auch der
herrschende sein.

Ja Oestreich wird als freier Staat einiger sein mit Deutschland, als in einer
unnatürlichen Conglomeration. Die Sympathie der gemeinsamen Nationalität bleibt;
die gegenseitigen Interessen — z. B. die Zollsrage — würden durch einen freien
Vertrag besser geordnet, als durch einen constituirenden Reichstag, wo das un¬
vermeidlich divergirende Interesse jeden Augenblick mit einem Bruch droht. Die
Eisenbahnen werden den „eisernen Trauring" beider Nationen bilden. Die ge¬
meinsame Literatur wird durch Wechselwirkung der Universitäten, durch freien Ver¬
kehr gepflegt werden. Wir werden Freunde sein, wir werden uns gegenseitig Con¬
cessionen machen, wenn wir vorher die Berechtigung unseres gegenseitigen Egois¬
mus anerkennen.

Aus all diesen Betrachtungen erlaube ich mir folgenden Schluß zu ziehen.
Schließen Sie Ihre offene Frage! thun Sie einen kühnen Griff, wie ich ihn thue,
und pflanzen Sie das schwarzgelbe Banner offen auf! nicht das Zeichen Metter-
nichs, der Reaction, des Absolutismus, sondern die Fahne des jungen, freien
Oestreich, Oestreichs, das sein altes Glück wiederfinden und eine hohe, herrliche
Zukunft in der Entwickelung der Cultur haben wird. Das geistige Band zwischen
den verbrüderten Nationen ist nicht mehr zu zerreißen. Auch ferner noch wird


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_276755/64>, abgerufen am 17.06.2024.