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Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. III. Band.

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Das politische Glaubensbekenntniß der Grenzboten wird aus den Blättern
jedes Heftes zu lesen sein. Sie werden den Regierungen gegenüber entschiedene
Demokraten sein, gegen die Launen und den Unverstand der Masse die Aristo¬
kratie der Bildung und des Rechts vertreten. Bei der großartigen Revolution,
welche im gegenwärtigen Augenblick ihre Macht an den Geistern ausübt wie an
den Ereignissen, ist es nicht zu erwarten, daß wir ein in allen Punkten festes
und abgeschlossenes Glaubensbekenntniß der Gewalt der Bewegung entgegenstellen
werden. Was in den letzten Tagen geschehen ist, muß der Partei, die eine ge¬
ordnete und kräftige Entwickelung Deutschlands zu fordern sich berufen glaubt,
eine neue Richtung geben. Durch die Wahl des Erzherzog Johann und die An¬
erkennung derselben von Seiten der Regierungen ist die Stellung der demokratisch-
couservativen Partei eine wesentlich andere geworden. Die Zeit ist größer als der
Einzelne mit seinen Ueberzeugungen und Systemen; das darf uns aber nicht
abhalten, indem wir die weitere Ausbildung unserer Principien dem Walten des
Geistes überlassen, in dem letzten Grunde derselben fest zu stehen.

Die Grenzboten fordern Selbstregiment der Korporationen, Communen, Kreise
und der einzelnen Länder, sie werden jede Zunahme an Kraft, Selbstgefühl und
Charakter bei dem Volk und seinen Stimmführern mit inniger Freude begrüßen,
sie werden deshalb gegen jedes der Volksfreiheit schädliche Centralisationssystem,
gegen jede hohle Phrasenmacherei und gespreizte Eitelkeit mit größtem Eifer auf¬
treten, und werden wenig darnach fragen, ob es Günstlinge der Volksmeinung
sind, denen sie die falschen Flitter abreißen. Und wenn sie ihr Volk demokratisch
organisirt sehen, soll es ihnen wenig darauf ankommen, ob seine Führer einen
weißen Filzhut oder einen goldenen Reif tragen.

Die Grenzboten wünschen die politischen Freunde ihrer Leser zu werden;
sie wollen da, wo sie die Anmaßung haben, guten Rath zu geben und zu beleh¬
ren, frei von doctriuärer Eitelkeit bleiben, wo sie angreifen und dreinschlagen --
und wir fürchten, sie werden das oft thun -- hoffen sie wenigstens durch gute
Form zu versöhnen, wo sie aber lieben und bewundern, auch dies ohne Schüch¬
ternheit zu thun. Vor Allem versprechen sie, den Vorrath von Humor und guter


Das politische Glaubensbekenntniß der Grenzboten wird aus den Blättern
jedes Heftes zu lesen sein. Sie werden den Regierungen gegenüber entschiedene
Demokraten sein, gegen die Launen und den Unverstand der Masse die Aristo¬
kratie der Bildung und des Rechts vertreten. Bei der großartigen Revolution,
welche im gegenwärtigen Augenblick ihre Macht an den Geistern ausübt wie an
den Ereignissen, ist es nicht zu erwarten, daß wir ein in allen Punkten festes
und abgeschlossenes Glaubensbekenntniß der Gewalt der Bewegung entgegenstellen
werden. Was in den letzten Tagen geschehen ist, muß der Partei, die eine ge¬
ordnete und kräftige Entwickelung Deutschlands zu fordern sich berufen glaubt,
eine neue Richtung geben. Durch die Wahl des Erzherzog Johann und die An¬
erkennung derselben von Seiten der Regierungen ist die Stellung der demokratisch-
couservativen Partei eine wesentlich andere geworden. Die Zeit ist größer als der
Einzelne mit seinen Ueberzeugungen und Systemen; das darf uns aber nicht
abhalten, indem wir die weitere Ausbildung unserer Principien dem Walten des
Geistes überlassen, in dem letzten Grunde derselben fest zu stehen.

Die Grenzboten fordern Selbstregiment der Korporationen, Communen, Kreise
und der einzelnen Länder, sie werden jede Zunahme an Kraft, Selbstgefühl und
Charakter bei dem Volk und seinen Stimmführern mit inniger Freude begrüßen,
sie werden deshalb gegen jedes der Volksfreiheit schädliche Centralisationssystem,
gegen jede hohle Phrasenmacherei und gespreizte Eitelkeit mit größtem Eifer auf¬
treten, und werden wenig darnach fragen, ob es Günstlinge der Volksmeinung
sind, denen sie die falschen Flitter abreißen. Und wenn sie ihr Volk demokratisch
organisirt sehen, soll es ihnen wenig darauf ankommen, ob seine Führer einen
weißen Filzhut oder einen goldenen Reif tragen.

Die Grenzboten wünschen die politischen Freunde ihrer Leser zu werden;
sie wollen da, wo sie die Anmaßung haben, guten Rath zu geben und zu beleh¬
ren, frei von doctriuärer Eitelkeit bleiben, wo sie angreifen und dreinschlagen —
und wir fürchten, sie werden das oft thun — hoffen sie wenigstens durch gute
Form zu versöhnen, wo sie aber lieben und bewundern, auch dies ohne Schüch¬
ternheit zu thun. Vor Allem versprechen sie, den Vorrath von Humor und guter


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[0011] Das politische Glaubensbekenntniß der Grenzboten wird aus den Blättern jedes Heftes zu lesen sein. Sie werden den Regierungen gegenüber entschiedene Demokraten sein, gegen die Launen und den Unverstand der Masse die Aristo¬ kratie der Bildung und des Rechts vertreten. Bei der großartigen Revolution, welche im gegenwärtigen Augenblick ihre Macht an den Geistern ausübt wie an den Ereignissen, ist es nicht zu erwarten, daß wir ein in allen Punkten festes und abgeschlossenes Glaubensbekenntniß der Gewalt der Bewegung entgegenstellen werden. Was in den letzten Tagen geschehen ist, muß der Partei, die eine ge¬ ordnete und kräftige Entwickelung Deutschlands zu fordern sich berufen glaubt, eine neue Richtung geben. Durch die Wahl des Erzherzog Johann und die An¬ erkennung derselben von Seiten der Regierungen ist die Stellung der demokratisch- couservativen Partei eine wesentlich andere geworden. Die Zeit ist größer als der Einzelne mit seinen Ueberzeugungen und Systemen; das darf uns aber nicht abhalten, indem wir die weitere Ausbildung unserer Principien dem Walten des Geistes überlassen, in dem letzten Grunde derselben fest zu stehen. Die Grenzboten fordern Selbstregiment der Korporationen, Communen, Kreise und der einzelnen Länder, sie werden jede Zunahme an Kraft, Selbstgefühl und Charakter bei dem Volk und seinen Stimmführern mit inniger Freude begrüßen, sie werden deshalb gegen jedes der Volksfreiheit schädliche Centralisationssystem, gegen jede hohle Phrasenmacherei und gespreizte Eitelkeit mit größtem Eifer auf¬ treten, und werden wenig darnach fragen, ob es Günstlinge der Volksmeinung sind, denen sie die falschen Flitter abreißen. Und wenn sie ihr Volk demokratisch organisirt sehen, soll es ihnen wenig darauf ankommen, ob seine Führer einen weißen Filzhut oder einen goldenen Reif tragen. Die Grenzboten wünschen die politischen Freunde ihrer Leser zu werden; sie wollen da, wo sie die Anmaßung haben, guten Rath zu geben und zu beleh¬ ren, frei von doctriuärer Eitelkeit bleiben, wo sie angreifen und dreinschlagen — und wir fürchten, sie werden das oft thun — hoffen sie wenigstens durch gute Form zu versöhnen, wo sie aber lieben und bewundern, auch dies ohne Schüch¬ ternheit zu thun. Vor Allem versprechen sie, den Vorrath von Humor und guter

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_277429/11>, abgerufen am 24.05.2024.