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Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. III. Band.

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tirten selbst aber und ihre Provinzen werden durch die Schwache der Constituante
mürrisch und aufgeregt werden, und sie werden die Schuld nicht der Unlösbarkeit
der Aufgabe beimessen, sondern den Ministern, Rcactionswünschen der Krone
und andern Gespenstern, welche sie sich zu erfinden gestimmt sein können. Und so
kann die letzte Folge dieser constituirenden Versammlung ein Auseinanderfallen des
Kaiserstaates sein.

Gegen alle diese Verwirrungen und Gefahren gibt es ein Mittel, ein sicheres
und naheliegendes, aber das Mittel verlangt einen kühnen Mann. Zeigen Sie
jetzt dem Volk und dem Hofe, daß Sie der sind; werfen Sie den projectirten
Verfassungsentwurf bei Seite und verwandeln Sie durch die constituirende Ver¬
sammlung Oestreich in das, was es in der Anlage und seiner Idee nach von je
gewesen ist, in einen großen Bundesstaat von demokratisch organisirten Einheiten,
das heißt geben Sie den Provinzen Freiheit der Gesetzgebung und sichern Sie
dem Gesammtstaat eine starke Executivgewalt. Eine solche Verfassung, die einzig
gesunde und volksthümliche für Oestreich, muß auf folgenden einfachen Principien
beruhen:

Jede Provinz regiert sich nach selbstgegebeneu Gesetzen. Die allgemeinen
Souveränitätsrechte stehen bei der Krone und einem Staatenparlament.
Jede Provinz organisirt einen jährlichen Provinzialcvngreß durch directe
Wahlen, einen Deputirten auf 20,000 Einwohner.
In jeder Provinz wird die Krone durch einen Landeschef vertreten. Der
Landeschef wird durch die Krone gewählt, die Räthe, welche er sich beiordnet,
gibt ihm die Majorität des Provinzialcongresses.
Der Provinzialcvngreß hat im Verein mit dem Landeschef die Souveräni¬
tät für Gesetzgebung und Administration in allen Angelegenheiten seiner Pro¬
vinz. Der Landeschef und seine Räthe haben die ausübende Gewalt.
Aus allen Prvvinzialcongressen werden Deputirte, je einer auf fünf Congreß-
mitgliedcr, durch den Congreß zu Deputirten für den Staateueongreß zu Wien
gewählt. Der Staateueongreß tritt'jährlich nach Beendigung der Provinzial-
congresse zusammen. Die Minister des Gesammtstaates gehen hervor aus der
Majorität des Staatencougresseö.
In den Provinzialcongressen wird jeder Gesetzvorschlag, welcher die Majorität
des Congresses hat, durch die Bestätigung des Landeschef Gesetz für die Pro.
viuz , verweigert der Gouverneur seine Bestätigung, so geht die Bill an den
Staatcncongreß, wird sie von diesem angenommen, so hat die Krone einma¬
liges Veto, wird sie von der nächsten darauf folgenden Versammlung wieder
angenommen, so wird'sie Gesetz der betreffenden Provinz.
Auch der Landeschef hat das Recht, dem Provinzialcvngreß Gesetzvvrschlägc
zu machen, verweigert der Congreß die Bestätigung, so steht es der Krone frei,
an den Staatencongreß zu appelliren, nimmt dieser die Bill an, so wird sie Gesetz

tirten selbst aber und ihre Provinzen werden durch die Schwache der Constituante
mürrisch und aufgeregt werden, und sie werden die Schuld nicht der Unlösbarkeit
der Aufgabe beimessen, sondern den Ministern, Rcactionswünschen der Krone
und andern Gespenstern, welche sie sich zu erfinden gestimmt sein können. Und so
kann die letzte Folge dieser constituirenden Versammlung ein Auseinanderfallen des
Kaiserstaates sein.

Gegen alle diese Verwirrungen und Gefahren gibt es ein Mittel, ein sicheres
und naheliegendes, aber das Mittel verlangt einen kühnen Mann. Zeigen Sie
jetzt dem Volk und dem Hofe, daß Sie der sind; werfen Sie den projectirten
Verfassungsentwurf bei Seite und verwandeln Sie durch die constituirende Ver¬
sammlung Oestreich in das, was es in der Anlage und seiner Idee nach von je
gewesen ist, in einen großen Bundesstaat von demokratisch organisirten Einheiten,
das heißt geben Sie den Provinzen Freiheit der Gesetzgebung und sichern Sie
dem Gesammtstaat eine starke Executivgewalt. Eine solche Verfassung, die einzig
gesunde und volksthümliche für Oestreich, muß auf folgenden einfachen Principien
beruhen:

Jede Provinz regiert sich nach selbstgegebeneu Gesetzen. Die allgemeinen
Souveränitätsrechte stehen bei der Krone und einem Staatenparlament.
Jede Provinz organisirt einen jährlichen Provinzialcvngreß durch directe
Wahlen, einen Deputirten auf 20,000 Einwohner.
In jeder Provinz wird die Krone durch einen Landeschef vertreten. Der
Landeschef wird durch die Krone gewählt, die Räthe, welche er sich beiordnet,
gibt ihm die Majorität des Provinzialcongresses.
Der Provinzialcvngreß hat im Verein mit dem Landeschef die Souveräni¬
tät für Gesetzgebung und Administration in allen Angelegenheiten seiner Pro¬
vinz. Der Landeschef und seine Räthe haben die ausübende Gewalt.
Aus allen Prvvinzialcongressen werden Deputirte, je einer auf fünf Congreß-
mitgliedcr, durch den Congreß zu Deputirten für den Staateueongreß zu Wien
gewählt. Der Staateueongreß tritt'jährlich nach Beendigung der Provinzial-
congresse zusammen. Die Minister des Gesammtstaates gehen hervor aus der
Majorität des Staatencougresseö.
In den Provinzialcongressen wird jeder Gesetzvorschlag, welcher die Majorität
des Congresses hat, durch die Bestätigung des Landeschef Gesetz für die Pro.
viuz , verweigert der Gouverneur seine Bestätigung, so geht die Bill an den
Staatcncongreß, wird sie von diesem angenommen, so hat die Krone einma¬
liges Veto, wird sie von der nächsten darauf folgenden Versammlung wieder
angenommen, so wird'sie Gesetz der betreffenden Provinz.
Auch der Landeschef hat das Recht, dem Provinzialcvngreß Gesetzvvrschlägc
zu machen, verweigert der Congreß die Bestätigung, so steht es der Krone frei,
an den Staatencongreß zu appelliren, nimmt dieser die Bill an, so wird sie Gesetz

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_277429/40>, abgerufen am 24.05.2024.