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Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. III. Band.

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und wird die constituirende Versammlung ihre Hand reichen. Wenn das Ministe¬
rium den Muth hat, deu Deputaten zunächst nur die oben angedeuteten Grund-
züge der Verfassung mit ihren nothwendigen Konsequenzen vorzulegen und die
Grundlagen dieser Verfassung, Gesetze, Rechte und Freiheiten des Einzelnen und
Organisation der Communen zur Annahme zu empfehlen, so wird die constituirende
Versammlung des Kaiserstaates, weil ihr eine verständigere Aufgabe gesetzt wird,
auch verständige Beschlüsse fassen können, der Eindruck derselben wird ein befrie¬
digender sein und die Deputirten werden in ihre Heimath zurückkehren mit dem'
frohen Gefühl uicht in Formenstreit und theoretischen Debatten die Zeit verloren,
sondern etwas Gedeihliches ihren Wählern Nützliches geschaffen zu haben. Die
neue Freiheit wird sich so mit den Gewöhnungen des alten Lebens verbinden und
Oestreich wird in Wahrheit werden, was es bis jetzt nicht gewesen ist, ein eini¬
ger Staat. Wird aber in den deutschen Provinzen Oestreichs ein enges An¬
schließen an Deutschland nationaler Wunsch, so werden sie dem gemeinsamen Va¬
terland eine kräftige Organisation, welche jeder Art von freier Verbindung fähig
ist, mitbringen und der Anschluß wird durch die Provinzen selbst beantragt, sich
ohne gefährliche Erschütterungen, ohne die Regierung zu discreditireu, vermitteln.

Sie aber, Herr Minister, haben noch in diesem Augenblick die Wahl, ob Sie
deu Kaiserstaat allen Phasen der Auflösung übergeben oder ob Sie der Schöpfer
eines neuen Lebens zum Heil für Europa werden wollen. Zu Beiden, gehört
Muth. Es fragt sich, ob Sie nur deu Muth eines Dulders, oder den eines
^> Staatsmannes haben.

Anm. der Redaction, Der hochverehrte Einsender dieses Briefes hat die Ansicht, daß
die deutsche Centralgewalt erst nach langem Kampfe Kraft 'und Energie gewinnen könne, wir
dagegen haben die Ueberzeugung, daß sie sich sehr schnell und energisch durchsetzen wird, grade
deßhalb, weil das Hausregiment der größeren Staaten Deutschlands gegenwärtig so sehr
schwach und haltlos ist. Und wenn wir dem Verfasser darin Recht geben, daß die Vereinigung
der östreichischen Provinzen mit dem übrigen Deutschland, für die Politik und Stellung Deutsch¬
lands zu Rußland und der Türkei neue und bedenkliche Gesichtspunkte herbeiführen würde, so
haben wir doch die Ueberzeugung, daß die deutschen Völker um die brüderliche Vereinigung
mit Oestreich jedes Opfer bringen und alle Konsequenzen solcher Vereinigung zu übernehmen
den Muth und die Kraft haben werden. Daß eine direkte Verbindung Slavoniens und Croa-
tiens mit Oestreich der Vereinigung dieser Königreiche mit Ungarn in ihrem und dem deut¬
schen Interesse vorzuziehen wäre, davon sind auch wir überzeugt.




und wird die constituirende Versammlung ihre Hand reichen. Wenn das Ministe¬
rium den Muth hat, deu Deputaten zunächst nur die oben angedeuteten Grund-
züge der Verfassung mit ihren nothwendigen Konsequenzen vorzulegen und die
Grundlagen dieser Verfassung, Gesetze, Rechte und Freiheiten des Einzelnen und
Organisation der Communen zur Annahme zu empfehlen, so wird die constituirende
Versammlung des Kaiserstaates, weil ihr eine verständigere Aufgabe gesetzt wird,
auch verständige Beschlüsse fassen können, der Eindruck derselben wird ein befrie¬
digender sein und die Deputirten werden in ihre Heimath zurückkehren mit dem'
frohen Gefühl uicht in Formenstreit und theoretischen Debatten die Zeit verloren,
sondern etwas Gedeihliches ihren Wählern Nützliches geschaffen zu haben. Die
neue Freiheit wird sich so mit den Gewöhnungen des alten Lebens verbinden und
Oestreich wird in Wahrheit werden, was es bis jetzt nicht gewesen ist, ein eini¬
ger Staat. Wird aber in den deutschen Provinzen Oestreichs ein enges An¬
schließen an Deutschland nationaler Wunsch, so werden sie dem gemeinsamen Va¬
terland eine kräftige Organisation, welche jeder Art von freier Verbindung fähig
ist, mitbringen und der Anschluß wird durch die Provinzen selbst beantragt, sich
ohne gefährliche Erschütterungen, ohne die Regierung zu discreditireu, vermitteln.

Sie aber, Herr Minister, haben noch in diesem Augenblick die Wahl, ob Sie
deu Kaiserstaat allen Phasen der Auflösung übergeben oder ob Sie der Schöpfer
eines neuen Lebens zum Heil für Europa werden wollen. Zu Beiden, gehört
Muth. Es fragt sich, ob Sie nur deu Muth eines Dulders, oder den eines
^> Staatsmannes haben.

Anm. der Redaction, Der hochverehrte Einsender dieses Briefes hat die Ansicht, daß
die deutsche Centralgewalt erst nach langem Kampfe Kraft 'und Energie gewinnen könne, wir
dagegen haben die Ueberzeugung, daß sie sich sehr schnell und energisch durchsetzen wird, grade
deßhalb, weil das Hausregiment der größeren Staaten Deutschlands gegenwärtig so sehr
schwach und haltlos ist. Und wenn wir dem Verfasser darin Recht geben, daß die Vereinigung
der östreichischen Provinzen mit dem übrigen Deutschland, für die Politik und Stellung Deutsch¬
lands zu Rußland und der Türkei neue und bedenkliche Gesichtspunkte herbeiführen würde, so
haben wir doch die Ueberzeugung, daß die deutschen Völker um die brüderliche Vereinigung
mit Oestreich jedes Opfer bringen und alle Konsequenzen solcher Vereinigung zu übernehmen
den Muth und die Kraft haben werden. Daß eine direkte Verbindung Slavoniens und Croa-
tiens mit Oestreich der Vereinigung dieser Königreiche mit Ungarn in ihrem und dem deut¬
schen Interesse vorzuziehen wäre, davon sind auch wir überzeugt.




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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_277429/42>, abgerufen am 24.05.2024.