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Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. III. Band.

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und sagte: "sie sind'S nicht anders gewöhnt, ist erst Polen frei, so werden auch
diese zu ihrem Menschenrecht kommen." -- Wir traten bei diesen Worten a"S
dem Wald und vor uus ritt auf dem Hügel ein Trupp seiner k> ästigen Genossen,
die uns jubelnd anriefe". Sie sahen im Licht der untergehenden Sonne aus,
wie ein schönes Bild von Meisterhand, wenn sie mir aber in diesem Augenblick
anders vorkamen, als eine Bande roher Indianer, als eine Herde Pawnee LoupS
in den Grasebenen des Missouri, gut für Grenzkriege, für Romane und Trauer¬
spiele, aber unbrauchbar für das Leben, so will ich nie wieder einem freien Mann
die Hand schütteln.

Auf meinen Ausflügen in die Umgegend begleitete mich zuweilen mein Wuth
und durch ihn machte ich die Bekanntschaft einer großen Anzahl von Familien.
Ich kann nicht sagen, daß dadurch daS Urtheil welches sich allmälig über meine
Umgebung in mir bildete, irgend wie geändert wurde. Wenn ich von einigen
größeren Gutsbesitzern absehe, deren Wirthschaften auf deutsche Weise cultivüt
waren, und welche die Bildung vornehmer Aristokraten hatte, wie sie sich in ganz
Europa finden, so war in dem Leben Aller eine große, nicht erfreuliä e Uebereinstim¬
mung. Die Güter im niedrigsten Culturzustand, die Nutzviehhecrdcn schlecht "ud
die Wohnhäuser in traurigem Verfalle, oft nur Blockhäuser mit Slrvl, gedeckt,
die Besuchszimmer wohl elegant möblirt, die Fenster aber durch ungestörte Thä-
tigkeit der Fliegen vollständig unnütz gemacht; die Frauen träume" vornehm in
schwarzer Seide, die Männer tranken vortrefflichen Ungarwein mit Ane-dauer und
Erfolg. Unter ihnen waren zwei ganz verschiedene Klassen deutlich zu erkennen,
eine ältere Generation, die auf ihre" Gütern im kleinen Leben mit geworden war,
oft wunderbar treuherzige und gutmüthige Menschen in allen Sei aitirnngen der
Bildung, von der Genügsamkeit eines Kommoruicks bis zur Winde eines alrcn
Gentleman und fast an jedem von ihnen hing eine Anzahl von anuen Vettern
und Clansgcnossen, die im Zuschnitt, Bildung und Bartwuchs dem Häuptling
ähnlich waren, nur war ihr Gesichtskreis etwas kleiner und it>r Bart etwas grö¬
ßer. Ganz anders war ein jüngeres Geschlecht von Politikern, die ihre Bildung
meist dem Ausland verdankten und mit französischer Tournüre und Rhetorik, mit
modernen Stichwörtern und einer diplomatische" Vcrschwörnngi'piaxiS in die Hei-
math zurückgekehrt waren. Sie wurden von den Frauen vergöttert, von den äl¬
teren Autochthonen angestaunt, und wenn ja hin und wieder ein bedächtiger Herr
den Kopf schüttelte über ihre demokiatischen Grundsätze und mit Teufzeu an die
^'vorstehende Freiheit seiner Arbeiter dachte, so kamen soläe reaktionäre Zweifel
d°es nirgend auf, denn dies Geschlecht theilte mit alle" politisch unberechtigten
Parteien die gefährliche Schwäche, daß die Ueberzeugung des Einzelnen durch die
herrschende Parteimeiuuug tyrannisirt wurde, und da jeder den Verdacht vo"
Lauigkeit fürchtete, wie das Mittelalter seine Vehme, so geberdete sich jeder so
tapfer und hoffnungsvoll als möglich. Und ein tapferes, sanguinisches Geschlecht


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und sagte: „sie sind'S nicht anders gewöhnt, ist erst Polen frei, so werden auch
diese zu ihrem Menschenrecht kommen." — Wir traten bei diesen Worten a»S
dem Wald und vor uus ritt auf dem Hügel ein Trupp seiner k> ästigen Genossen,
die uns jubelnd anriefe». Sie sahen im Licht der untergehenden Sonne aus,
wie ein schönes Bild von Meisterhand, wenn sie mir aber in diesem Augenblick
anders vorkamen, als eine Bande roher Indianer, als eine Herde Pawnee LoupS
in den Grasebenen des Missouri, gut für Grenzkriege, für Romane und Trauer¬
spiele, aber unbrauchbar für das Leben, so will ich nie wieder einem freien Mann
die Hand schütteln.

Auf meinen Ausflügen in die Umgegend begleitete mich zuweilen mein Wuth
und durch ihn machte ich die Bekanntschaft einer großen Anzahl von Familien.
Ich kann nicht sagen, daß dadurch daS Urtheil welches sich allmälig über meine
Umgebung in mir bildete, irgend wie geändert wurde. Wenn ich von einigen
größeren Gutsbesitzern absehe, deren Wirthschaften auf deutsche Weise cultivüt
waren, und welche die Bildung vornehmer Aristokraten hatte, wie sie sich in ganz
Europa finden, so war in dem Leben Aller eine große, nicht erfreuliä e Uebereinstim¬
mung. Die Güter im niedrigsten Culturzustand, die Nutzviehhecrdcn schlecht »ud
die Wohnhäuser in traurigem Verfalle, oft nur Blockhäuser mit Slrvl, gedeckt,
die Besuchszimmer wohl elegant möblirt, die Fenster aber durch ungestörte Thä-
tigkeit der Fliegen vollständig unnütz gemacht; die Frauen träume» vornehm in
schwarzer Seide, die Männer tranken vortrefflichen Ungarwein mit Ane-dauer und
Erfolg. Unter ihnen waren zwei ganz verschiedene Klassen deutlich zu erkennen,
eine ältere Generation, die auf ihre» Gütern im kleinen Leben mit geworden war,
oft wunderbar treuherzige und gutmüthige Menschen in allen Sei aitirnngen der
Bildung, von der Genügsamkeit eines Kommoruicks bis zur Winde eines alrcn
Gentleman und fast an jedem von ihnen hing eine Anzahl von anuen Vettern
und Clansgcnossen, die im Zuschnitt, Bildung und Bartwuchs dem Häuptling
ähnlich waren, nur war ihr Gesichtskreis etwas kleiner und it>r Bart etwas grö¬
ßer. Ganz anders war ein jüngeres Geschlecht von Politikern, die ihre Bildung
meist dem Ausland verdankten und mit französischer Tournüre und Rhetorik, mit
modernen Stichwörtern und einer diplomatische» Vcrschwörnngi'piaxiS in die Hei-
math zurückgekehrt waren. Sie wurden von den Frauen vergöttert, von den äl¬
teren Autochthonen angestaunt, und wenn ja hin und wieder ein bedächtiger Herr
den Kopf schüttelte über ihre demokiatischen Grundsätze und mit Teufzeu an die
^'vorstehende Freiheit seiner Arbeiter dachte, so kamen soläe reaktionäre Zweifel
d°es nirgend auf, denn dies Geschlecht theilte mit alle» politisch unberechtigten
Parteien die gefährliche Schwäche, daß die Ueberzeugung des Einzelnen durch die
herrschende Parteimeiuuug tyrannisirt wurde, und da jeder den Verdacht vo»
Lauigkeit fürchtete, wie das Mittelalter seine Vehme, so geberdete sich jeder so
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_277429/47>, abgerufen am 24.05.2024.