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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. II. Band.

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hat. Er soll zum Tode geführt werden; da tritt der Prophet mit seinem Nilsehen
dazwischen. Ihn ekelt schon seiner Rolle, er mochte das Schwert niederlegen.
Selbst den Feind--von dein er beiläufig erfahrt, daß Bertha nach einem vergeb¬
lichen Selbstmord-Versuch nach Münster entflohen ist -- begnadigt er. Dann
muß er zum Heer zurück, das durch einen Verlust erbittert ist. Er weiß es durch
seiue schwärmerischen Reden wieder in Begeisterung zu se>)en, und mit einem
brillanten Sonnenaufgang und dem Sturm auf Münster schließt der Act.

Vierte r A e t. M ü u se e r. Der Prophet herrscht in der Stadt, die Bürger
zittern vor seinen Soldaten. Fides als Bettlerin, bittet in der berühmten Arie
um Almosen, um für ihren Sohn, den sie für todt hält, und dessen Tod sie dem
grausamen Propheten Schuld gibt, Messe zu lesen. Sie trifft Bertha, als Pil¬
ger gekleidet. Beide fluchen dem vermeintlichen Mörder, nud beschließen, Rache
an ihm zu nehmen. -- Großer Kriegszug. Der Prophet wird als König von
Zion gesalbt. Er ist in schwärmerisch weicher Stimmung, und die Musik läßt
beinahe vermuthen, daß er selber ungewiß ist, ob er nicht wirklich der Sohn
Gottes sei. Fides erkennt ihn als ihren Sohn nud spricht es ans. Aber die
Gewalt seiner Schwärmerei besiegt sie. Er fragt sie, ob sie ihren Sohn geliebt
habe? sie möge ihn nun fest ansehen und erklären, ob er ihr Sohn sei; wenn sie
ja sage, so möge das Volk ihn als Betrüger niederstoßen. Die mütterliche Liebe
siegt, sie verleugnet ihn.

Fünster Act. Gcw ö the. Die drei Männer wollen ihren Propheten an
den Kaiser verrathen, der mit großer Heeresmacht heranrückt. -- Gespräch zwi¬
schen Johann und seiner Mutter; sie beschwört ihn, seinem grenelvvllen Leben zu
entsagen, und mit ihm zu entfliehen. Nach einigem Strande" ist er es auch
Willens. Bertha, die noch nichts weiß, und sich über sein Wiederfinden freut,
gesellt sich zu thuen; als sie aber in ihm deu Propheten erkennt, flucht sie ihm
und tröstet sich selbst. So bleibt ihm nichts weiter übrig, als zu sterben. -- In
der letzten Scene sind wir in einer wüsten. Orgie; es wird getrunken, getanzt,
bis die Verschwörer eindringen; Johann läßt die Pforten verschließen, und ruft
thuen zu: ihr seid in meiner Hand! schon brechen voll unten Flammen aus, das
Zimmer wird von Rauch erfüllt; er hat die Pulverkammer angezündet, die im
Schloßkeller lag, und das Schloß begräbt die Wiedertäufer mit ihren Feinden.

Die gewaltigem Contraste, zu denen diese Scenen überreiche Gelegenheit bie¬
ten, sind von der Musik trefflich ausgebeutet. Die Intentionen sind, die oben
gerügte Detailmalerei abgerechnet, durchweg zu loben. Aller Effect, deu ein
Meister wie Meyerbeer ans einer geschickten Behandlung der Instrumente ziehen
kann, ist in mehr als hinreichendem Maße vorhanden. Die Gesaugpariieu sind
dankbar und schonend angelegt; die reichste ist bekaiiutlich die der Fides, für deren
tiefe Alt-lage die Leipziger Sängerin übrigens nicht ausreichte. -- Dennoch scheint
mir im Ganzen die musikalische Kraft, welche sich im Propheten ausspricht, ge-


hat. Er soll zum Tode geführt werden; da tritt der Prophet mit seinem Nilsehen
dazwischen. Ihn ekelt schon seiner Rolle, er mochte das Schwert niederlegen.
Selbst den Feind—von dein er beiläufig erfahrt, daß Bertha nach einem vergeb¬
lichen Selbstmord-Versuch nach Münster entflohen ist — begnadigt er. Dann
muß er zum Heer zurück, das durch einen Verlust erbittert ist. Er weiß es durch
seiue schwärmerischen Reden wieder in Begeisterung zu se>)en, und mit einem
brillanten Sonnenaufgang und dem Sturm auf Münster schließt der Act.

Vierte r A e t. M ü u se e r. Der Prophet herrscht in der Stadt, die Bürger
zittern vor seinen Soldaten. Fides als Bettlerin, bittet in der berühmten Arie
um Almosen, um für ihren Sohn, den sie für todt hält, und dessen Tod sie dem
grausamen Propheten Schuld gibt, Messe zu lesen. Sie trifft Bertha, als Pil¬
ger gekleidet. Beide fluchen dem vermeintlichen Mörder, nud beschließen, Rache
an ihm zu nehmen. — Großer Kriegszug. Der Prophet wird als König von
Zion gesalbt. Er ist in schwärmerisch weicher Stimmung, und die Musik läßt
beinahe vermuthen, daß er selber ungewiß ist, ob er nicht wirklich der Sohn
Gottes sei. Fides erkennt ihn als ihren Sohn nud spricht es ans. Aber die
Gewalt seiner Schwärmerei besiegt sie. Er fragt sie, ob sie ihren Sohn geliebt
habe? sie möge ihn nun fest ansehen und erklären, ob er ihr Sohn sei; wenn sie
ja sage, so möge das Volk ihn als Betrüger niederstoßen. Die mütterliche Liebe
siegt, sie verleugnet ihn.

Fünster Act. Gcw ö the. Die drei Männer wollen ihren Propheten an
den Kaiser verrathen, der mit großer Heeresmacht heranrückt. — Gespräch zwi¬
schen Johann und seiner Mutter; sie beschwört ihn, seinem grenelvvllen Leben zu
entsagen, und mit ihm zu entfliehen. Nach einigem Strande» ist er es auch
Willens. Bertha, die noch nichts weiß, und sich über sein Wiederfinden freut,
gesellt sich zu thuen; als sie aber in ihm deu Propheten erkennt, flucht sie ihm
und tröstet sich selbst. So bleibt ihm nichts weiter übrig, als zu sterben. — In
der letzten Scene sind wir in einer wüsten. Orgie; es wird getrunken, getanzt,
bis die Verschwörer eindringen; Johann läßt die Pforten verschließen, und ruft
thuen zu: ihr seid in meiner Hand! schon brechen voll unten Flammen aus, das
Zimmer wird von Rauch erfüllt; er hat die Pulverkammer angezündet, die im
Schloßkeller lag, und das Schloß begräbt die Wiedertäufer mit ihren Feinden.

Die gewaltigem Contraste, zu denen diese Scenen überreiche Gelegenheit bie¬
ten, sind von der Musik trefflich ausgebeutet. Die Intentionen sind, die oben
gerügte Detailmalerei abgerechnet, durchweg zu loben. Aller Effect, deu ein
Meister wie Meyerbeer ans einer geschickten Behandlung der Instrumente ziehen
kann, ist in mehr als hinreichendem Maße vorhanden. Die Gesaugpariieu sind
dankbar und schonend angelegt; die reichste ist bekaiiutlich die der Fides, für deren
tiefe Alt-lage die Leipziger Sängerin übrigens nicht ausreichte. — Dennoch scheint
mir im Ganzen die musikalische Kraft, welche sich im Propheten ausspricht, ge-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_185336/32>, abgerufen am 27.05.2024.