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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. II. Band.

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Es ist schon etwas gewonnen, wenn wir uns klar machen, was wir nicht
thun sollen. -- Wir sollen uns nicht mit der Demokratie verbinden. Unsere Partei
hat sich im vorigen Jahr durch ein zu enges Bündnist mit den preußischen Alt-
conservativen sehr geschadet, es wäre ein Unglück, wenn sie jetzt nach der andern
Seite hin fehlen sollte. Wir stehen jetzt mit den Demokraten zusammen in der
Opposition, aber nur haben nicht dasselbe Ziel, nicht dieselben Principien. Wir
wollen die Kräftigung Oestreichs und Preußens, der beiden Pole des deutschen
Lebens, und ihre Trennung von einander; wir wollen die Abhängigkeit der Klein¬
staaten von Preußen und damit ihren Anschluß an ein reales politisches System.
Die Demokraten wollen die Schwächung Oestreichs und Preußens, die Unab¬
hängigkeit der Kleinstaaten, die politische Einheit des gesammten Bundesgebiets.
DaS sind doch wohl verschiedene Zwecke.

In Beziehung auf die deutsche Frage haben wir also nichts Anderes zu thu",
als für unsere Ansicht Propaganda zu machen, auf allen deu Wegen, die uns
das Gesetz freistellt: in der Presse, in Vereinen, in den Kammern.

Auch in Beziehung auf deu Umfang der Freiheiten weichen wir von den
Demokraten ab. Wir wollen nicht die breiteste Grundlage, sondern eine Beschrän¬
kung der politischen Rechte auf diejenigen Kreise, die ein selbstständiges Leben
haben; wir wollen nicht den Fortschritt durch Sprünge, durch Emeuten oder durch
Octroyirung, sondern den Fortschritt durch Reform, die uur auf dem Wege des
Vertrags zwischen den gesetzlich constttuirtcn Gewalten zu erreichen ist; wir wollen
nicht die Aufhebung der socialen nud bürgerlichen Unterschiede, sonder" die Herr¬
schaft des Rechts über alle Unterschiede.

Wir haben daher in den einzelnen Staaten -- nur in diesen wird es uns
für die nächste Zeit vergönnt sein, eine unmittelbare Wirksamkeit auszuüben --
jeden neuen Rechtsbruch, von welcher Seite er ausgehen mag, zu verhindern,
und die vollführten Rechtsbrüche, wie die Dresdner Ordonnanzen, wieder aufzu¬
heben. Gehen in dieser Bestrebung die Demokraten mit uns, so möge von unserer
Seite wenigstens jeder Schein vermieden werden, als wollten wir uns zum Dank
für ihre weiteren Zwecke solidarisch verbindlich machen.

Diejenigen Regierungen aber, die das Princip des Rechts einfach fallen
lassen, wenn es ihnen unbequem wird, mögen sich daran erinnern, daß die Ver-
antwortung, die wir von ihnen fordern werden, ebenso ernst ist, als wenn sie es
mit der revolutionären Partei zu thun hätten.--

Ich füge an dieser Stelle noch einige Bemerkungen hinzu, die bedrohte Lage
der Presse betreffend. Die preußische Regierung scheint ein System der Cautio-
nen einführen zu wollen. Ob der Staat das Recht hat, von der periodischen
Presse eine derartige Garantie zu fordern, vorausgesetzt, daß sie auf dem
verfassungsmäßigen Wege festgestellt wird, und ob eine solche Ma߬
regel zweckmäßig ist, will ich hier nicht untersuchen. -- Dagegen hat die Kreuz-


Es ist schon etwas gewonnen, wenn wir uns klar machen, was wir nicht
thun sollen. — Wir sollen uns nicht mit der Demokratie verbinden. Unsere Partei
hat sich im vorigen Jahr durch ein zu enges Bündnist mit den preußischen Alt-
conservativen sehr geschadet, es wäre ein Unglück, wenn sie jetzt nach der andern
Seite hin fehlen sollte. Wir stehen jetzt mit den Demokraten zusammen in der
Opposition, aber nur haben nicht dasselbe Ziel, nicht dieselben Principien. Wir
wollen die Kräftigung Oestreichs und Preußens, der beiden Pole des deutschen
Lebens, und ihre Trennung von einander; wir wollen die Abhängigkeit der Klein¬
staaten von Preußen und damit ihren Anschluß an ein reales politisches System.
Die Demokraten wollen die Schwächung Oestreichs und Preußens, die Unab¬
hängigkeit der Kleinstaaten, die politische Einheit des gesammten Bundesgebiets.
DaS sind doch wohl verschiedene Zwecke.

In Beziehung auf die deutsche Frage haben wir also nichts Anderes zu thu»,
als für unsere Ansicht Propaganda zu machen, auf allen deu Wegen, die uns
das Gesetz freistellt: in der Presse, in Vereinen, in den Kammern.

Auch in Beziehung auf deu Umfang der Freiheiten weichen wir von den
Demokraten ab. Wir wollen nicht die breiteste Grundlage, sondern eine Beschrän¬
kung der politischen Rechte auf diejenigen Kreise, die ein selbstständiges Leben
haben; wir wollen nicht den Fortschritt durch Sprünge, durch Emeuten oder durch
Octroyirung, sondern den Fortschritt durch Reform, die uur auf dem Wege des
Vertrags zwischen den gesetzlich constttuirtcn Gewalten zu erreichen ist; wir wollen
nicht die Aufhebung der socialen nud bürgerlichen Unterschiede, sonder» die Herr¬
schaft des Rechts über alle Unterschiede.

Wir haben daher in den einzelnen Staaten — nur in diesen wird es uns
für die nächste Zeit vergönnt sein, eine unmittelbare Wirksamkeit auszuüben —
jeden neuen Rechtsbruch, von welcher Seite er ausgehen mag, zu verhindern,
und die vollführten Rechtsbrüche, wie die Dresdner Ordonnanzen, wieder aufzu¬
heben. Gehen in dieser Bestrebung die Demokraten mit uns, so möge von unserer
Seite wenigstens jeder Schein vermieden werden, als wollten wir uns zum Dank
für ihre weiteren Zwecke solidarisch verbindlich machen.

Diejenigen Regierungen aber, die das Princip des Rechts einfach fallen
lassen, wenn es ihnen unbequem wird, mögen sich daran erinnern, daß die Ver-
antwortung, die wir von ihnen fordern werden, ebenso ernst ist, als wenn sie es
mit der revolutionären Partei zu thun hätten.--

Ich füge an dieser Stelle noch einige Bemerkungen hinzu, die bedrohte Lage
der Presse betreffend. Die preußische Regierung scheint ein System der Cautio-
nen einführen zu wollen. Ob der Staat das Recht hat, von der periodischen
Presse eine derartige Garantie zu fordern, vorausgesetzt, daß sie auf dem
verfassungsmäßigen Wege festgestellt wird, und ob eine solche Ma߬
regel zweckmäßig ist, will ich hier nicht untersuchen. — Dagegen hat die Kreuz-


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[0413] Es ist schon etwas gewonnen, wenn wir uns klar machen, was wir nicht thun sollen. — Wir sollen uns nicht mit der Demokratie verbinden. Unsere Partei hat sich im vorigen Jahr durch ein zu enges Bündnist mit den preußischen Alt- conservativen sehr geschadet, es wäre ein Unglück, wenn sie jetzt nach der andern Seite hin fehlen sollte. Wir stehen jetzt mit den Demokraten zusammen in der Opposition, aber nur haben nicht dasselbe Ziel, nicht dieselben Principien. Wir wollen die Kräftigung Oestreichs und Preußens, der beiden Pole des deutschen Lebens, und ihre Trennung von einander; wir wollen die Abhängigkeit der Klein¬ staaten von Preußen und damit ihren Anschluß an ein reales politisches System. Die Demokraten wollen die Schwächung Oestreichs und Preußens, die Unab¬ hängigkeit der Kleinstaaten, die politische Einheit des gesammten Bundesgebiets. DaS sind doch wohl verschiedene Zwecke. In Beziehung auf die deutsche Frage haben wir also nichts Anderes zu thu», als für unsere Ansicht Propaganda zu machen, auf allen deu Wegen, die uns das Gesetz freistellt: in der Presse, in Vereinen, in den Kammern. Auch in Beziehung auf deu Umfang der Freiheiten weichen wir von den Demokraten ab. Wir wollen nicht die breiteste Grundlage, sondern eine Beschrän¬ kung der politischen Rechte auf diejenigen Kreise, die ein selbstständiges Leben haben; wir wollen nicht den Fortschritt durch Sprünge, durch Emeuten oder durch Octroyirung, sondern den Fortschritt durch Reform, die uur auf dem Wege des Vertrags zwischen den gesetzlich constttuirtcn Gewalten zu erreichen ist; wir wollen nicht die Aufhebung der socialen nud bürgerlichen Unterschiede, sonder» die Herr¬ schaft des Rechts über alle Unterschiede. Wir haben daher in den einzelnen Staaten — nur in diesen wird es uns für die nächste Zeit vergönnt sein, eine unmittelbare Wirksamkeit auszuüben — jeden neuen Rechtsbruch, von welcher Seite er ausgehen mag, zu verhindern, und die vollführten Rechtsbrüche, wie die Dresdner Ordonnanzen, wieder aufzu¬ heben. Gehen in dieser Bestrebung die Demokraten mit uns, so möge von unserer Seite wenigstens jeder Schein vermieden werden, als wollten wir uns zum Dank für ihre weiteren Zwecke solidarisch verbindlich machen. Diejenigen Regierungen aber, die das Princip des Rechts einfach fallen lassen, wenn es ihnen unbequem wird, mögen sich daran erinnern, daß die Ver- antwortung, die wir von ihnen fordern werden, ebenso ernst ist, als wenn sie es mit der revolutionären Partei zu thun hätten.-- Ich füge an dieser Stelle noch einige Bemerkungen hinzu, die bedrohte Lage der Presse betreffend. Die preußische Regierung scheint ein System der Cautio- nen einführen zu wollen. Ob der Staat das Recht hat, von der periodischen Presse eine derartige Garantie zu fordern, vorausgesetzt, daß sie auf dem verfassungsmäßigen Wege festgestellt wird, und ob eine solche Ma߬ regel zweckmäßig ist, will ich hier nicht untersuchen. — Dagegen hat die Kreuz-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_185336/413>, abgerufen am 19.05.2024.