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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. I. Band.

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sonst dem diplomatischen Corps bestimmt war, seit kurzem den Gemahlinnen der
Pairs dcsignirt ist. Der Platz ist ihm vom Pedell des Hauses angewiesen wor-
den. Da erhebt sich Lord Brougham und dringt unter dem Gelächter des Hauses
darauf, den preußischen Gesandten von seinem Platz, der den Damen gebühre,
wcgzuweisen. Der Beamte des Hauses erscheint in der Gallerie, Herr Bunsen
verläßt das Haus. --

Der rohe Antrag des Lord Brougham, -- dieses widerwärtigen Hanswurstes
der Paine -- hätte wenigstens an der Stelle, wo er die Ausweisung des Ge¬
sandten einer befreundeten Macht aus einer öffentlichen Staatsaktion forderte,
lebhafte Zeichen von Mißbilligung von Seiten des Hauses zur Folge haben
sollen. Leider besaßen die anwesenden Pairs nicht Takt genug, dies zu thun,
und obgleich die Mitglieder des Oberhauses durchaus nicht Anspruch darauf
machen, Vorbilder guter Sitte zu sein, so wäre es in diesem Fall doch nicht
unpassend gewesen, wenn sie mehr an die Würde des Hauses, als an das
Konüsche der Situation gedacht hätten. Bei uns in Deutschland würde bei der
Sitzung jeder Kammer in ähnlichem Fall ein allgemeines Geräusch der Mißbilli¬
gung den taktlosen Antragsteller zur Ruhe bringen.

Jndeß die Kränkung war einmal zugefügt, so ziemlich wider den Willen des
Hauses durch die Flegelei eiues Einzelnen und den Mangel an Geistesgegen¬
wart, welchen der Beamte, Sir A. Clisford gezeigt hat. Der Aufforderung des
Lord Brougham ohne Weiteres nachzukommen und zögernd auf der Gallerie an
Herrn Bunsen zu treten, war nicht passend, er hatte zuvor den Asser der Gal¬
lerie zu fragen, ob er Herrn Bunsen diesen Platz angewiesen habe, darauf aber
dem Haus anheimzugeben, ob dasselbe ein Mißverständnis^ oder Versehen durch
Verletzung des Vertreters einer fremden Macht repariren wolle. Das war ver¬
säumt, es galt Herrn Bunsen in anderer Weise Genugthuung zu geben.

Außer dem obligaten Entschuldigungsschreiben des Ministeriums, einem An¬
trage des Marquis von Lausdowne im Oberhaus, Gesaudtschaftsplätze zu besor¬
gen, einem Toast Wellingtons auf die preußische Armee, massenhaften Besuchen
der Pairs bei Bunsen und andern ähnlichen Mitteln, durch welche man einen
solchen unangenehmen Vorfall mit mehr oder weniger Takt und Glück gut zu
macheu sucht, hat auch die englische Presse übernommen, die Sache des preußischen
Gesandten zu führen. Und die Art und Weise, wie die großen Blätter, Times,
Daily News u. f. w. den Vorfall besprechen, kann wohl einen deutschen Jour¬
nalisten neidisch machen. ES ist nicht möglich, zarter und verbindlicher gegen den
Verletzten zu sein, schöner und männlicher den Unwillen der Gebildeten über die
Plumpheit des Lord Brougham, die Trauer der Wirthe über die Beleidigung
eines geachteten Gastes auszudrücken. Sehr besorgt reden sie von dem Eindruck,
den die Sache in Preußen machen müsse, sehr eifrig streben sie, dem Gesandten
jede Art von Ehrenerklärung zu geben! Wahrlich, so warm und tief kann eine


sonst dem diplomatischen Corps bestimmt war, seit kurzem den Gemahlinnen der
Pairs dcsignirt ist. Der Platz ist ihm vom Pedell des Hauses angewiesen wor-
den. Da erhebt sich Lord Brougham und dringt unter dem Gelächter des Hauses
darauf, den preußischen Gesandten von seinem Platz, der den Damen gebühre,
wcgzuweisen. Der Beamte des Hauses erscheint in der Gallerie, Herr Bunsen
verläßt das Haus. —

Der rohe Antrag des Lord Brougham, — dieses widerwärtigen Hanswurstes
der Paine — hätte wenigstens an der Stelle, wo er die Ausweisung des Ge¬
sandten einer befreundeten Macht aus einer öffentlichen Staatsaktion forderte,
lebhafte Zeichen von Mißbilligung von Seiten des Hauses zur Folge haben
sollen. Leider besaßen die anwesenden Pairs nicht Takt genug, dies zu thun,
und obgleich die Mitglieder des Oberhauses durchaus nicht Anspruch darauf
machen, Vorbilder guter Sitte zu sein, so wäre es in diesem Fall doch nicht
unpassend gewesen, wenn sie mehr an die Würde des Hauses, als an das
Konüsche der Situation gedacht hätten. Bei uns in Deutschland würde bei der
Sitzung jeder Kammer in ähnlichem Fall ein allgemeines Geräusch der Mißbilli¬
gung den taktlosen Antragsteller zur Ruhe bringen.

Jndeß die Kränkung war einmal zugefügt, so ziemlich wider den Willen des
Hauses durch die Flegelei eiues Einzelnen und den Mangel an Geistesgegen¬
wart, welchen der Beamte, Sir A. Clisford gezeigt hat. Der Aufforderung des
Lord Brougham ohne Weiteres nachzukommen und zögernd auf der Gallerie an
Herrn Bunsen zu treten, war nicht passend, er hatte zuvor den Asser der Gal¬
lerie zu fragen, ob er Herrn Bunsen diesen Platz angewiesen habe, darauf aber
dem Haus anheimzugeben, ob dasselbe ein Mißverständnis^ oder Versehen durch
Verletzung des Vertreters einer fremden Macht repariren wolle. Das war ver¬
säumt, es galt Herrn Bunsen in anderer Weise Genugthuung zu geben.

Außer dem obligaten Entschuldigungsschreiben des Ministeriums, einem An¬
trage des Marquis von Lausdowne im Oberhaus, Gesaudtschaftsplätze zu besor¬
gen, einem Toast Wellingtons auf die preußische Armee, massenhaften Besuchen
der Pairs bei Bunsen und andern ähnlichen Mitteln, durch welche man einen
solchen unangenehmen Vorfall mit mehr oder weniger Takt und Glück gut zu
macheu sucht, hat auch die englische Presse übernommen, die Sache des preußischen
Gesandten zu führen. Und die Art und Weise, wie die großen Blätter, Times,
Daily News u. f. w. den Vorfall besprechen, kann wohl einen deutschen Jour¬
nalisten neidisch machen. ES ist nicht möglich, zarter und verbindlicher gegen den
Verletzten zu sein, schöner und männlicher den Unwillen der Gebildeten über die
Plumpheit des Lord Brougham, die Trauer der Wirthe über die Beleidigung
eines geachteten Gastes auszudrücken. Sehr besorgt reden sie von dem Eindruck,
den die Sache in Preußen machen müsse, sehr eifrig streben sie, dem Gesandten
jede Art von Ehrenerklärung zu geben! Wahrlich, so warm und tief kann eine


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_85583/16>, abgerufen am 19.05.2024.