Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Die innere Verfassung des Sachsenlandes wich sehr ab von dem Municipal-
wesen der Magyaren, Kroaten und Szekler, da bei den großenteils Handel und
Gewerbe treibenden Sachsen das deutsche Stadtrecht und Zunftwesen herrschte,
welchem aber einige Momente aus der magyarischen Municipalverfassung beigemengt
wurden, so daß das Ganze einen eigenthümlichen Charakter annahm.

Die größern Städte, wie Herrmannstadt, Kronstäbe, Mediasch u. s. w. hatten
eine gewisse Anzahl Dörfer und kleiner Märkte unter ihrer Hoheit*). Die Stadt
mit den dazu gehörigen Ortschaften wurde von einem selbstgewählten Magistrate
im Verein mit den Zunftältesten regiert. Mehrere Städte mit ihren Pertinenzien
bildeten den Stuhl nach Art der magyarischen Comitate; alle Municipien zusam¬
men bildeten die Landesuniversität der Nation, welche einen vom König er¬
nannten Sachsengraf an der Spitze hatte, die Gesammtangelcgenheitcn der Sachsen
leitete, und einerseits zwischen dem König und der Nation, andererseits zwischen
dieser und dem Gesammtstaatskörper das Verbindungsorgan bildete. Innerhalb
des Gebietes der Sachsen durfte kein Mitglied eines anderen Volksstammes, selbst
der ungarische Adel nicht liegendes Besitzthum oder bürgerliche Rechte erwerben,
hingegen stand es den Sachsen frei in allen Gegenden des Reiches Güter, selbst
adelige anzukaufen. Und da sie nicht zahlreich genug waren ihr eigenes Terri¬
torium, viel weniger aber die auf fremdem Gebiet erworbenen Besitzungen zu be¬
völkern, so wurden die meisten ihrer Ländereien von den dazu gehörigen oder
aufgenommenen wallachischen und magyarischen Unterthanen in Nobotleistungen
bearbeitet. Die Sachsen zahlten ferner in Ungarn und den dazu gehörigen Län¬
dern gleich dem Adel, weder Brücken- noch Straßenmauth und dursten überall
Handel und Gewerbe treiben, während aus ihrem Gebiete Handel und Handwerk
ihr ausschließliches Monopol waren. Selbst die fremden Kaufleute, welche Waaren
aus den Donauländern nach Ungarn und den Nebenländern führten, mußten diese
auf ihrem Durchzug durch das sächsische Gebiet in die Magazine der sächsischen
Kaufleute abladen und erst nachdem diese sich mit ihrem Bedarf versehen hatten,
durfte der Rest weiter verführt werden.

Für all diese Freiheiten und Rechte hatten die Sachsen dem König nicht
mehr als eine jährliche Steuer voll too Mark Silber und ein Contingent von
500 Mann zu entrichte:!.

Diese Privilegien und Vorrechte der Sachsen, so wie die Grenzen ihres
Territoriums erlitten zwar im Laufe, der Jahrhunderte, besonders unter den Habs-
burgern manche Veränderungen; auch traten sie später, als Siebenbürgen unter
den Fürsten und endlich unter den Habsburger,: vou Ungarn getrennt blieb, in
dasselbe Verhältniß zu dem Großfürsteuthum, in welchem sie früher zu dem unga-



*) In den ersten Jahrhunderte" nach der Einwanderung gehörten zu Hcrrmanstadt S7,
zu Kronstäbe 28, zu Schäßvnrg Is, zu Mediasch SK Ortschaften. Dieses Verhältniß erlitt
später unter den HavSburgcrn Modifikationen.

Die innere Verfassung des Sachsenlandes wich sehr ab von dem Municipal-
wesen der Magyaren, Kroaten und Szekler, da bei den großenteils Handel und
Gewerbe treibenden Sachsen das deutsche Stadtrecht und Zunftwesen herrschte,
welchem aber einige Momente aus der magyarischen Municipalverfassung beigemengt
wurden, so daß das Ganze einen eigenthümlichen Charakter annahm.

Die größern Städte, wie Herrmannstadt, Kronstäbe, Mediasch u. s. w. hatten
eine gewisse Anzahl Dörfer und kleiner Märkte unter ihrer Hoheit*). Die Stadt
mit den dazu gehörigen Ortschaften wurde von einem selbstgewählten Magistrate
im Verein mit den Zunftältesten regiert. Mehrere Städte mit ihren Pertinenzien
bildeten den Stuhl nach Art der magyarischen Comitate; alle Municipien zusam¬
men bildeten die Landesuniversität der Nation, welche einen vom König er¬
nannten Sachsengraf an der Spitze hatte, die Gesammtangelcgenheitcn der Sachsen
leitete, und einerseits zwischen dem König und der Nation, andererseits zwischen
dieser und dem Gesammtstaatskörper das Verbindungsorgan bildete. Innerhalb
des Gebietes der Sachsen durfte kein Mitglied eines anderen Volksstammes, selbst
der ungarische Adel nicht liegendes Besitzthum oder bürgerliche Rechte erwerben,
hingegen stand es den Sachsen frei in allen Gegenden des Reiches Güter, selbst
adelige anzukaufen. Und da sie nicht zahlreich genug waren ihr eigenes Terri¬
torium, viel weniger aber die auf fremdem Gebiet erworbenen Besitzungen zu be¬
völkern, so wurden die meisten ihrer Ländereien von den dazu gehörigen oder
aufgenommenen wallachischen und magyarischen Unterthanen in Nobotleistungen
bearbeitet. Die Sachsen zahlten ferner in Ungarn und den dazu gehörigen Län¬
dern gleich dem Adel, weder Brücken- noch Straßenmauth und dursten überall
Handel und Gewerbe treiben, während aus ihrem Gebiete Handel und Handwerk
ihr ausschließliches Monopol waren. Selbst die fremden Kaufleute, welche Waaren
aus den Donauländern nach Ungarn und den Nebenländern führten, mußten diese
auf ihrem Durchzug durch das sächsische Gebiet in die Magazine der sächsischen
Kaufleute abladen und erst nachdem diese sich mit ihrem Bedarf versehen hatten,
durfte der Rest weiter verführt werden.

Für all diese Freiheiten und Rechte hatten die Sachsen dem König nicht
mehr als eine jährliche Steuer voll too Mark Silber und ein Contingent von
500 Mann zu entrichte:!.

Diese Privilegien und Vorrechte der Sachsen, so wie die Grenzen ihres
Territoriums erlitten zwar im Laufe, der Jahrhunderte, besonders unter den Habs-
burgern manche Veränderungen; auch traten sie später, als Siebenbürgen unter
den Fürsten und endlich unter den Habsburger,: vou Ungarn getrennt blieb, in
dasselbe Verhältniß zu dem Großfürsteuthum, in welchem sie früher zu dem unga-



*) In den ersten Jahrhunderte» nach der Einwanderung gehörten zu Hcrrmanstadt S7,
zu Kronstäbe 28, zu Schäßvnrg Is, zu Mediasch SK Ortschaften. Dieses Verhältniß erlitt
später unter den HavSburgcrn Modifikationen.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0160" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/85743"/>
          <p xml:id="ID_548"> Die innere Verfassung des Sachsenlandes wich sehr ab von dem Municipal-<lb/>
wesen der Magyaren, Kroaten und Szekler, da bei den großenteils Handel und<lb/>
Gewerbe treibenden Sachsen das deutsche Stadtrecht und Zunftwesen herrschte,<lb/>
welchem aber einige Momente aus der magyarischen Municipalverfassung beigemengt<lb/>
wurden, so daß das Ganze einen eigenthümlichen Charakter annahm.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_549"> Die größern Städte, wie Herrmannstadt, Kronstäbe, Mediasch u. s. w. hatten<lb/>
eine gewisse Anzahl Dörfer und kleiner Märkte unter ihrer Hoheit*). Die Stadt<lb/>
mit den dazu gehörigen Ortschaften wurde von einem selbstgewählten Magistrate<lb/>
im Verein mit den Zunftältesten regiert. Mehrere Städte mit ihren Pertinenzien<lb/>
bildeten den Stuhl nach Art der magyarischen Comitate; alle Municipien zusam¬<lb/>
men bildeten die Landesuniversität der Nation, welche einen vom König er¬<lb/>
nannten Sachsengraf an der Spitze hatte, die Gesammtangelcgenheitcn der Sachsen<lb/>
leitete, und einerseits zwischen dem König und der Nation, andererseits zwischen<lb/>
dieser und dem Gesammtstaatskörper das Verbindungsorgan bildete. Innerhalb<lb/>
des Gebietes der Sachsen durfte kein Mitglied eines anderen Volksstammes, selbst<lb/>
der ungarische Adel nicht liegendes Besitzthum oder bürgerliche Rechte erwerben,<lb/>
hingegen stand es den Sachsen frei in allen Gegenden des Reiches Güter, selbst<lb/>
adelige anzukaufen. Und da sie nicht zahlreich genug waren ihr eigenes Terri¬<lb/>
torium, viel weniger aber die auf fremdem Gebiet erworbenen Besitzungen zu be¬<lb/>
völkern, so wurden die meisten ihrer Ländereien von den dazu gehörigen oder<lb/>
aufgenommenen wallachischen und magyarischen Unterthanen in Nobotleistungen<lb/>
bearbeitet. Die Sachsen zahlten ferner in Ungarn und den dazu gehörigen Län¬<lb/>
dern gleich dem Adel, weder Brücken- noch Straßenmauth und dursten überall<lb/>
Handel und Gewerbe treiben, während aus ihrem Gebiete Handel und Handwerk<lb/>
ihr ausschließliches Monopol waren. Selbst die fremden Kaufleute, welche Waaren<lb/>
aus den Donauländern nach Ungarn und den Nebenländern führten, mußten diese<lb/>
auf ihrem Durchzug durch das sächsische Gebiet in die Magazine der sächsischen<lb/>
Kaufleute abladen und erst nachdem diese sich mit ihrem Bedarf versehen hatten,<lb/>
durfte der Rest weiter verführt werden.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_550"> Für all diese Freiheiten und Rechte hatten die Sachsen dem König nicht<lb/>
mehr als eine jährliche Steuer voll too Mark Silber und ein Contingent von<lb/>
500 Mann zu entrichte:!.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_551" next="#ID_552"> Diese Privilegien und Vorrechte der Sachsen, so wie die Grenzen ihres<lb/>
Territoriums erlitten zwar im Laufe, der Jahrhunderte, besonders unter den Habs-<lb/>
burgern manche Veränderungen; auch traten sie später, als Siebenbürgen unter<lb/>
den Fürsten und endlich unter den Habsburger,: vou Ungarn getrennt blieb, in<lb/>
dasselbe Verhältniß zu dem Großfürsteuthum, in welchem sie früher zu dem unga-</p><lb/>
          <note xml:id="FID_15" place="foot"> *) In den ersten Jahrhunderte» nach der Einwanderung gehörten zu Hcrrmanstadt S7,<lb/>
zu Kronstäbe 28, zu Schäßvnrg Is, zu Mediasch SK Ortschaften. Dieses Verhältniß erlitt<lb/>
später unter den HavSburgcrn Modifikationen.</note><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0160] Die innere Verfassung des Sachsenlandes wich sehr ab von dem Municipal- wesen der Magyaren, Kroaten und Szekler, da bei den großenteils Handel und Gewerbe treibenden Sachsen das deutsche Stadtrecht und Zunftwesen herrschte, welchem aber einige Momente aus der magyarischen Municipalverfassung beigemengt wurden, so daß das Ganze einen eigenthümlichen Charakter annahm. Die größern Städte, wie Herrmannstadt, Kronstäbe, Mediasch u. s. w. hatten eine gewisse Anzahl Dörfer und kleiner Märkte unter ihrer Hoheit*). Die Stadt mit den dazu gehörigen Ortschaften wurde von einem selbstgewählten Magistrate im Verein mit den Zunftältesten regiert. Mehrere Städte mit ihren Pertinenzien bildeten den Stuhl nach Art der magyarischen Comitate; alle Municipien zusam¬ men bildeten die Landesuniversität der Nation, welche einen vom König er¬ nannten Sachsengraf an der Spitze hatte, die Gesammtangelcgenheitcn der Sachsen leitete, und einerseits zwischen dem König und der Nation, andererseits zwischen dieser und dem Gesammtstaatskörper das Verbindungsorgan bildete. Innerhalb des Gebietes der Sachsen durfte kein Mitglied eines anderen Volksstammes, selbst der ungarische Adel nicht liegendes Besitzthum oder bürgerliche Rechte erwerben, hingegen stand es den Sachsen frei in allen Gegenden des Reiches Güter, selbst adelige anzukaufen. Und da sie nicht zahlreich genug waren ihr eigenes Terri¬ torium, viel weniger aber die auf fremdem Gebiet erworbenen Besitzungen zu be¬ völkern, so wurden die meisten ihrer Ländereien von den dazu gehörigen oder aufgenommenen wallachischen und magyarischen Unterthanen in Nobotleistungen bearbeitet. Die Sachsen zahlten ferner in Ungarn und den dazu gehörigen Län¬ dern gleich dem Adel, weder Brücken- noch Straßenmauth und dursten überall Handel und Gewerbe treiben, während aus ihrem Gebiete Handel und Handwerk ihr ausschließliches Monopol waren. Selbst die fremden Kaufleute, welche Waaren aus den Donauländern nach Ungarn und den Nebenländern führten, mußten diese auf ihrem Durchzug durch das sächsische Gebiet in die Magazine der sächsischen Kaufleute abladen und erst nachdem diese sich mit ihrem Bedarf versehen hatten, durfte der Rest weiter verführt werden. Für all diese Freiheiten und Rechte hatten die Sachsen dem König nicht mehr als eine jährliche Steuer voll too Mark Silber und ein Contingent von 500 Mann zu entrichte:!. Diese Privilegien und Vorrechte der Sachsen, so wie die Grenzen ihres Territoriums erlitten zwar im Laufe, der Jahrhunderte, besonders unter den Habs- burgern manche Veränderungen; auch traten sie später, als Siebenbürgen unter den Fürsten und endlich unter den Habsburger,: vou Ungarn getrennt blieb, in dasselbe Verhältniß zu dem Großfürsteuthum, in welchem sie früher zu dem unga- *) In den ersten Jahrhunderte» nach der Einwanderung gehörten zu Hcrrmanstadt S7, zu Kronstäbe 28, zu Schäßvnrg Is, zu Mediasch SK Ortschaften. Dieses Verhältniß erlitt später unter den HavSburgcrn Modifikationen.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_85583
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_85583/160
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_85583/160>, abgerufen am 19.05.2024.