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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. I. Band.

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seinem Artikel im "Pesther Morgenblatt", daß seine Majestät von seiner Um¬
gebung übel berathen sein kann, und daß es mir in Folge dieses Uebelberathen-
seins geschehen konnte, daß ein Mann von seinen Verdiensten entfernt wird n. s. w.

Der von seinem Himmel herabgeschlenderle Stern sollte gestern mittels
Dampfkraft von dem Schauplatz seiner bisherigen TlMgkeit entfernt werden. Der
Commandant nahm in einem langen Tagesbefehl von seinen Waffenbrüdern Abschied
und ein eigenes Schiff stand bereit, um die theure Ladung aufzunehmen. Sein
Stellvertreter im Commando, F. M. L. Wallmoden, beorderte das sämmtliche
Osstzicrcorps zur festgesetzten Stunde am Douanqnai zu erscheinen, wo der greise
Feldherr von ihnen Adieu sagen will. Auch die Unteroffiziere und sämmtliche im
Dienste nicht beschäftigten Gemeinen waren eingeladen sich daselbst einzufinden;
aber Haynau war wie bekannt noch mehr Tyrann gegen seine Krieger als gegen den
verachteten Civilisten, was ihn freilich bei der Mannschaft nicht sehr beliebt machte,
und Haynau, dem dies nicht unbekannt war, ließ vor seiner Wohnung uur solche
Soldaten die Wache beziehen, die wegen Verdiensten im Kriege ein Decorum er¬
halten, oder wenigstens sich nie eines DiscipliuarvergeheuS schuldig gemacht hatten.

Gestern Vormittag versammelte sich also die ganze hohe Generalität und das
zahlreiche Offiziercorps der Garnison in Prachtuniform im Hofe des neugebautes,
vermuthlich weil da und nur da die Großthaten geschehen sind, die dem Feldherr" seinen
europäischen Ruf und seine Unsterblichkeit sichern, und von hier bewegte sich der
Zug gegen den Donauquai, wo das gezimmerte Nilpferd in seiner Ungeduld Feuer
und Rauchwolken ans seinen Nüstern stieß. Von der Mannschaft hat sich,
außer einigen Neugierigen, kein einziger eingefunden, aber um so größer war die
Volksmenge, welche sich lawinenartig heranwälzte und alle Räume ans und um
den Landungsplatz erfüllte. Das Volk drängt sich sowohl den Gegenstand seines
Hasses als den seiner Liebe zu sehen. Wer die verschiedenen Sprachen, welche
bei solchen Zusammcnstrvmnngen in Pesch gehört werden, versteht, und so glücklich
war, mit unverletzten Gliedern von dem Trottoir der Donanzcile bis zum Ufer
gedrängt zu werden, konnte auf dieser mühseligen Reise manche drollige Aeußerung
vernehmen. "Wenn doch Einer einige Schrauben auf der Maschine stehlen konnte,
daß das Schiff beim ersten Versuch abzulanden platzte und das Ungeheuer wie
eine Katze ersaufen "kochte." "Wenn lieber, sagte ein Anderer, der gute Herrgott
vor den versammelten Offizieren einen Blitz aus heiterem Himmel auf das Haupt
des Meuschenwürgerö herabschleudcrte, damit es allen Machthaber" zum warnen¬
den Beispiel dienen konnte." "Es geschehen keine Wunder mehr," meinte ein
wohlbeleibter Gastwirth. "Auch wäre es mit einmal sterben für so viele Sünden
nicht abgethan, die Bestie ist aufbewahrt noch einst unseren Pillvaxheldcn (Demo¬
kraten) in die Hände zu fallen" n. s. w. Jndeß harrte das Volk vergebens,
die Rosse der Generäle stampften, der Dampfer schnaubte, Mehrere wurden ohn¬
mächtig aus dem Gedränge weggetragen, die Abfahrtsglockc aus dem Dampfboot


Grenzboten. III. I8S0. Z5

seinem Artikel im „Pesther Morgenblatt", daß seine Majestät von seiner Um¬
gebung übel berathen sein kann, und daß es mir in Folge dieses Uebelberathen-
seins geschehen konnte, daß ein Mann von seinen Verdiensten entfernt wird n. s. w.

Der von seinem Himmel herabgeschlenderle Stern sollte gestern mittels
Dampfkraft von dem Schauplatz seiner bisherigen TlMgkeit entfernt werden. Der
Commandant nahm in einem langen Tagesbefehl von seinen Waffenbrüdern Abschied
und ein eigenes Schiff stand bereit, um die theure Ladung aufzunehmen. Sein
Stellvertreter im Commando, F. M. L. Wallmoden, beorderte das sämmtliche
Osstzicrcorps zur festgesetzten Stunde am Douanqnai zu erscheinen, wo der greise
Feldherr von ihnen Adieu sagen will. Auch die Unteroffiziere und sämmtliche im
Dienste nicht beschäftigten Gemeinen waren eingeladen sich daselbst einzufinden;
aber Haynau war wie bekannt noch mehr Tyrann gegen seine Krieger als gegen den
verachteten Civilisten, was ihn freilich bei der Mannschaft nicht sehr beliebt machte,
und Haynau, dem dies nicht unbekannt war, ließ vor seiner Wohnung uur solche
Soldaten die Wache beziehen, die wegen Verdiensten im Kriege ein Decorum er¬
halten, oder wenigstens sich nie eines DiscipliuarvergeheuS schuldig gemacht hatten.

Gestern Vormittag versammelte sich also die ganze hohe Generalität und das
zahlreiche Offiziercorps der Garnison in Prachtuniform im Hofe des neugebautes,
vermuthlich weil da und nur da die Großthaten geschehen sind, die dem Feldherr» seinen
europäischen Ruf und seine Unsterblichkeit sichern, und von hier bewegte sich der
Zug gegen den Donauquai, wo das gezimmerte Nilpferd in seiner Ungeduld Feuer
und Rauchwolken ans seinen Nüstern stieß. Von der Mannschaft hat sich,
außer einigen Neugierigen, kein einziger eingefunden, aber um so größer war die
Volksmenge, welche sich lawinenartig heranwälzte und alle Räume ans und um
den Landungsplatz erfüllte. Das Volk drängt sich sowohl den Gegenstand seines
Hasses als den seiner Liebe zu sehen. Wer die verschiedenen Sprachen, welche
bei solchen Zusammcnstrvmnngen in Pesch gehört werden, versteht, und so glücklich
war, mit unverletzten Gliedern von dem Trottoir der Donanzcile bis zum Ufer
gedrängt zu werden, konnte auf dieser mühseligen Reise manche drollige Aeußerung
vernehmen. „Wenn doch Einer einige Schrauben auf der Maschine stehlen konnte,
daß das Schiff beim ersten Versuch abzulanden platzte und das Ungeheuer wie
eine Katze ersaufen »kochte." „Wenn lieber, sagte ein Anderer, der gute Herrgott
vor den versammelten Offizieren einen Blitz aus heiterem Himmel auf das Haupt
des Meuschenwürgerö herabschleudcrte, damit es allen Machthaber» zum warnen¬
den Beispiel dienen konnte." „Es geschehen keine Wunder mehr," meinte ein
wohlbeleibter Gastwirth. „Auch wäre es mit einmal sterben für so viele Sünden
nicht abgethan, die Bestie ist aufbewahrt noch einst unseren Pillvaxheldcn (Demo¬
kraten) in die Hände zu fallen" n. s. w. Jndeß harrte das Volk vergebens,
die Rosse der Generäle stampften, der Dampfer schnaubte, Mehrere wurden ohn¬
mächtig aus dem Gedränge weggetragen, die Abfahrtsglockc aus dem Dampfboot


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_85583/201>, abgerufen am 19.05.2024.